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# taz.de -- Olympische Genderdebatte: „Basta, das war’s“
> Italiens Angela Carini gibt im Boxkampf gegen die Algerierin Imane Khelif
> frühzeitig auf. Viele wollen sie bei den Frauen nicht dabei haben.
Bild: Imane Khelif (l.) wird nach Aufgabe von Angela Carini zur Siegerin erklä…
Nur 46 Sekunden dauerte dieser Boxkampf, dann gab die Italienerin Angela
Carini auf. Einen klaren Kopftreffer hatte sie zwar zuvor von der
Algerierin Imane Khelif erhalten, aber aus dem Gleichgewicht hatte sie
dieser nicht gebracht. Und als Khelif zur Siegerin erklärt wurde,
verweigerte sie ihrer Gegnerin auch die übliche Berührung mit den Fäusten.
Nur mit einem kurzen Weinkrampf hatte Carini danach noch zu kämpfen. Etwas
rätselhaft erschien das, was sich da in der Arena Paris Nord um die
Mittagszeit zutrug. Danach erklärte die Italienerin: „Sie hat mir auf die
Nase geschlagen und ich habe mir nur gedacht: Basta, das war’s.“ So etwas
kann vorkommen im Boxen, aber warum der Geduldsfaden von Carini so kurz
war, hat eine Vorgeschichte.
Khelif mag diesen Kampf im Weltergewicht bis 66 Kilogramm ohne großen
Aufwand gewonnen haben, ob sie diesen Sieg genießen kann, ist zweifelhaft.
Jeder ihrer Erfolge wird Wasser auf die Mühlen ihrer Gegnerinnen sein, die
sie bei diesen Olympischen Spielen in Paris nicht dabei haben möchten. Und
von diesen Menschen gibt es seit einigen Tagen weltweit sehr viele.
Während der Box-WM 2023 in Neu-Dehli wurden Khelif und Lin Yu-ting aus
Taiwan, die ebenfalls in Paris im Boxring steht, von den Wettkämpfen
ausgeschlossen. Lin hatte zu dem Zeitpunkt bereits Bronze gewonnen. Die
Medaille wurde ihr aberkannt. Khelif durfte zum Kampf um Gold nicht
antreten. Sie hätten den Geschlechtstest nicht bestanden, erklärte die
International Boxing Association (IBA), der veranstaltende Verband. Beiden
sei mit einem DNA-Test das männliche Chromosomenpaar XY nachgewiesen
worden.
## Andere Regeln bei Olympia
Weshalb der Test just zu diesem Zeitpunkt vorgenommen wurde, nachdem Imane
Khelif, 25, und Lin Yu-ting, 28, über viele Jahre unbehelligt an Boxkämpfen
teilnehmen konnten, ist erst einmal nicht zu klären. Für die Olympischen
Spiele gelten jedoch die liberaleren Regeln des Internationalen Olympischen
Komitees (IOC) und nicht die der IBA.
Der Verband ist seit etlichen Jahren wegen Korruptionsskandalen und einem
intransparenten Schiedsrichterwesen angezählt. Bereits bei den Spielen in
Tokio 2021 organisierte das IOC wie nun auch in Paris stellvertretend das
olympische Turnier. Im Juni 2023 wurde die vom [1][Russen Umar Kremlew
geführte IBA] sogar vom IOC ausgeschlossen.
Die strikte Gender-Politik der IBA folgt einer binären Logik, in denen
natürliche Erscheinungen [2][wie Intersexualität] keinen Platz haben. Bei
einigen wenigen bilden sich nämlich trotz XY-Chromosomen nicht wie üblich
männliche Geschlechtsorgane aus. So wurde auch Khelif von klein auf deshalb
in der algerischen Gesellschaft als weiblich gelesen und sozialisiert.
Entsprechend groß ist nun die Empörung in den einheimischen Medien. Die
Tageszeitung Echorouk schrieb von einer „ausländischen Kampagne“. Das
algerische Nationale Olympische Komitee erklärte: „Solche Angriffe auf ihre
Persönlichkeit und ihre Würde sind zutiefst unfair.“
Doch es geht bei der Frage, wer an olympischen Frauenwettbewerben mitmachen
darf, um weit mehr als um eine sportliche Angelegenheit. Vor dem Kampf von
Khelif gegen Angela Carini forderte Italiens rechtspopulistischer
stellvertretender Ministerpräsident Matteo Salvini den Ausschluss der
Algerierin und sagte: „Schluss mit dem Wahnsinn der woken Ideologie!“
In den sozialen Netzwerken geht seit Tagen ein Video von einem Kampf
Khelifs aus dem Jahr 2022 viral, bei dem diese eine mexikanische Gegnerin
mit ihrer Schlagkraft mächtig traktiert. Es wird nun eifrig über
verkleidete Männer, die Frauen verprügeln, debattiert und von
Trans-Athleten in Paris gesprochen. Für die eigene politische Agenda wird
so einiges durcheinander geworfen.
Dass die anscheinend intersexuelle Boxerin Imane Khelif von [3][höheren
Testosteronwerten im Blut] profitiert, ist naheliegend. Mit dem Boxen
begann sie, wie sie selbst erzählte, inspiriert von den Wettkämpfen bei den
Olympischen Spielen 2016 in Rio de Janeiro, erst im Alter von 17 Jahren.
Andererseits schlägt sie ihre Gegnerinnen nicht serienweise zu Brei, wie
viele Aktivisten derzeit glauben machen wollen. Ihr bislang größter Erfolg
ist eine Silbermedaille bei der Weltmeisterschaft 2022.
Es spricht nun einiges dafür, dass die Italienerin Angela Carini in der
aufgeheizten Debatte ein Zeichen setzen wollte. Sie weiß viele Menschen
hinter sich. Die komplizierte Debatte wird in den nächsten Tagen an Fahrt
aufnehmen.
1 Aug 2024
## LINKS
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[3] /Transgenderathletinnen-im-Spitzensport/!5860649
## AUTOREN
Johannes Kopp
## TAGS
Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
Boxen
Gender
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