# taz.de -- Historiker über Spionagetiere: „Besser als jede moderne Technik�… | |
> Hvaldimir ist tot. Als er 2019 in Norwegen auftauchte, hieß es, er sei | |
> von den Russen geschickt. Florian Schimikowski erklärt, ob und wie Tiere | |
> spionieren können. | |
Bild: Da lebte er noch: Hvaldimir im Jahr 2019 | |
Eine traurige Nachricht erreichte uns aus Norwegen: Am vergangenen Samstag | |
wurde der Belugawal Hvaldimir tot aufgefunden. 2019 tauchte der | |
Meeressäuger in norwegischen Gewässern auf, und weil er eine | |
Kamerahalterung mit der Aufschrift „Equipment St. Petersburg“ trug, gab es | |
schnell Gerüchte, dass es sich um einen russischen Spionagewal handeln | |
könnte. Von russischer Seite wurde das nie dementiert. | |
Hvaldimir – Hval ist norwegisch für „Wal“ – fühlte sich jedenfalls wo… | |
Norwegen, er streifte die Küste entlang und galt Menschen gegenüber als | |
äußerst zutraulich. Bis zu seinem plötzlichen Tod, zu dem ein | |
schockierendes Obduktionsergebnis vorliegt: Möglicherweise wurde Hvaldimir | |
erschossen. Eine späte Rache des KGB? Wir haben bei einem Experten des | |
Deutschen Spionagemuseums nachgefragt. | |
taz: Herr Schimikowski, ein Belugawal als russischer Spion – kann das | |
wirklich sein? | |
Florian Schimikowski: Ja, in der Welt der Spionage ist alles möglich. | |
Tatsächlich trainiert die US-Navy seit den 1960er Jahren mit Meeressäugern, | |
vor allem mit Delfinen und Seelöwen, aber auch mit Robben und verschiedenen | |
Walarten. Und zumindest im Kalten Krieg hatte auch das sowjetische Militär | |
ein ähnliches Programm. | |
taz: Wie lassen sich Meeressäuger denn sinnvoll für die Spionage einsetzen? | |
Schimikowski: Vor allem durch ihre Fähigkeit, mit Echoortung Objekte unter | |
Wasser zu finden. Sie können sich im Meer besser orientieren als jede | |
moderne Technik, zudem haben sie eine enorme Ausdauer. Meeressäuger eignen | |
sich für die Suche von Seeminen, die Bewachung von Schiffen oder Häfen und | |
auch für die Bergung von Gegenständen. Aus dem Irakkrieg ist bekannt, dass | |
die US-Navy Delfine zur Minensuche eingesetzt hat. | |
taz: Sterben dabei nicht auch mal Tiere? | |
Schimikowski: Dazu haben wir keine Berichte, aber Geheimdienste arbeiten ja | |
geheim, und so etwas würden sie schon aus Imagegründen sicher nicht an die | |
große Glocke hängen. Allerdings werden die Tiere sehr aufwendig von | |
Menschen trainiert, also wird man allein aus finanziellen Gründen darauf | |
achten, dass ihnen möglichst wenig passiert. Grundsätzlich ist es so, dass | |
die Delfine die Minen zunächst finden und die Stelle dann den Menschen | |
anzeigen, beispielsweise mit Rufen oder Bewegungen. Sie schwimmen also | |
nicht gleich runter, um an den Minen rumzufuhrwerken. | |
taz: Das können dann ja auch die Menschen erledigen! | |
Schimikowski: Wenn man weiß, wo die Minen sind, kann man sie erst mal mit | |
Kameratechnik untersuchen. Danach und wenn alles sicher ist, kann es | |
durchaus vorkommen, dass die Tiere spezielle Werkzeuge etwa an ihre | |
Schnauze erhalten, mit denen sie die Minen heben können. | |
taz: Auch Hvaldimir hat einmal das Handy einer Touristin vom Meeresboden | |
aufgehoben. | |
Schimikowski: Ja, und er suchte die Nähe zu Menschen, er hatte diese | |
Kamerahalterung um – das heißt, irgendeine Art von Training hat er auf | |
jeden Fall absolviert. | |
taz: … und zwar vom KGB? | |
Schimikowski: In diesem Fall gehe ich nicht davon aus, dass es sich um ein | |
Spionagetier handelt. Die meisten trainierten Wale sind ja aber nicht bei | |
Geheimdiensten tätig, sondern in Zoos und Aquarien, und da machen die genau | |
so was: Sachen finden, Sachen herausholen und ähnliche Geschichten. Dazu | |
diese Aufschrift, „Equipment St. Petersburg“ – aus Erfahrung kann man | |
sagen, dass richtige Spionagetechnik in der Regel keinen Rückschluss auf | |
ihre Herkunft zulässt. Da gibt es keine Länderkennung und schon gar keine | |
Labels wie „Made by KGB“ oder Ähnliches. | |
taz: Gibt es neben den Meeressäugern eigentlich [1][noch andere | |
Spionagetiere]? | |
Schimikowski: Es gibt Einsatzbeispiele von Hunden, Schweinen, Katzen, | |
Tauben, Ratten und sogar Bienen. Eines der berühmtesten Projekte war | |
„Acoustic Kitty“, bei dem die CIA in den 1960er Jahren eine Katze operativ | |
zu einer wandelnden Abhöranlage gemacht hat. Das heißt wirklich: Katze | |
aufgeschnitten, Abhörtechnik reingesetzt und dann sollte die Katze sich zu | |
bestimmten Plätzen hinbewegen. Alles sehr, sehr kompliziert, und man weiß, | |
Katzen sind schwer zu trainieren. Das Ganze hat Millionen gekostet und ist | |
am Ende gescheitert, es hat keine Informationen gebracht. | |
taz: Aber in anderen Fällen klappt es besser? | |
Schimikowski: Ja! Generell sind Tiere gut geeignet, die über besondere | |
sensorische Fähigkeiten verfügen. Die CIA und das FBI haben eigene | |
Hundestaffeln, [2][geschulte Hunde] können bis zu 19.000 verschiedene | |
Sprengstoffarten unterscheiden – da kommt keine menschengemachte Technik | |
mit. Auch Schweine und Ratten lassen sich in dieser Hinsicht sehr gut | |
ausbilden und kommen weltweit zum Einsatz. Ratten werden außerdem zur | |
Minenräumung eingesetzt, zum Beispiel in den ehemaligen | |
Bürgerkriegsgebieten in Afrika, weil sie den großen Vorteil haben, dass sie | |
mit ihrem leichten Gewicht die Minen nicht auslösen. | |
taz: Sie erwähnten auch Bienen … | |
Schimikowski: Tatsächlich lassen sich [3][auch Bienen] sehr gut und sehr | |
schnell trainieren, um Minen aufzuspüren. Allerdings hapert es dabei bisher | |
noch beim Einsatz im Freien, weil dort die Ablenkung für die Bienen zu groß | |
ist. Aber es gab Tests, wo man Bienen in so einer Art Handstaubsauger | |
einsetzt, mit dem man zum Beispiel in Flughäfen an die Gepäckstücke | |
herangeht. Wird die Luft eingesaugt, reagieren die Bienen, wenn sie | |
Sprengstoffspuren wahrnehmen. Da sind die Tests noch am Laufen. | |
taz: Aber dieses „Ein Tier wird zur laufenden Kamera/Mikrofon umgewandelt“, | |
das ist vermutlich die absolute Ausnahme? | |
Schimikowski: Das ist die Ausnahme. Es gab allerdings lange Zeit ähnliche | |
Versuche mit Tauben. Schon ab dem Ersten Weltkrieg wurden Fotokameras – die | |
für damalige Verhältnisse sehr, sehr klein waren – an Brieftauben | |
befestigt, um so aus der Luft zu spionieren. Da hat auch die CIA später | |
noch im Kalten Krieg mit herumexperimentiert. Das ist natürlich heute | |
obsolet, jetzt ist die Drohnentechnik so weit, dass man keine Tauben mehr | |
braucht. In anderen Bereichen können die Tiere durch ihre Sensorik aber | |
weiterhin sehr hilfreich sein. Generell erkennt man gute Geheimdienste | |
daran, dass sie verschiedene Spionagemethoden, alte genauso wie neue, je | |
nach Einsatzzweck sinnvoll kombinieren. | |
6 Sep 2024 | |
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Michael Brake | |
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