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# taz.de -- The New Institute in Hamburg: Akademische Insel wird entwohnt
> „The New Institute“ wollte Antworten auf die ganz großen Fragen liefern.
> Nun kündigte Mäzen Erck Rickmers zerknirscht an, dass es die Arbeit
> einstellt.
Bild: Very british: Eingang des New Institute in Hamburg
Hamburg taz | Unauffällig ist die lange Häuserreihe in direkter Nähe zur
Hamburger Außenalster. Zwar frisch saniert, doch in zurückhaltenden
Grautönen gestrichen. Erst auf den zweiten Blick zeigt sich, dass hier ein
Aufenthalt wohl ziemlich angenehm sein muss.
Gläserne Deckenlampen strahlen gediegenes Licht in einige der Räume,
moderne Gemälde hängen an den hohen Wänden nebst breiten Bücherregalen. Von
der Straße aus nicht einsehbar ist der große, mit alten Bäumen bewachsene
Garten, der sich auf der Innenseite der Häuserreihe lang und breit
erstreckt. Den Blick in dieses Idyll schweifen lassen werden
Wissenschaftler:innen bald nicht mehr können.
Am Dienstag gab die als gemeinnützige GmbH organisierte „The New Institute
Foundation“ bekannt, dass sie ihre zentrale Aufgabe zum Ende des kommenden
akademischen Jahres im Sommer 2025 einstellen will: als Plattform für kluge
Köpfe, die durch einen gemeinsamen, längeren Aufenthalt im schicken
[1][Warburg-Ensemble] „Antworten auf die Fragen in Ökologie, Ökonomie und
Demokratie im Zeichen der Klimakrise“ finden, wie es zur Gründung des
Instituts im September 2020 selbstbewusst hieß.
Es habe nur teilweise geklappt, renommierte Akademiker:innen
verschiedener Disziplinen mit Vertreter:innen aus Politik, Wirtschaft,
Medien und Kultur zusammenzubringen, erklärte das Institut nun in einem
Schreiben. Im Rahmen des vom Institut angebotenen Fellowship-Programms habe
sich nicht die erhoffte längerfristige Zusammenarbeit entwickeln können.
## Ein zerknirschter Mäzen
„Zudem erwies es sich als schwierig, herausragende WissenschaftlerInnen und
PraktikerInnen für eine einjährige Residenz zu gewinnen, da diese häufig
aus familiären oder beruflichen Gründen nicht längerfristig verfügbar
sind.“
Der Mann, der das Projekt initiiert hatte, zeigt sich nun ziemlich
zerknirscht. „Ich bitte um Nachsicht dafür, dass wir die Erwartungen, die
wir geweckt haben, nicht erfüllen konnten“, lässt [2][Erck Rickmers]
mitteilen. „Als einer von vielen Menschen, die sorgenvoll in die Zukunft
blicken, habe ich versucht, mit The New Institute einen gesellschaftlichen
Beitrag zu leisten. Dies ist mir nicht in dem Maße gelungen, wie ich es
erhofft hatte.“
Rickmers [3][gehört zur bekannten Reedereifamilie], arbeitete selbst in der
Schiffahrtsbranche und saß auch vor einigen Jahren für kurze Zeit als
SPD-Abgeordneter in der Hamburgischen Bürgerschaft. Als Gründer und
Finanzier des Instituts setzte sich über Rickmers das Bild eines um die
Gesellschaft besorgten Philanthropen durch.
Der Start der Denkfabrik ließ die selbst proklamierten Erwartungen in die
Höhe schnellen: Als Wissenschaftliche Direktorin hatte Rickmers die
[4][medial umfangreich präsente Maja Göpel] gewonnen, der gut vernetzte
Wissenschaftsmanager Wilhelm Krull wurde Geschäftsführender Direktor. Das
komplette Gebäude-Ensemble mit seinen neun Stadtvillen ließ Rickmers
umfangreich sanieren, um es zu einer akademischen Insel zu machen, in der
sich über die großen Begriffe wie Innovation, Vision oder Zukunftsfähigkeit
Gedanken gemacht werden sollte.
Fern vom regelhaften Publikationszwang und anderer universitärer
Verpflichtungen sollten die Gäste jenseits disziplinärer Grenzen die großen
Fragen der Gesellschaft beantworten – und nicht nur
Wissenschaftler:innen unter sich, sondern im Austausch mit
Aktivist:innen, Journalist:innen oder Künstler:innen.
Sich selbst attestiert das Institut trotz der nicht erreichten Ziele eine
erfolgreiche Zeit. „Die Arbeit war keineswegs ergebnislos“, sagt Rickmers.
Zahlreiche Buchprojekte seien abgeschlossen, wissenschaftliche Artikel
verfasst, Konferenzen organisiert und Workshops abgehalten worden.
Dutzende, vor allem Wissenschaftler:innen listet das Institut als
frühere Gäste auf.
## Kritik schon im Januar
Doch kamen zuletzt schon einige Zweifel auf, ob hinter der guten Publicity
auch wirklich ein substantieller Mehrwert entsteht. Von nennenswerten
Projekten, die im Institut entstanden, war seit der Gründung wenig zu
hören. Maßgeblichen Akteur:innen aus der Gründungszeit, Göpel oder Krull
etwa, sind nach relativ kurzer Zeit abgesprungen.
Und die Frankfurter Allgemeine Zeitung [5][konstatierte] Anfang des Jahres,
beim Institut habe man es mit einer „schwer erträglichen Angeberei zu tun,
die alle Werte zugleich zu verwirklichen behauptet, aber bislang so gut wie
nichts zustande oder jedenfalls zu Papier gebracht hat.“ Schuld daran sei
auch der Mäzen, der sich zu sehr einmische.
Etwas Aufmerksamkeit generierte immerhin der mit 20.000 Euro dotierte
„Helmut-Schmidt-Preis“, der vom Zeit-Verlag zusammen mit der
Bundeskanzler-Helmut-Schmidt-Stiftung und dem New Institute verliehen wird.
Und nun? „Wir haben noch ein volles akademisches Jahr vor uns, in dem wir
erfolgreich arbeiten wollen“, sagt die Geschäftsführerin der Stiftung,
Britta Padberg. Das Engagement für gesellschaftliche Themen wolle man
aufrechterhalten – und neue Förderformate entwickeln.
21 Aug 2024
## LINKS
[1] /Neues-Hamburger-Forschungskolleg/!5710951
[2] /Archiv-Suche/!5791657&s=the+new+institute+hamburg&SuchRahmen=Print/
[3] /Reederei-Rickmers-insolvent/!5411833
[4] /Energiewende-und-Erdgas/!5984529
[5] https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/new-institute-in-hamburg-ha…
## AUTOREN
André Zuschlag
## TAGS
Hamburg
Wissenschaft
Mäzene
Forschung
Dagestan
Literatur
Hamburg
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