| # taz.de -- Experte zu Waldbränden in Griechenland: „Athen wird zu Kairo wer… | |
| > Ein Großbrand in Athen hielt Griechenland jüngst in Atem. Laut dem | |
| > Experten Alexandros Dimitrakopoulos hätte der Schaden begrenzt werden | |
| > können. | |
| Bild: Freiwillige Helfer versuchen, das Feuer im Norden von Athen zu löschen | |
| taz: Herr Dimitrakopoulos, vor einigen Tagen brach nachmittags im Dorf | |
| Varnavas, 45 Kilometer nordöstlich des Zentrums von Athen, [1][ein Feuer | |
| aus]. Rasend breitete es sich in Richtung der Metropole aus. Erstmals | |
| erreichte ein Waldbrand die nordöstlichen Athener Vororte Vrilissia und | |
| Chalandri und damit das Stadtgebiet von Groß-Athen – und dies binnen | |
| weniger Stunden. Wie reagierten die Menschen in Griechenland auf das Feuer? | |
| Dimitrakopoulos: Das ist ein Schock für die Griechen. Nahe Athen, dem | |
| Verwaltungszentrum des griechischen Staates, bricht ein riesiges Feuer aus, | |
| das unmittelbar Leben und Eigentum bedroht. Und dies, obwohl eine Fülle von | |
| Waldbrandbekämpfungsmitteln zur Verfügung stand. | |
| taz: Wie konnte das Feuer so schnell die griechische Hauptstadt erreichen? | |
| Dimitrakopoulos: Das Brandrisiko war sehr hoch, auf einer Risikoskala von | |
| eins bis fünf lag es bei vier. Es herrschten hohe Lufttemperaturen von 36 | |
| Grad Celsius und Dürre. Ferner wehten starke Winde mit einer Windstärke von | |
| sechs bis sieben Beaufort. Dies ist in dieser Jahreszeit zwar üblich. Vom | |
| 10. August bis Ende September wehen hier die Meltemi-Winde. Das sind | |
| starke, trockene Nord- und Nordostwinde. Von Sonntagabend bis Montagmorgen | |
| gab es aber keine nennenswerte Brandbekämpfung. Daher brannte das Feuer | |
| mehr als zwölf Stunden lang ungestört bei starkem Wind. Wegen der starken | |
| Winde kam es in der Nähe neuer Siedlungen in Windrichtung immer wieder zu | |
| neuen Ausbrüchen oder Wiederaufflammungen. Die hohe Siedlungsdichte in | |
| brennenden oder brandgefährdeten Waldgebieten führte dazu, dass wertvolle | |
| Ressourcen der Waldbrandbekämpfung auf Kosten der aktiven Brandbekämpfung | |
| zum Schutz der Häuser eingesetzt wurden. | |
| taz: Zunächst kämpften 560 Feuerwehrleute, 16 Forstteams, 177 Fahrzeuge, 17 | |
| Löschflugzeuge und 15 Hubschrauber gegen die Flammen. Das | |
| EU-Koordinationszentrum für Notfallmaßnahmen (ERCC) wurde um Hilfe gebeten. | |
| War das nicht ausreichend? | |
| Dimitrakopoulos: Nein. Das war nicht genug, wenn man sich das Ergebnis | |
| anschaut. Es stellt sich die Frage nach der Effizienz der | |
| Waldbrandbekämpfungskräfte. Das betrifft ihr konkretes Wirken bei der | |
| Brandbekämpfung, den Einsatz von Brandbekämpfungsgeräten und das | |
| Vorhandensein sowie die Wirksamkeit von Einsatzplänen zur Brandbekämpfung. | |
| Kurz gesagt: Es kommt nicht nur darauf an, wie viel Personal und Material | |
| man zur Brandbekämpfung hat, sondern auch darauf, wie man es einsetzt. | |
| taz: Der durch das jüngste Großfeuer angerichtete Schaden ist enorm. Eine | |
| Frau wurde bei der Arbeit in einer Fabrik Opfer der Flammen. Nach einer | |
| ersten Schätzung sind 102 Quadratkilometer verbrannt, etwa die Hälfte davon | |
| in der historischen Gemeinde Marathon, zu der auch Varnavas gehört. | |
| Dutzende Häuser und Geschäfte sind zerstört. Hätte dieses Ausmaß des | |
| Schadens begrenzt werden können? | |
| Dimitrakopoulos: Ja. Dafür hätte es aber mehr Sachkenntnis und Eifer bei | |
| der Waldbrandbekämpfung, einer effizienteren Planung der lokalen | |
| Brandbekämpfungspläne und einer rationellen Organisation der | |
| Brandbekämpfungsmaßnahmen bedurft. | |
| taz: Im Großraum Athen kommt es jedes Jahr zu Bränden. Nach Angaben des | |
| meteorologischen Dienstes Meteo sind in den letzten acht Jahren 37 Prozent | |
| der Wälder dieser Region abgebrannt. Warum wird sie so oft und so stark von | |
| Waldbränden heimgesucht? | |
| Dimitrakopoulos: Das liegt am trockenen und heißen Klima, der mediterranen | |
| Vegetation und vor allem an der hohen Bevölkerungskonzentration im | |
| attischen Becken, wo etwa die Hälfte der griechischen Bevölkerung lebt. In | |
| Griechenland werden 98 Prozent der Waldbrände absichtlich oder | |
| unabsichtlich von Menschen verursacht. | |
| taz: Können in den verbrannten Gebieten von selbst neue Wälder wachsen? | |
| Dimitrakopoulos: Verbrannte mediterrane Ökosysteme wie Kiefernwälder und | |
| Sträucher regenerieren sich auf natürliche Weise durch Samen und Setzlinge, | |
| wenn sie mindestens zehn Jahre lang ungestört bleiben, also ohne | |
| menschliche Eingriffe, vor allem durch Beweidung und Bebauung. Die Natur | |
| heilt ihre eigenen Wunden auf die beste Art und Weise, solange der Homo | |
| oeconomicus nicht eingreift. | |
| taz: Die griechische Hauptstadt mit ihren vier Millionen Einwohnern verfügt | |
| über sehr wenige Grünflächen und Parks. Was bedeuten die nun verbrannten | |
| Flächen in der „Grünen Lunge“ der Region für das Klima und das Leben in | |
| Athen? | |
| Dimitrakopoulos: Kurzfristig, für ein bis zwei Wochen, ist mit einem | |
| Anstieg der Schwebstoffe PM 10 und PM 2,5 sowie des Ozons in der Atmosphäre | |
| zu rechnen. Das führt zu Atemproblemen. Mittelfristig wird sich durch die | |
| Zerstörung des Waldes das Mikroklima im Stadtgebiet von Athen um mindestens | |
| 1,5 bis zwei Grad Celsius erwärmen. Die Sommer werden noch trockener | |
| werden. Die Lufttemperaturen werden während der [2][Hitzewellen] bei etwa | |
| 39 Grad liegen. Athen wird zu Kairo werden! Langfristig werden sich der | |
| „Treibhauseffekt“ und der Klimawandel durch den Anstieg des Kohlendioxids | |
| in der Atmosphäre aufgrund der verbrannten Wälder noch verstärken. Dies | |
| wird zwangsläufig auch Auswirkungen auf den Tourismus haben. | |
| taz: Im vorigen Jahr verbrannte in Griechenland insgesamt eine Fläche von | |
| 1.747 Quadratkilometern, was mehr als einem Prozent der Landfläche des | |
| Landes entspricht. Nun folgte das Großfeuer im Großraum Athen – und der | |
| Sommer ist noch nicht vorbei. Droht Griechenland eine großflächige | |
| Verwüstung? | |
| Dimitrakopoulos: Die Gefahr besteht, aber nicht unmittelbar. Zusätzlich zu | |
| den Waldbränden hat Griechenland allmählich mit einer [3][ernsthaften | |
| Wasserknappheit] zu kämpfen. Das hiesige Klima ist in den letzten 30, 35 | |
| Jahren wärmer und trockener geworden – mit all den Folgen für alle | |
| Lebewesen. | |
| 19 Aug 2024 | |
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| ## AUTOREN | |
| Ferry Batzoglou | |
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