# taz.de -- Linkspartei in Sachsen am Abgrund: Nur noch auf Leipzig ist Verlass | |
> In Sachsen verfehlt die Linkspartei die Fünfprozenthürde. Nur aufgrund | |
> zweier gewonnener Direktmandate schafft sie es wieder in den Landtag. | |
Bild: Ihren Direktkandidat:innen Juliane Nagel und Nam Duy Nguyen verdankt die … | |
Dresden taz | Sie haben alles gegeben, was sie noch haben. Sogar den | |
Altvorderen Gregor Gysi plakatierten die Linken-Wahlkämpfer:innen in | |
Sachsen großflächig mit dem Spruch: „Mal unter uns: Wir würden Ihnen doch | |
sicher fehlen?!“ Doch alle Bemühungen haben nicht viel genutzt. Der | |
schlechte Trend der Umfragen hat sich bestätigt: Bei der Landtagswahl am | |
Sonntag hat es nicht mehr für die Überwindung der 5-Prozent-Hürde gereicht. | |
„Das, was wir bisher kennen, ist übel“, sagte die Linken-Landesvorsitzende | |
und [1][Spitzenkandidatin Susanne Schaper] nach der ersten Hochrechnung in | |
Dresden. Die Stimmung sei eine Katastrophe. Das ist kein Wunder: Dass die | |
Linke trotzdem auch weiterhin im sächsischen Landtag vertreten sein wird, | |
verdankt sie bloß den zwei Direktmandaten, die [2][Juliane Nagel] und | |
[3][Nam Duy Nguyen] in Leipzig jeweils mit deutlichem Vorsprung gewinnen | |
konnten. Eine Punktlandung, denn in Sachsen gilt eine sogenannte | |
Grundmandatsklausel, der zufolge Parteien auch entsprechend ihrem | |
Zweitstimmenergebnis in den Landtag einziehen, wenn sie Direktmandate in | |
mindestens zwei der 60 Wahlkreise des Freistaates gewinnen. | |
Dass sie es dank ihres noch verbliebenen Rückhalts in der größten Stadt | |
Sachsens noch einmal denkbar knapp ins Parlament geschafft hat, kann jedoch | |
nicht darüber hinwegtäuschen, dass das Wahlergebnis insgesamt ein Desaster | |
für die Partei ist. Während in Thüringen die Linkspartei dank ihrer | |
Lichtgestalt Bodo Ramelow trotz dramatischer Verluste immerhin noch | |
zweistellig geblieben ist, sieht es in Sachsen zappenduster aus – dabei war | |
das Bundesland einstmals eine ihrer Hochburgen. | |
Auf den ersten Blick ist das katastrophale Abschneiden in erster Linie dem | |
Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) geschuldet. Doch auch wenn die neue Partei | |
kräftig in der vormaligen Linken-Wähler:innenschaft gewildert hat, wäre es | |
zu kurz gegriffen, den Niedergang der Linkspartei nur auf die Abspaltung | |
Wagenknechts und ihres Anhangs zurückzuführen. Tatsächlich wurde er bloß | |
durch das BSW noch einmal – wenn auch dramatisch – beschleunigt. | |
## Hausgemachte Krise | |
Anders als in fast allen anderen Landesverbänden – mit Ausnahme | |
Brandenburgs – begann der Abstieg der sächsischen Linken bereits in der | |
Endphase der PDS. Ihren Höhepunkt hatte die Partei bei der Landtagswahl | |
2004, bei der sie mit 23,6 Prozent das beste Ergebnis ihrer Geschichte | |
erzielte. Von da an ging es von Wahl zu Wahl runter: auf 20,6 Prozent 2009, | |
auf 18,9 Prozent 2014 und 10,4 Prozent 2019. Schon damals war von einem | |
Debakel die Rede gewesen. | |
Das ist besonders bemerkenswert, weil Sachsen seit 2004 zumeist von großen | |
Koalitionen regiert wurde. Die Linkspartei war also die meiste Zeit die | |
einzige demokratische Oppositionspartei im Landtag, wovon sie jedoch nicht | |
profitieren konnte. Die Krise der sächsischen Linken lässt sich denn auch | |
nicht alleine mit den Turbulenzen der vergangenen Jahre [4][in der | |
Bundespartei] erklären, sondern ist schon länger andauernd und zu einem | |
großen Teil hausgemacht. | |
Einher mit dem Stimmenrückgang ging ein herber Mitgliederverlust. Als sich | |
die PDS 2007 zur Linkspartei transformierte, zählte sie in Sachsen rund | |
13.300 Mitglieder und war der größte Landesverband. Heute sind davon nur | |
etwa 6.000 geblieben, wovon ein knappes Viertel aus der Linken-Hochburg | |
Leipzig stammt. Sachsen rangiert mittlerweile hinter Berlin und NRW nur | |
noch auf Platz 3. | |
## Verlust an Verankerung | |
Geschuldet ist dieser personelle Aderlass zuvorderst einer Überalterung der | |
Mitgliedschaft, von der ein Großteil noch zu SED-Zeiten politisch | |
sozialisiert wurde. Während alte Genoss:innen starben, kamen nicht genug | |
neue Genoss:innen hinzu, die den Verlust ausgleichen konnten. Auch nach | |
der Abspaltung des Wagenknecht-Lagers verlor die Linke in Sachsen wie auch | |
in den anderen ostdeutschen Bundesländern mehr Mitglieder durch Tod als | |
durch Austritt. | |
Die Folge war ein schleichender, aber für die Partei schmerzhafter Verlust | |
an Verankerung in der Fläche. [5][Jenseits der größeren Städte] gleicht die | |
Linkspartei in Sachsen vielerorts schon länger einem Trümmerfeld, was sie | |
allerdings allzu lang nicht wahrhaben wollte. Nun hat sie dafür auch auf | |
der Landesebene die Quittung bekommen. Daran konnte weder ein Wahlkampf, | |
der auf ostdeutsche Identitätspolitik setzte (Motto: „Ostdeutsch, | |
sächsisch, links.“), noch eine Menge Friedensplakate etwas ändern. | |
„Unsere Partei hat viele Niederlagen erlebt, konnte sich aber immer wieder | |
aufrappeln“, sagte der [6][Co-Landesvorsitzende Stefan Hartmann] am | |
Wahlabend in Dresden. „Voraussetzung war unsere Stärke in Ostdeutschland.“ | |
Damit ist es vorbei. Es sei „ganz wichtig“, dass ihre Partei es auf dem | |
Bundesparteitag im Oktober „schafft, einen richtigen Neustart zu wagen“, | |
sagte die Co-Vorsitzende Schaper. Ein Neustart in Sachsen dürfte allerdings | |
ebenso unausweichlich sein. | |
1 Sep 2024 | |
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## AUTOREN | |
Pascal Beucker | |
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