| # taz.de -- Die Wahrheit: Die Gottheit und die Gnoten | |
| > Der Knoten in den Akten. Eine Fortsetzungsgeschichte der etwas | |
| > anderen Art (Teil 9). Das Ende der Sommerserie. Heute: Wie sich alles | |
| > auflöste … | |
| Bild: Selbst eine in tausend Einzelteile zerflexte Welt kann wieder vollkommen … | |
| Was bisher geschah: Rechtsanwalt Doktor Schrunz hat mithilfe der Triaden | |
| seine Mutter beseitigen lassen. Die drei verbrecherischen Brüder aber haben | |
| Schrunzens einzigen Mandanten Röder entführt, um an einen mysteriösen | |
| Knoten zu gelangen, der sie zu einem Schatz von unermesslichem Wert führen | |
| soll. Doch auf der Spur der Triaden ist bereits Schroppmann, der | |
| Transgender-Kommissar vom BKA. Rudi Röders Vater, der Großknöterich senior, | |
| wird derweil von Irmina Hornbach mit einem Kreuzstich ins Herz außer | |
| Gefecht gesetzt, und Schrunz bedroht sein Umfeld mit einem Komodowaran. | |
| Beim Eintreffen Schroppmanns am Ort des Showdowns erwartet alle Beteiligten | |
| eine äußerst überraschende Überraschung … | |
| Während Schroppmann und Irmina noch damit beschäftigt waren, sich | |
| einerseits mit Bedacht, andererseits aber in Blitzesschnelle die | |
| Latexmasken von ihren Gesichtern zu ziehen und dabei „Blitzesschnelle“ | |
| rückwärts zu buchstabieren, bemerkten sie nicht, dass sich das Wasser im | |
| Froschteich zu merkwürdig verschlungenen Knoten kräuselte, unter denen es | |
| sich bedenklich und bedrohlich rekelte und regte, während kleine | |
| aufsteigende Blubberblasen eine Vorahnung auf die Hölle boten, die bald | |
| über alles hereinbrechen sollte. | |
| Und richtig: Aus dem Wasser stieg – wütend und mit blutunterlaufenden | |
| Lefzen – Korbinian, der untote Komodowaran auf. Als Schroppman und Irmina | |
| seinen bestialischen Todesatem, der sich ihnen vermutlich in nicht weniger | |
| als 23 Sekunden nähern würde, bereits erahnen konnten, fiel Irmina etwas | |
| ein: Sie hatte neulich im Kaugummiautomaten eigentlich einen | |
| farbveränderlichen Gefühlsring ziehen wollen, es kam aber nur ein kleines | |
| Taschenmesser heraus, das sie dann in ihrer Jeans vergessen hatte. | |
| Vielleicht könnte sie das ja noch irgendwie finden: Nervös tastete sie ihre | |
| Hose ab – da war es! Heimlich zog sie es aus einer ihrer Taschen und | |
| buchstabierte dabei „Taschen“ und „Taschenmesser“ rückwärts. Mit | |
| bedrohlichen Schritten versuchte sie, sich dem grinsenden Korbinian zu | |
| nähern, das Taschenmesser gezückt … | |
| ## Viereinhalb Meter Echse | |
| Korbinian duckte sich mit seinen winzigen Echsenbeinchen noch tiefer, als | |
| er sich jemals zuvor geduckt hatte. Und dann tat der Komodowaran etwas, was | |
| er noch nie zuvor in seinem Leben getan hatte: Er stellte sich mit seinen | |
| stattlichen viereinhalb Metern aufrecht auf seine Schwanzspitze, bückte | |
| sich und griff sich mit den unansehnlichen Vorderkrallen an die noch | |
| hässlicheren Fußkrallen. | |
| Dann zog er sich mit einem gewaltigen Ruck seine giftigwarzengrünpockige | |
| Pustelhaut vom Leib! Schrunz kollabierte, als er sah, was sich wirklich | |
| unter Korbinians Maske verborgen hatte: Es war Röder, der sich ein | |
| Komodowarankostüm angezogen hatte, und Schrunz nun die Hand reichte: „Ich | |
| werde dir, Schrunz, eine neue Welt eröffnen! Wappne dich, Schrunz, denn du | |
| erhältst heute die höchsten Weihen, die ein Rechtsanwalt und Bürgerlicher | |
| jemals erhalten hat, denn du hast alle Prüfungen bestanden …“ | |
| „Das muss entweder die GGG sein, oder es sind die Chinesischen Tiraden“, | |
| schoss es Schrunz grammatikalisch korrekt durch den wirren Kopf. Nicht nur | |
| seine Frisur sah abscheulich aus, er konnte auch kaum einen klaren Gedanken | |
| fassen. Als hätte Röder seine unklaren Gedanken spüren können, blickte er | |
| ihn tief und unergründlich an. Dann schnauzte er im Kasernenhofton: | |
| „Schrunzi, Schrunzi, es ist soweit! Vergiss die Anwaltsträume! Und halte | |
| dich bereit!“ | |
| Wie unter einem zauberhaften Bann folgte der Rechtsanwalt seinem Mandanten | |
| zu einem geheimnisvollen Gebirge, das vorher noch nicht da gewesen war. In | |
| dem geheimnisvollen Gebirge war ein Eingang zu einer Höhle, die Schrunz und | |
| Röder andächtig betraten. Was Schrunz nun erblickte, raubte ihm dermaßen | |
| den Atem, dass er abermals kollabierte. Dort nämlich schwebte ein | |
| gigantisches, goldglänzendes, haushohes, diamantbesetztes, fünzehnfach | |
| verschlungenes Ungetüm, dessen ineinander verschlungenen Rohre und Stangen, | |
| Röhren und Kabel ständig ihre Form zu neuen bizarren Formationen | |
| verknoteten, während es dabei ächzte und krächzte, seufzte und stöhnte, | |
| knarzte und krachte. | |
| ## Jünger des Lösers | |
| Als Schrunz sich wieder gefangen hatte, erklärte Röder ihm in | |
| verschwörerischem Tonfall: „Das ist der Heilige Deus ex machina, Spitzname | |
| „Dex“, den wir Ritter vom Geheimbund der Gordischen Gnoten als unsere | |
| einzige Gottheit verehren. Er ist unser Hirte und führt uns über die | |
| verschlungensten Pfade, durch die wirrsten Handlungen und die verfahrensten | |
| Dramaturgien, er trägt uns sicher über Logikfallen und rettet uns aus | |
| hoffnungslosen Drehbüchern. Er ist der einzige Knotenlöser der Welt, und | |
| wir alle sind seine Jünger.“ | |
| Und richtig, jetzt erblickte Schrunz die vielen fleißigen Leute, die in | |
| dunklen Kutten, die Kapuzen tief über die Gesichter gezogen, um Dex | |
| herumwirbelten und ihn polierten. Da waren ja alle versammelt: Papst | |
| Franziskus und Theodora Schrunz, geborene Bundschuh! Die Chinesischen | |
| Triaden Heinz Müller, Heinz Meier, Heinz Schulze und Onkel Donald! Der | |
| Sonderermittler des BKA, Kommissar Schroppmann und Feng Hui, sein | |
| Assistent! Und Rudi Röder Senior! Der amtierende Großknöterich vom GGG und | |
| Tante Gunhild! | |
| Das war also des Rätsels Lösung. Befreit lachte Schulz auf. Röder war ihm | |
| plötzlich so vertraut. Neckisch puffte der Anwalt seinen Mandanten in die | |
| Seite. Der puffte zurück, und im Nu war die hübscheste Rauferei im Gange. | |
| Danach schauten sie erschöpft, aber glücklich in die rote Sonne, die | |
| irgendwo zwischen Xanten und Trier im Meer versank. | |
| Nach einer Weile fragte Schrunz: „Du, Röder?“ – „Ja, Schrunz?“ – �… | |
| denn jetzt eigentlich aus Irmina Hornbach geworden? Und was sollen wir mit | |
| dem Knoten jetzt anfangen?“ Röder zog seine Augen zu bedrohlichen Schlitzen | |
| zusammen, hinter denen es gefährlich funkelte und knurrte: „Das klären wir | |
| nächsten Sommer.“ Dann brauste er in seinem goldenen Citroën CX in die | |
| aufgehende Sonne. | |
| Im Froschteich vollführte ein hübscher komodowaranähnlicher Koi Kapriolen … | |
| (Ende) | |
| 17 Sep 2024 | |
| ## AUTOREN | |
| Corinna Stegemann | |
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