# taz.de -- Stahlkonzern in der Transformation: Chaos bei Thyssenkrupp | |
> Zentrale Führungskräfte schmeißen hin. Klappt es mit der grünen Zukunft | |
> für das Stahlgeschäft des Industrieriesen? | |
Bild: Die Stahlarbeiter haben Angst um ihre Jobs wegen des Missmanagements bei … | |
Berlin taz | Exodus bei Thyssenkrupp: Gleich sieben Spitzenkräfte in der | |
Stahlsparte des deutschen Industriekonzerns schmeißen hin. Am | |
Donnerstagabend verkündete Sigmar Gabriel, ehemaliger Vizekanzler für die | |
SPD, seinen Rückzug als Chef des Aufsichtsrats von Thyssenkrupp Steel | |
Europe (TSKE). Mit ihm zusammen gehen auch sein Stellvertreter, der | |
Gewerkschafter Detlef Wetzel, sowie die Aufsichtsratsmitglieder Elke Eller | |
und Wilfried Schäffer. | |
Letzte Amtshandlung: Die Zustimmung zu Aufhebungsverträgen dreier | |
TSKE-Vorstandsmitglieder, die ebenfalls kapitulieren. Chef Bernhard Osburg | |
sowie die Manager*innen Markus Grolms und Heike Denecke-Arnold | |
verlassen das Unternehmen. Damit ist der Vorstand nun nur noch zweiköpfig. | |
Die Abtrünnigen machen der Führung des Mutterkonzerns Thyssenkrupp schwere | |
Vorwürfe: Gabriel sprach am Donnerstagabend von einer „beispiellosen | |
Kampagne“ und einem „schweren Vertrauensbruch“ von Konzernchef Miguel Ló… | |
gegenüber dem Vorstand der Stahlsparte. „Offenbar war es das Ziel, den | |
Vorstand zur Aufgabe zu bewegen“, so Gabriel. | |
Der Streit entbrennt darüber, wie das Tochterunternehmen fit für die | |
Zukunft wird. Die muss vor allem grüner sein als bisher: Die Herstellung | |
von Stahl ist klimaschädlich. Das passt nicht dazu, dass Deutschland 2045 | |
klimaneutral werden und seine Treibhausgas-Emissionen auch schon vorher | |
rapide reduzieren muss. | |
## Billig-Konkurrenz aus Asien | |
Der schlechte CO2-Fußabdruck kommt einerseits durch den hohen Strombedarf | |
bei der Produktion, den teils noch fossile Energieträger decken. Das wäre | |
vergleichsweise einfach über die Nutzung erneuerbarer Energien zu ändern. | |
Der Großteil der Emissionen kommt aber aus dem Produktionsprozess selbst, | |
und zwar bei der Verbrennung von Koks. Das heißt: Es muss eine ganz neue | |
Art der Herstellung her. | |
Dazu will TKSE in Duisburg eine sogenannte Direktreduktionsanlage bauen, in | |
der mit Wasserstoff „grüner“ Stahl hergestellt werden soll. Die hohen | |
Investitionskosten von insgesamt 3 Milliarden Euro werden die | |
Stahlproduktion unter diesen neuen Vorzeichen erst mal teurer machen. Die | |
neue Anlage wird auch erst einmal nur einen von vier Hochöfen ersetzen, | |
eigentlich wären also noch viel höhere Investitionen nötig. Derweil ist die | |
Marktlage generell schwierig. Die Auto-Industrie fragt weniger Stahl nach | |
und die asiatische Konkurrenz bietet Billigpreise. | |
Vorstandschef Osburg hatte im Frühjahr einen Restrukturierungsplan | |
vorgelegt. Er wollte die Produktion um ein Fünftel drosseln und [1][nicht | |
genau bezifferte Teile der 27.000 Stellen abbauen]. Ein rotes Tuch für die | |
zuständige Gewerkschaft, die IG Metall – aber auch für Thyssenkrupp-Chef | |
López. Anders als der Gewerkschaft gingen ihm die Pläne allerdings nicht | |
weit genug. Das kritisierte er lautstark öffentlich. | |
## Die Gewerkschaft ärgert sich | |
Der Mutterkonzern will sich zudem stärker von der kriselnden Stahlsparte | |
lösen. Noch hält er 80 Prozent der Anteile. Auf dem übrigen Fünftel hatte | |
sich vor kurzem der [2][tschechische Milliardär Daniel Křetínský | |
eingekauft], dem unter anderem [3][die Kraftwerke und Tagebaue in den ost- | |
und mitteldeutschen Kohlerevieren gehören]. Eine Aufstockung auf 50 Prozent | |
ist geplant. Wie genau das ablaufen soll und wie viel Geld Thyssenkrupp | |
noch in das Stahlgeschäft steckt, ist Teil des Konflikts zwischen Mutter- | |
und Tochterkonzern. | |
Die Gewerkschaft ärgert sich über das Chaos. „Gut ein Jahr nach dem | |
Amtsantritt von Herrn López als CEO stehen wir vor einem Scherbenhaufen“, | |
sagte Jürgen Kerner, Zweiter Vorsitzender der IG Metall, der als Vizechef | |
im Thyssenkrupp-Aufsichtsrat sitzt. Kein einziges Problem sei mit dieser | |
Eskalation gelöst. „Im Gegenteil: Alles verschiebt sich, Lösungsansätze | |
werden erschwert“, so Kerner. | |
Zu den Projekten, denen er wenig Vorankommen attestiert, zählt auch die | |
Direktreduktionsanlage. „Das Kostenmanagement für den Bau der DRI-Anlage? | |
Mir nicht bekannt“, so der Gewerkschafter. | |
Dabei wird das Projekt sogar massiv vom Staat gefördert, der zwei Drittel | |
der Investitionssumme zahlt. „Wir gehen davon aus, dass dieses Projekt so | |
umgesetzt wird, wie es verhandelt wurde, auch mit der Europäischen | |
Kommission“, sagte eine Sprecherin des Bundeswirtschaftsministeriums der | |
taz am Freitag. Noch sei die vereinbarte Summe nicht komplett geflossen, | |
die Zahlungen seien an bestimmte Projektfortschritte gekoppelt. Allerdings | |
seien schon „substanzielle Schritte“ gegangen worden. | |
30 Aug 2024 | |
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## AUTOREN | |
Susanne Schwarz | |
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