Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Versammlungsfreiheit deckt Abseilaktion: Gericht nötigt Autofahrer
> Protest auf der A27 ist legal, sagt das Verwaltungsgericht Stade.
> Trotzdem warten Aktivisten in Achim wegen einer ähnlichen Aktion auf ihr
> Urteil.
Bild: Abseilaktion an der A 27 am Mittwochmittag: Das Verwaltungsgericht in Sta…
Bremen taz | Ruben ist angeklagt: Der Umweltaktivist soll sich von einer
Schilderbrücke in Achim über der A27 abgeseilt und Transparente aufgehängt
haben, um gegen die Verkehrsministerkonferenz in Bremen zu protestieren.
Die Autobahn musste damals, 2021, gesperrt werden, es gab Staus –
[1][schwere Nötigung wirft die Staatsanwaltschaft] Ruben und einer
Mitangeklagten vor; am heutigen Donnerstag wird vor dem Amtsgericht Achim
ein Urteil verkündet.
Ruben ist gerade zu Fuß auf dem Weg, als er am Mittwochvormittag mit der
taz telefoniert: Es geht, sieh an, zu einer Autobahnbrücke in Achim an der
A27. Obwohl kaum Wind weht, rauscht es laut durchs Telefon. „Die Autos“,
erklärt Ruben, „aber gleich ist Schluss, dann gibt’s hier nur noch
Vogelzwitschern.“ Wieder wollen Aktivist*innen sich von einer Brücke
runterlassen, wieder sollen Transparente herabgelassen werden, wieder wird
die Autobahn für den Verkehr gesperrt sein.
Dieses Mal allerdings ist der Protest als Versammlung angemeldet – und
gerichtlich durchgewunken. Anlass ist der Prozess am Donnerstag, aber es
geht auch um das große Ganze, um Klimawandel und die Verkehrswende.
Die Stadt Achim hatte sich vorab ein wenig quergestellt: Versammlung schön
und gut, aber bitte nur auf der Brücke und ohne Abseilen! Zu Unrecht,
befand das Verwaltungsgericht Stade, und erlaubte in einem Eilbeschluss am
Dienstagabend die Abseilaktion: Das Grundrecht der Versammlungsfreiheit
umfasse auch den Beachtungserfolg, also die möglichst große
Öffentlichkeitswirkung eines Protests.
## Gericht lässt die Autobahn sperren
Ganz ließ die Kammer den Antrag nicht durchgehen: Das Abseilen bei
fließendem Verkehr sei zu gefährlich, befand das Gericht – die Autobahn
müsse gesperrt werden. Die Transparente konnte so zwar kaum einer lesen;
„aber die Autobahnsperrung selbst ist auch ein Beachtungserfolg“, sagt
Gerichtssprecher Richard Wermes. „Viele Medien fragen an.“
Dass die Aktion in letzter Minute durch einen Eilbeschluss des
niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts (OVG) in Lüneburg von einer
Stunde auf eine halbe verkürzt werden musste, finden die Aktivist*innen
nicht schlimm. „Die Hauptsache ist: Die Störung ist passiert“, sagt
Aktivistin Mika kurz nach Ende der Aktion, bei der sie sich abgeseilt hat.
„Schließlich“, ergänzt Ruben, „ging es nicht in erster Linie um eine
Blockade, sondern um die Symbolik.“
Und die beweist aus seiner Sicht: „Es ist keine Straftat, sich von einer
Autobahnbrücke abzuseilen.“ Bei dem Prozess in Achim wird Ruben und einer
Mitangeklagten Nötigung im besonders schweren Fall vorgeworfen; mindestens
sechs Monate Haft stehen darauf. Schließlich, so die Staatsanwaltschaft,
standen bei der Aktion 2021 Tausende Autofahrer*innen im Stau.
Stau allerdings gibt es [2][täglich, mit unterschiedlichen Ursachen.] Auch
die jetzt vom Gericht veranlasste Autobahnsperrung hat für einen Stau
gesorgt; am Stauende gab es laut Polizei noch dazu einen Auffahrunfall.
„Wenn die Staatsanwaltschaft ihre eigene Logik ernst nimmt, müsste sie die
Fünfte Kammer des Verwaltungsgerichts Stade wegen Nötigung verklagen“, sagt
Ruben.
Vorm Amtsgericht rechnet er am Donnerstag mit Freispruch. Insgesamt sind
Umweltaktivist*innen stark davon abhängig, [3][welches Gericht über
ihren Fall entscheidet.] So kam eine andere Aktion rund um die
Verkehrsministerkonferenz 2021 vor dem Landgericht Bremen gar nicht erst
zur Anklage.
Bei der Entscheidung für die Abseilaktion wiederum hatten die
Aktivist*innen offenbar Glück: Das Oberverwaltungsgericht, das die
Dauer des Protests auf Antrag der Stadt nachträglich verkürzt hatte, machte
später deutlich: Hätte die Stadt Achim vom OVG ein Verbot der Aktion
gefordert, wäre das Gericht dieser Forderung wohl auch nachgekommen.
29 Aug 2024
## LINKS
[1] /Prozess-gegen-Klima-Aktivistinnen/!6021062
[2] https://presse.adac.de/meldungen/adac-ev/verkehr/autofahrer-standen-letztes…
[3] /Haftstrafe-fuer-Klimaaktivisten/!6033096
## AUTOREN
Lotta Drügemöller
## TAGS
Verkehrswende
Aktivismus
Schwerpunkt Klimaproteste
Versammlungsfreiheit
Niedersachsen
Verkehrswende
Schwerpunkt Klimagerechtigkeit
Amnesty International
Schwerpunkt Klimawandel
## ARTIKEL ZUM THEMA
Film „VerkehrsWendestadt Wolfsburg“: Ungeschönte Tristesse
Zwei Jahre haben sich Wolfsburger Verkehrswende-Aktivist*innen bei
Protestaktionen aufgenommen. Jetzt gehen sie mit dem Film auf Tour.
Prozess gegen Klima-Aktivist*innen: Zweierlei Maß bei Nötigung
Vor dem Amtsgericht Achim müssen sich Klimaaktivisten wegen schwerer
Nötigung rechtfertigen. Eine ähnliche Anklage in Bremen wurde nicht
zugelassen.
Amnesty-Bericht zu Versammlungsfreiheit: Protest wird unterdrückt
Amnesty International kritisiert die Behinderung von Demonstrant:innen
in europäischen Ländern. Auch in Deutschland würden Klimaaktivisten
kriminalisiert.
Rechtsexpert*innen über Klimaprotest: „Wir müssen die Räume verteidigen“
Die Handlungsspielräume von Klimaprotest werden kleiner, warnt die
Umweltrechtsorganisation Green Legal Impact. Der Staat gehe immer härter
vor.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.