| # taz.de -- Energiewende bizarr in Bayern: Selbstversorgung verboten | |
| > Ein bayerischer Unternehmer darf an sonnigen Tagen keinen Strom für den | |
| > Eigenbedarf erzeugen. Sonst droht Schadensersatz. | |
| Bild: Eigentlich hat der Feinkostbetrieb in Bayern mit seiner Photovoltaikanlag… | |
| Freiburg taz | Es ist gängige Praxis: Netzbetreiber stoppen bei | |
| Netzüberlastung die Einspeisung von Solarstrom. In Bayern sorgt nun jedoch | |
| ein Fall für Aufsehen, in dem ein Stadtwerk einem Unternehmen bei | |
| Sonnenschein die Photovoltaikanlage komplett abschaltet. So verhindert es | |
| sogar die Stromerzeugung für den Eigenbedarf. Ausgerechnet an sonnigen | |
| Sommertagen muss der Betrieb nun deutlich teureren Netzstrom zukaufen. | |
| Zuerst hatte der bayerische Rundfunk über den Fall berichtet. | |
| Eigentlich macht die Metzgerei Feinkost Keller in Langenbach im Landkreis | |
| Freising alles richtig: Um die Stromrechnung des Betriebs spürbar zu | |
| senken, investierte Augustin Keller vor zwei Jahren in eine große | |
| Photovoltaikanlage auf den Firmendächern. Mit einer installierten Leistung | |
| von 216 Kilowatt bringt sie gut 200.000 Kilowattstunden im Jahr. Die Anlage | |
| wurde so konzipiert, dass sie das Netz kaum beansprucht, denn rund 80 | |
| Prozent des Stroms sollte direkt im Unternehmen verbraucht werden. „Ich | |
| habe sogar einige Abläufe im Betrieb neu organisiert, um energieintensive | |
| Arbeitsschritte bevorzugt in die Mittagsstunden zu legen, wenn ich eigenen | |
| Solarstrom habe“, sagt der Firmenchef. Rechnen sollte sich die Anlage durch | |
| den deutlich reduzierten Bezug von Netzstrom. [1][Die Einspeisevergütung | |
| für den Überschussstrom] sei für die Kalkulation kaum relevant, sagt | |
| Keller, sie sei nur „das Zuckerl obendrauf“. Energiewende, wie sie sein | |
| soll. | |
| Doch Keller hatte die Rechnung ohne die Überlandwerke Erding gemacht, die | |
| in Langenbach das Netz betreiben. Denn immer, wenn das Netz durch die | |
| vielen Solaranlagen Oberbayerns überlastet ist, stellt das Überlandwerk die | |
| PV-Anlage des Feinkostbetriebs von Ferne komplett ab. „Zehn Minuten vorher | |
| bekomme ich eine Mail“, sagt der Unternehmer. Ginge es nur darum, die | |
| Einspeisung zu stoppen, weil das Netz überlastet ist, hätte Keller nichts | |
| dagegen. Wenn Strom nicht mehr abfließen kann, weil das Netz das | |
| physikalisch nicht zulässt, bleibt keine andere Wahl. Zudem wäre das für | |
| ihn auch kein Verlust, da Anlagenbetreiber für abgeregelte Mengen vom | |
| Netzbetreiber entschädigt werden. | |
| In Langenbach jedoch legt das Überlandwerk gleich die ganze Solaranlage | |
| still, oft für sechs oder sieben Stunden am Tag. So kann der | |
| Metzgereibetrieb [2][gerade in den ertragreichsten Mittagsstunden] seinen | |
| Eigenbedarf nicht mehr durch günstigen Solarstrom decken, sondern muss | |
| teureren Netzstrom zukaufen. An einem sonnigen Tag kann das Zusatzkosten | |
| von 500 Euro bedeuten. Bei mitunter zehn solcher Sperrtage in einem Monat | |
| kommen Beträge zusammen, die für einen kleinen mittelständischen Betrieb | |
| bedrohlich sind. Technisch sei das Problem ganz einfach lösbar, sagt der | |
| Anlagenbetreiber. Man müsse lediglich in der Software der Steuerung ein | |
| Häkchen anders setzen und schon werde nicht mehr die gesamte Anlage | |
| abgeschaltet, sondern nur die Einspeisung unterbunden – was rein | |
| physikalisch gesehen auch das Einzige ist, was das Überlandwerk überhaupt | |
| zu interessieren hat. | |
| ## Das Überlandwerk Erding stellt sich stur | |
| Entsprechend bestätigt auch der Verband kommunaler Unternehmen: „Selbst | |
| erzeugter und nicht für die Netzeinspeisung, sondern für den | |
| Selbstverbrauch bestimmter Strom muss nicht ‚gestoppt‘ werden, da er keinen | |
| Einfluss auf den Engpass im Versorgungsnetz hat.“ | |
| Doch das zuständige Überlandwerk Erding stelle sich stur, klagt Keller. | |
| Auch gegenüber der Presse bleibt der Netzbetreiber wortkarg. Die Frage, auf | |
| welcher Rechtsgrundlage man die Anlage vollständig abschalte, anstatt | |
| einfach nur die Einspeisung zu stoppen, wehrt das Unternehmen ab: Man habe | |
| für eine Antwort darauf „derzeit keine personellen Ressourcen“. Offen | |
| bleibt damit auch die zweite Frage: Wie stehen die Stadtwerke zum Thema | |
| Schadensersatz? Einen solchen nämlich hält der Bundesverband | |
| Solarwirtschaft (BSW-Solar) in derartigen Fällen für angemessen. Regle der | |
| Netzbetreiber eine Photovoltaikanlage so weit ab, dass der Eigentümer | |
| zusätzliche Leistung aus dem Stromnetz beziehen muss, dann entstehe „für | |
| diese Bezugsleistung ein Anspruch auf finanziellen Ausgleich“, so der | |
| BSW-Solar. Passagen im Energiewirtschaftsgesetz legen diese Interpretation | |
| nahe. | |
| Der Verband beruft sich zudem darauf, dass „im europäischen Energierecht | |
| die Eigenversorgung aus erneuerbaren Energien besonderen Vorrang“ genieße. | |
| Der Eigenverbrauch sei „geschützt durch die | |
| EU-Elektrizitätsbinnenmarktverordnung“. Daraus ergebe sich „die | |
| Verpflichtung für die Mitgliedsstaaten, in ihren Umsetzungsrichtlinien und | |
| Verfahrensweisen den Eigenverbrauch zu berücksichtigen und zu schützen“, | |
| erklärt BSW-Geschäftsführer Carsten Körnig. Metzgerei-Chef Keller will | |
| unterdessen weiterkämpfen. Auch an Politiker sei er schon herangetreten, | |
| sagt er. Bislang ohne Erfolg, doch die Hoffnung bleibt, dass er irgendwann | |
| den eigenen Strom ungestört nutzen kann. | |
| 5 Aug 2024 | |
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| ## AUTOREN | |
| Bernward Janzing | |
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