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# taz.de -- Meduza-Auswahl 1. bis 7. August: „Fast 11 Monate in Isolationshaf…
> Der im Gefangenenaustausch freigekommene Oppositionelle Wladimir
> Kara-Murza beschreibt die Haftbedingungen und die Auswirkungen auf seine
> Psyche.
Bild: Wladimir Kara-Murza bei einer Pressekonferenz nach seiner Freilassung
Das [1][russisch]- und [2][englischsprachige] Portal Meduza zählt zu den
wichtigsten unabhängigen russischen Medien. Im Januar 2023 wurde [3][Meduza
in Russland komplett verboten]. Doch Meduza erhebt weiterhin seine Stimme
gegen den Krieg – aus dem Exil. Die taz präsentiert seit 1. März 2023 unter
taz.de/meduza immer mittwochs in einer wöchentlichen Auswahl, worüber
Meduza aktuell berichtet. Das Projekt wird von der [4][taz Panter Stiftung]
gefördert.
In der Woche vom 1. bis zum 7. August 2024 berichtete Meduza unter anderem
über folgende Themen:
## Vom Diktator zum Staatsmann: Russlands Blick auf Stalin
Russische Politiker sprechen zunehmend von dem sowjetischen Diktator Josef
Stalin nicht mehr als Tyrann oder als Organisator von Massenunterdrückungen
– sondern als charismatischen Führer und starken Staatsmann. Beamte hängen
seine Porträts an ihre Wände, im ganzen Land gibt es über 100 Denkmäler für
ihn, und die Partei der Kommunisten Russlands hat ein „Stalin-Zentrum“
eröffnet. Und plant weitere im ganzen Land.
Das unabhängige Online-Medium Nowaja Wkladka beschäfigt sich mit dem Trend
der wachsenden Bewunderung für Stalin in Russland – und damit, wie die
Behörden diesen Trend seit der Invasion in die Gesamtukraine im Jahr 2022
gefördert haben. [5][Meduza veröffentlicht eine gekürzte Übersetzung des
Berichts auf Englisch].
Stalin-Zentren sind zwar ein neues Phänomen in Russland, doch Denkmäler für
den sowjetischen Führer sind Alltag. Im Jahr 2023 wurden vier neue solche
Denkmäler errichtet: eines in einem Museum in Wolgograd, eines in einem
Mikroelektronikwerk in der Region Pskow, eines in einem Park in der Region
Moskau und eines in einer Gedenkstätte für die Opfer politischer
Repressionen in der Region Twer. Und weitere Stalin-Denkmäler sind auf dem
Weg.
## Nach dem Gefangenen-Austausch im Zwangsexil
Im Rahmen des historischen Gefangenenaustauschs zwischen Russland und
mehreren westlichen Ländern hat Moskau am Donnerstag acht seiner eigenen
Staatsbürger freigelassen. Nach den Berichten ihrer Angehörigen zu
urteilen, wurden zumindest einige der freigelassenen Gefangenen erst kurz
vor dem Austausch darüber informiert. Jetzt leben sie zwangsweise im Exil.
Und nun? [6][Meduza sprach mit Valeria Vetoshkina, einer Anwältin der
Menschenrechtsorganisation OVD-Info darüber, was passieren würde, sollten
die Freigelassenen versuchen, nach Russland zurückzukehren] (englischer
Text).
Laut Vetoshkina handelt es sich eher um einen diplomatischen als um einen
rechtlichen Prozess. Unter der sowjetischen Regierung wurde Dissidenten die
Staatsbürgerschaft entzogen und sie wurden des Landes verwiesen. Ein
Beispiel ist der Schriftsteller und Systemkritiker Alexander Solschenizyn.
Danach konnten die Behörden die Person mit einem Einreiseverbot belegen –
formal gesehen war das alles ganz legal.
Die russischen politischen Gefangenen, die in den Austausch vom letzten
Donnerstag einbezogen wurden, sind dagegen offiziell für ihre „Verbrechen“
begnadigt worden. Die Begnadigungsschreiben wurden Anfang dieser Woche von
Wladimir Putin unterzeichnet. Außerdem darf russischen Staatsbürgern nach
der Verfassung des Landes unter keinen Umständen das Recht auf Einreise
entzogen werden.
Rechtlich gesehen können also alle russischen Staatsbürger, die von den
russischen Behörden im Rahmen des Gefangenenaustauschs vom Donnerstag
freigelassen wurden, nach Russland zurückkehren. Und die russische
Regierung hat derzeit zumindest offizielle keine Rechtsansprüche gegen sie.
Dennoch, so Vetoshkina, könnten die russischen Behörden jederzeit neue
Strafverfahren gegen die freigelassenen Häftlinge wegen anderer „Vergehen“
einleiten.
## Oppositionspolitiker Wladimir Kara-Murza im Interview
Der Oppositionspolitiker, Historiker und Publizist Wladimir Kara-Murza
[7][gibt Meduza sein erstes großes Interview seit seiner Freilassung] – und
spricht über Folter, Einsamkeit und die unmenschlichen Bedingungen im
Gefängnis (russischer Text).
„Ich wusste schon vor meiner Verhaftung, dass nach internationalem Recht
längere Einzelhaft mit Folter, grausamer und unmenschlicher Behandlung
gleichzusetzen ist. Außerdem gelten 15 aufeinanderfolgende Tage als längere
Einzelhaft. Ich befand mich fast 11 Monate lang ununterbrochen in
Isolationshaft.
Ich muss ehrlich sein, vor dem Gefängnis, bevor ich diese Erfahrung selbst
gemacht habe, konnte ich nicht verstehen: Was ist hier Folter? Im
Gegenteil, ich dachte, man sitzt allein, niemand mischt sich ein, man kann
schreiben, was man will, Bücher lesen – alles ist besser, als mit
Kriminellen in einer Kaserne zu sitzen. Nur ein Mensch, der nicht weiß, was
ein Gefängnis ist, kann so denken. Es ist wirklich eine Folter…
… Wenn man von Folter spricht, stellen sich viele Menschen vor, dass man
ihnen Nadeln unter die Fingernägel steckt oder sie getasert werden. Aber
moralische und psychologische Folter kann stärker sein als physische
Folter. Und ich kann sagen, dass die völlige Isolierung von jeglicher
menschlicher Kommunikation absolut unerträglich ist.
Der Mensch ist, wie Aristoteles sagte, ein soziales Wesen. Wir brauchen die
Gesellschaft der anderen so sehr wie Essen, Trinken, Luft. Wenn man davon
völlig abgeschnitten ist, dann fängt man sehr schnell an – ich spreche es
offen aus – das Dach zu verlieren. Man verliert die Konzentration, man wird
verwirrt, man fängt an zu denken, man fängt an, etwas Verrücktes zu tun…
… In den zwei Jahren und vier Monaten, die ich im Gefängnis war, konnte ich
einmal mit meiner Frau und zweimal mit meinen drei Kindern telefonieren.
Sie gaben mir 15 Minuten für das Gespräch, und noch heute erzählt mir meine
Frau, dass sie mit einer Stoppuhr dastand, um sicherzustellen, dass kein
Kind länger als fünf Minuten mit seinem Vater sprach, damit jeder diese
fünf Minuten hatte.
Das ist auch für die Familien eine Qual, nicht nur für uns. Es ist sehr
wichtig, dass die Menschen erkennen, dass es für die Familien der
politischen Gefangenen viel schwieriger ist als für uns. Weil wir bewusst
gegen dieses Regime gekämpft haben, haben wir die Konsequenzen verstanden.
Und unsere Familien werden nur deshalb bestraft, weil sie uns nahestehende
Menschen sind…
… Menschen, die noch nie im Gefängnis waren, stellen sich die
Gefängnisbeamten oft als eine Art Comic-Bösewichte aus Filmen vor. Aber die
große Mehrheit der Menschen im Strafvollzug ist ganz normal. Und das ist
auch schrecklich, denn das Böse in unserer Welt wird durch die Hände
solcher normaler Menschen getan, die Befehle befolgen und, wie sie sagen,
„nichts Persönliches“… „
… Und von all dem war das Gruseligste … war das Gefängniskrankenhaus, in
das sie mich zum letzten Mal schickten.. Auf Schritt und Tritt,
buchstäblich alle 50 Meter, wurde man durchsucht. Hände hinter den Rücken.
Gesicht zur Wand. Du darfst niemanden ansehen … Jeden Morgen kommt das
Personal mit riesigen Holzhämmern in die Zelle und durchsucht alles.
Das geschieht in allen Zellen, nicht nur im Krankenhaus. Sie klopfen die
Wände, die Fensterrahmen und die Koje ab, um sicherzustellen, dass niemand
etwas in irgendeinem Versteck versteckt hat.. Außerdem gibt es alle
möglichen medizinischen Eingriffe, die nicht gerade angenehm sind – wie
eine Magenspiegelung, bei der man dir einen Schlauch in den Magen steckt.“
7 Aug 2024
## LINKS
[1] https://meduza.io/
[2] https://meduza.io/en
[3] /Russische-Medien-im-Exil/!5911767
[4] /!v=4269299f-23bb-40f2-a4ea-2b1b1ae40192/
[5] https://meduza.io/en/feature/2024/08/06/a-deliberate-policy
[6] https://meduza.io/en/feature/2024/08/02/russia-traded-seven-of-its-citizens…
[7] https://meduza.io/feature/2024/08/06/kazhdyy-istorik-mechtaet-uvidet-period…
## AUTOREN
Tigran Petrosyan
Gemma Teres Arilla
## TAGS
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Austausch
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