Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Betrugsfall in Bremer Sozialamt: Staatsdiener mit Fantasien
> Im Bremer Sozialamt soll sich ein Mitarbeiter um mehr als 400.000 Euro
> bereichert haben. Dort sollen auch unbearbeitete Akten weggeworfen worden
> sein.
Bild: Vorbildhafte Ablage in einem Berliner Sozialamt: Im Bremer Sozialamt dage…
Bremen taz | Mit erfundenen Personen soll sich ein Mitarbeiter des
[1][Bremer Sozialamts] zwischen Januar 2022 und Juli 2024 um 418.000 Euro
bereichert haben. Dies bestätigte am Donnerstag die Bremer
Staatsanwaltschaft. Zuvor hatte der Weser-Kurier darüber berichtet. Vor
zwei Wochen waren die Mitglieder der parlamentarischen Sozialdeputation in
nicht öffentlicher Sitzung informiert worden.
Insgesamt gebe es drei Beschuldigte, sagte Frank Passade, Sprecher der
Staatsanwaltschaft. Eine Person aus dem Umfeld des Amtsmitarbeiters habe
ein Konto geführt, auf das die Geldbeträge geflossen seien. Die dritte
Person arbeite ebenfalls in der Abteilung für Unterhaltsvorschusszahlungen
im Amt für soziale Dienste.
Ob diese Person in Mittäterschaft handelte oder etwa selbst getäuscht
wurde, ist Gegenstand der Ermittlungen. Bernd Schneider, Sprecher der
Bremer Sozialbehörde, sagte der taz, in der Behörde gelte das
Vier-Augen-Prinzip. Wer eine neue Akte anlege, müsse dies von sich
abwechselnden Kolleg:innen gegenzeichnen lassen. In der Abteilung seien
45 Personen beschäftigt.
Ans Licht kam der Betrug laut Schneider aufgrund von internen Kontrollen im
Rahmen eines Qualitätsmanagements. Dabei seien Fälle überprüft worden, in
denen das Sozialamt Alleinerziehenden anstelle des anderen Elternteils
Unterhaltsvorschuss zahlte, ohne dass diese Kindergeld bekamen.
## Bereits fristlos gekündigt
Diese Konstellation sei sehr selten, sagte Schneider. Bei einem Mitarbeiter
hätten sich solche Fälle gehäuft. Überprüfungen hätten ergeben, dass dies
daran lag, dass die Personen, die angeblich einen Unterhaltsvorschuss
beantragt hatten, gar nicht existierten und daher auch kein Kindergeld
beziehen konnten.
Nachdem interne Ermittlungen den Verdacht erhärtet hätten, sei umgehend die
Staatsanwaltschaft eingeschaltet worden. Zeitgleich hätten die beiden
beschuldigten Mitarbeiter Hausverbot bekommen, später sei ihnen fristlos
gekündigt worden. Wie viele Alleinerziehende der oder die Beschuldigten
erfunden haben, kann die Staatsanwaltschaft derzeit nicht sagen.
Sehr viel länger hatte sich ein ehemaliger Mitarbeiter des Hamburger
Sozialamts gemeinsam mit einem freien Mitarbeiter bereichert: Diese waren
[2][laut einem Bericht des Hamburger Abendblatts] Anfang 2020 jeweils zu
einer Haftstrafe auf Bewährung und einer Geldstrafe verurteilt worden.
Demnach hielt es das Gericht für erwiesen, dass sie sich zwischen 2003 und
2015 [3][in betrügerischer Absicht 300.000 Euro überwiesen] und dafür
ebenfalls Familien erfunden hatten. Allerdings ging es dabei nicht um
Unterhaltsvorschussleistungen, sondern um andere Hilfen, für die Rechnungen
gestellt wurden.
Ein Teil der Taten sei verjährt gewesen, heißt es in dem Artikel, sodass
der Sozialamtsmitarbeiter – Leiter einer Regionalstelle – wegen Betrugs am
Ende in nur 46 Fällen mit einer Schadenssumme von 170.000 Euro verurteilt
wurde, sein Helfer in 33 Fällen. Die Einzelbeträge müssen demnach deutlich
niedriger gewesen sein als die, um die es mutmaßlich in Bremen geht.
## Unbearbeitete Akten weggeworfen
Dort hatten die ersten internen Ermittlungen quasi als Beifang ergeben,
dass in derselben Abteilung offenbar zwei Mitarbeitende Akten vernichten
wollten, ohne sie zu bearbeiten. Dies sei bei der Überprüfung von
Containern herausgekommen, in denen Papier zum Schreddern aufbewahrt wurde,
so Behördensprecher Schneider. Gefunden wurden ihm zufolge 500
Schriftstücke: Anträge, Widersprüche gegen abgelehnte Leistungen sowie
Korrespondenz. Wie viele Familien davon betroffen sind, sei unklar. „Alle
Berechtigten sollen jetzt möglichst schnell ihr Geld bekommen“, sagte
Schneider. Zu diesem Zweck würde die Abteilung personell unterstützt.
Weitere Überprüfungen von Aktencontainern in allen sechs Bremer
Sozialzentren hätten nur vereinzelt unbearbeitete Schriftstücke zutage
gefördert. Inwiefern es strafbar ist, Schriftstücke unbearbeitet
wegzuwerfen, prüft die Bremer Staatsanwaltschaft derzeit noch.
Bremer Politiker:innen regen sich mehr über die nicht bearbeiteten
Anträge auf als über den mutmaßlichen Betrug. „Wenn Anträge einfach
weggeworfen werden, bedeutet das für die Betroffenen, dass sie monatelang
oder schlimmstenfalls sogar ganz ohne die notwendige finanzielle
Unterstützung auskommen müssen“, hieß es in einer Mitteilung der
CDU-Fraktion, die sich zudem darüber beschwerte, darüber nicht informiert
worden zu sein.
Die „kriminellen Machenschaften“ einzelner Mitarbeiter seien das eine,
teilte die FDP-Fraktion mit. „Noch erschreckender ist, dass die
Ermittlungen auch einen katastrophalen Umgang mit Unterstützungsanträgen
aufdeckten, die einfach im Müll landeten.“ Kritik kam nicht nur von der
Opposition. Auch von den Grünen, die mit SPD und Linken in Bremen regieren,
hieß es: „Da bemühen wir uns seit Jahren, die Situation von
Alleinerziehenden in Bremen zu verbessern, ihnen viele Alltagshürden zu
nehmen … und dann wird sich in genau der für diese Menschen
verantwortlichen Abteilung bereichert oder die Arbeit verweigert.“
In einer Woche will [4][Sozialsenatorin Claudia Schilling (SPD)] der
Sozialdeputation über weitere Erkenntnisse zu dem Fall berichten. Zuvor
habe man die Öffentlichkeit nicht informiert, um die Ermittlungen der
Staatsanwaltschaft nicht zu gefährden, sagte ihr Sprecher.
22 Aug 2024
## LINKS
[1] /Studierende-aus-Usbekistan-in-Bremen/!5944582
[2] https://www.abendblatt.de/hamburg/article228392771/hamburg-jugendamt-betrug…
[3] /Betrug-beim-Jugendamt-in-Hamburg/!5353075
[4] /Minderjaehrige-Gefluechtete-in-Bremen/!5965328
## AUTOREN
Eiken Bruhn
## TAGS
Bremen
Betrug
Sozialhilfe
Fälschung
Arbeitslosengeld
Bremische Bürgerschaft
Sozialbetrug
## ARTIKEL ZUM THEMA
Hartz IV in der Reformwerkstatt: Existenzangst bekämpfen
SPD-Vertreter und Experten diskutieren am Sonntag über Hartz-IV-Reformen
und einen Vorschlag: Wer lange gearbeitet hat, soll mehr bekommen.
SPD-Abgeordneter unter Betrugsverdacht: Ein System der Ausbeutung
Der Abschlussbericht des parlamentarischen Untersuchungsausschusses
belastet den Bremer Bürgerschaftabgeordneten Patrick Öztürk schwer.
Sozialbetrug in Bremerhaven: Ausbeutung von oben gedeckt
Ex-Sozialdezernent Klaus Rosche (SPD) verhinderte die Aufklärung von
Ausbeutung Osteuropäischer Einwanderer. Informationen hielt er unter dem
Deckel.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.