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# taz.de -- Tigermücken in Berlin: Gekommen, um zu stechen
> Tigermücken sind aus Berlin nicht mehr wegzudenken. Übertragen können sie
> gefährliche Viruskrankheiten wie das Denguefieber.
Bild: Mücke tigert herum
Berlin taz | Kennen Sie die sicherste Methode, eine Mücke zu erlegen, die
sich bluthungrig auf Ihrem Körper niedergelassen hat? Sie dürfen nicht
sofort zuschlagen, sondern müssen warten, bis das Tier zur Ruhe gekommen
ist und seine Stechwerkzeuge gerade eben in Ihre Haut versenkt. Das hindert
sie am schnellen Auffliegen und macht sie zur sicheren Beute. Wenn Sie
nicht zu lange gewartet haben, konnte der kleine Sauger seinen
gerinnungshemmenden Speichel noch nicht injizieren, und die juckende
Quaddel bleibt Ihnen erspart.
In nicht allzu ferner Zukunft könnte dieses Vorgehen vielleicht schon zu
riskant sein. Denn mit den höheren Temperaturen, die der Klimawandel mit
sich bringt, breiten sich tropische Mückenarten in Mitteleuropa aus, die
gefährliche Krankheiten übertragen können – namentlich Aedes albopictus,
die [1][Asiatische Tigermücke].
In Berlin gibt es laut ExpertInnen schon einige fest etablierte
Populationen, in einer Kleingartenanlage in Treptow-Köpenick wurde das
Auftreten der Art nach ersten Funden 2021 über mehrere Jahre in Folge
belegt. Ende vergangener Woche bestätigte die Senatsgesundheitsverwaltung
nun einen ersten Nachweis in Pankow.
Dort wurden auf einem Friedhof sowohl ausgewachsene Mücken als auch deren
Larven entdeckt. Dass es sich um Tigermücken handelt, hat das Projekt
„Mückenatlas“ bestätigt, eine Initiative des Friedrich-Loeffler-Instituts
und des Leibniz-Zentrums für Agrarlandschaftsforschung (Zalf) e. V. Die
ruft die Bevölkerung auf, Mücken im Verdachtsfall – auffällige Musterung,
aggressives Stechverhalten vor allem morgens und nachmittags – [2][zu
fangen und möglichst intakt einzusenden], etwa in einer
Streichholzschachtel.
## Monitoring läuft
Mittlerweile hat der „Mückenatlas“ als Adressat solcher Päckchen Konkurre…
bekommen: Das Land Berlin hat im Juli das Gesundheitsamt Mitte mit dem
Tigermücken-Monitoring in der Hauptstadt betraut. Dabei untersucht die
Behörde unter der Leitung von Amtsarzt Lukas Murajda nicht nur Hinweise aus
der Bevölkerung, sondern hat selbst schon Dutzende Spezialfallen
aufgestellt, die Mücken mit stinkender Pflanzenbrühe oder Kohlendioxid
anlocken und in Netzen fangen.
Allerdings war unter den mehr als 2.000 in diesem Sommer untersuchten
Mücken kein einziges Exemplar von Aedes albopictus. Auch wenn die Art schon
ihre Fühler nach Berlin ausstreckt, kann von flächendeckendem Auftreten
noch keine Rede sein. Aber Mücken, die sich in tropischen und subtropischen
Zonen wohlfühlen, profitieren von zunehmend wärmeren Wetterlagen. Lässt
sich der Vormarsch der Tigermücke überhaupt noch stoppen?
„Die lokale Ausbreitung können wir verhindern“, sagt Amtsarzt Murajda der
taz. „Die Ausbreitung in Berlin nicht prinzipiell.“ Es geht also nur noch
um die Verlangsamung und Eindämmung einer ökologischen Entwicklung, die
nicht mehr aufzuhalten ist. Dabei sind die Risiken, die Tigermücken mit
sich bringen, ausgesprochen hoch: „Ich kann Ihnen versichern, dass keiner
von uns die Asiatische Tigermücke haben möchte“, hatte [3][Mückenexpertin
Doreen Werner vom Zalf vor zwei Jahren im taz-Interview] gesagt. Sie sei
kein Freund von Panikmache, aber wolle „nicht diejenige sein, die Dengue
oder Chikungunya bekommt oder einen Todesfall in der Familie zu beklagen
hat“.
## Gefahr Dengue
Die Verbreitung des Denguevirus ist tatsächlich die größte Gefahr, die die
Tigermücke mit sich bringt. Der Erreger, der das wegen der großen Schmerzen
auch „Knochenbrecherfieber“ genannte Denguefieber auslösen kann, ist
weltweit auf dem Vormarsch. Nach Schätzungen der WHO erkranken jährlich 50
bis 100 Millionen Personen daran, eine halbe Million erleidet einen
schweren Krankheitsverlauf, 22.000 Personen, besonders Kinder, sterben. Vor
allem in Indien sind die Zahlen in den vergangenen Jahren explodiert.
In Deutschland ist dagegen bisher kein einziger Fall einer lokalen
Dengue-Übertragung bekannt. Voraussetzung dafür ist das gleichzeitige
Vorhandensein von infizierten Personen und Mücken, die den Erreger in sich
aufnehmen und beim erneuten Stechen abgeben können. Dass eine infizierte
Mücke nach Deutschland eingeschleppt wird, ist nicht besonders
wahrscheinlich, aber wenn asymptomatisch an Dengue erkrankte Menschen
einreisen und hier von Tigermücken gestochen werden, wäre eine Epidemie
nicht ausgeschlossen.
Die Forschungsinstitute und die Senatsgesundheitsverwaltung setzen deshalb
auf Aufklärung der Bevölkerung – und auf deren Mitwirkung bei der
Eindämmung. Dabei steht der Entzug von Biotopen, in denen die Tigermücke
ihre Eier ablegt, an erster Stelle. Das tut sie am liebsten in kleinen
stehenden Wasseransammlungen in der Nähe von Menschen, von denen es
freilich unzählige gibt: von der verstopften Regenrinne der
Kleingartendatsche bis zur verwaisten Gießkanne auf dem Friedhof.
Aber auch wenn alle Brutstätten minimiert werden, bleibt es kompliziert:
Eine Untersuchung in Schanghai im Jahr 2018 ergab, dass Tigermücken ihre
Eiablage gerne in Gullys tätigen, wo sie stehendes Restwasser finden und
gleichzeitig vor vielen Fressfeinden geschützt sind. Die AutorInnen
schreiben, dass der Aufwand, diese Infrastruktur in einer Großstadt
mückensicher zu machen, praktisch nicht zu leisten ist. Auch für Berlin
dürfte das gelten – allen Bemühungen, lokale Regenversickerung zu fördern,
zum Trotz.
Und selbst wenn alle menschengemachten Wasseransammlungen verschwänden: Die
Tigermücke findet auch noch im Astloch eines Straßenbaums einen geeigneten
Ort für ihren Nachwuchs. Zumal die Eier in der Lage sind, Trockenzeiten zu
überstehen, um nach dem nächsten Regen aktiviert zu werden. Auch die Ränder
langsam fließender Gewässer sind eine potenzielle Ablagestelle.
Dass das Denguefieber oder andere gefährliche Viruskrankheiten in Berlin
endemisch werden, ist dennoch unwahrscheinlich. Zwar ist mittlerweile klar,
dass Tigermückengelege hiesige Winter überstehen können. Das ändert aber
nichts daran, dass ausgewachsene Mücken bei Kälte ihre Aktivitäten
einstellen und schon bei leichtem Frost sterben. Eine ganzjährige
Übertragungskette wie in den Tropen und Subtropen, wo die Populationen nie
komplett einbrechen, ist somit nicht gegeben.
Es sei denn, die Viren könnten in den Gelegen überwintern. Diese Vermutung
gibt es, wobei der Forschungsstand dazu noch sehr dünn ist. So oder so, als
Art ist die Tigermücke nach Berlin gekommen, um zu bleiben.
15 Sep 2024
## LINKS
[1] /Tigermuecke-in-Berlin/!5950649
[2] /Asiatische-Tigermuecke-in-Berlin/!6004438
[3] /Bekaempfung-der-Tigermuecke/!5867216
## AUTOREN
Claudius Prößer
## TAGS
Mücken
Schwerpunkt Klimawandel
invasive Arten
klimataz
Epidemie
Schwerpunkt Klimawandel
Mücken
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