# taz.de -- Olympische Überhöhung: Witzige Show | |
> Bei Olympia geht es neben Sport auch um lächerliche Rituale und natürlich | |
> um den Weltfrieden. Wie ernst das Schauspiel genommen wird, erstaunt. | |
Bild: Olympischer Hokuspokus: der griechische Sportfunktionär Spyros Kapralos … | |
Dann turnt, lauft, schießt, reitet, schwimmt, tanzt, klettert und radelt | |
mal schön. Nach der Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele steht der Sport | |
im Mittelpunkt des irrwitzigen Spektakels von Paris. Die großen Reden sind | |
geschwungen, die Rituale zelebriert. Das olympische Feuer lodert in der | |
Schale. Endlich geht es los. Schluss mit dem Zauber, der offensichtlich so | |
lächerlich ist und doch so ernst genommen wird wie kaum ein anderes Event | |
auf diesem Planeten. | |
Der ganze Vorlauf der Spiele mit den Reminiszenzen an das antike Olympia | |
steht sinnbildlich dafür, wie man etwas ernst nehmen kann, was | |
offensichtlich nicht ernst zu nehmen ist. Da wird an [1][antiker Stätte in | |
Olympia eine Flamme entzündet], die dann ein paar Tage später an antiker | |
Stätte in Athen an die Gastgeber der Spiele übergeben wird. Man hat sich | |
an diesen Unsinn gewöhnt. Der olympische Flammenzirkus findet dann auch | |
noch in bemerkenswert dämlichen Verkleidungen statt. | |
Junge und nach den Maßstäben westlicher Ästhetik natürlich bestens | |
aussehende Frauen verkleiden sich so, wie sich die Freunde der Antike zum | |
Ende des 19. Jahrhunderts junge Frauen im alten Griechenland vorgestellt | |
haben, und bilden die lebende Kulisse für diesen olympischen Fasching. | |
Bei der Übergabe des Feuers an den Chef der Pariser Spiele Tony Estanguet | |
waren etliche Statistinnen gar als antike Säulen verkleidet. | |
Aber niemand lacht, wenn dieses Ritual alle zwei Jahre vor den Spielen zur | |
Aufführung kommt. Allen Ernstes hat sich Estanguet, der drei Mal | |
olympisches Gold im Kanuslalom gewonnen hat und durchaus als Mann von | |
Verstand gilt, dann auch noch bei der „Hohepriesterin“ für das Entzünden | |
des Feuers mittels eines Parabolspiegels in Olympia bedankt. | |
## Fackel der Nazispiele | |
Es ist wirklich ein lachhaftes Schauspiel, das da aufgeführt wird. Die | |
Rolle der Hohepriesterin hatte ja auch eine Schauspielerin übernommen. Aber | |
es wird mit ernster Miene durchgezogen bis zum Entflammen des Feuers in der | |
Gastgeberstadt. Dass es [2][die Nazispiele 1936] waren, bei denen zum | |
ersten Mal der Fackellauf, mit dem das Feuer zur Olympiastadt getragen | |
wird, veranstaltet haben, stört dabei niemanden. Es geht schließlich um | |
etwas. | |
Um Sport? Ja, irgendwie auch. Aber eigentlich geht es um mehr. Um den | |
Weltfrieden. Für den stehen die Spiele. Und obwohl überall auf der Welt | |
junge Menschen mit Waffen aufeinander losgelassen werden, muss niemand | |
losprusten, wenn sich ein dröger Sportfunktionär wie [3][Thomas Bach], der | |
sich dank erfolgreicher Schmusereien mit Reichen, Mächtigen und Diktatoren | |
in das Amt des Präsidenten des Internationalen Olympischen Komitees | |
hochdienen konnte, am olympischen Dorf eine Friedensmauer einweiht und sich | |
einen Schal umhängt, auf dem zu lesen ist: „Give Peace a Chance!“ | |
„Olympic Truce“ wird dieser olympische Friedenswunsch genannt, nach dem die | |
Waffen für die Zeit der Spiele ruhen sollen. Auch der Papst setzt sich | |
dafür ein. Das kann dann wohl nicht lächerlich sein. Über den zu lachen | |
wäre ja Blasphemie. | |
Und auch Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron hat natürlich nichts | |
gegen Weltfrieden und verbreitet die olympischen Botschaften mit derart | |
ernster Miene, als würde er wirklich daran glauben. Von der Kraft des | |
Sports ist die Rede, die sein gespaltenes Land einen möge, und wenn dann | |
auch noch der Weltfrieden dabei rausspringen sollte, wer könnte da schon | |
etwas dagegen haben. | |
Auf der Friedensmauer im Olympischen Dorf von Saint-Denis haben der | |
israelische Fußballer Niv Yehoshua und die US-amerikanisch-palästinensische | |
Schwimmerin Valerie Tarazi kleine Botschaften mit ihrem Namen hinterlassen. | |
Das vermeldet das IOC stolz und sieht sich in der Rolle als erfolgreicher | |
Friedensstifter. | |
Derweil machen Bilder die Runde, auf denen zu sehen ist, mit welch | |
irrwitzigem Polizeiaufgebot der Bus mit dem israelischen Olympiateam durch | |
die Stadt eskortiert werden musste, um die Athleten vor antisemitischen | |
Übergriffen zu schützen. | |
## Thomas Bach und ein echter Russe | |
Auch der russische Schwimmer Jewgeni Somow ist zu der Friedensmauer | |
gekommen, und Thomas Bach hat sich gefreut, dass er mit einem der wenigen | |
Russen, die in Paris an den Start gehen werden, für ein Foto mit | |
Friedensbotschaft posieren durfte. Ein echter Russe, der dem Frieden eine | |
Chance geben möchte, Wahnsinn! | |
Somow ist der einzige Russe, der an den Schwimmwettbewerben teilnehmen | |
wird. [4][Als sogenannter neutraler Athlet] darf er das. Weil der von den | |
Russen begonnenen und von Belarus unterstützte Krieg gegen die Ukraine | |
weiter tobt, dürfen keine nationalen Symbole der beiden Kriegstreiberländer | |
bei Olympia zu sehen sein. Und nur Russen, die nachweisen können, dass sie | |
den Krieg nicht unterstützen und keiner militärischen Organisation | |
angehören, wurden eingeladen. | |
Ob das bei Somow der Fall ist, bleibt auch nach der Überprüfung durch die | |
Sportverbände umstritten. Ukrainische Sportaktivisten weisen jedenfalls | |
darauf hin, dass er zum Armeesportklub ZSKA Moskau gehört und damit | |
eigentlich die Kriterien für die Teilnahme nicht erfüllt. Selbst innerhalb | |
der olympischen Familie, wie es so schön heißt, ist es nicht ganz so | |
einfach mit dem Frieden. | |
## Große olympische Momente | |
Doch die große Friedensshow wird weitergehen – mal mit mal ohne Kostümshow. | |
Gerade sind die nächsten Spiele vergeben worden. Die Winterspiele 2030 | |
werden in den französischen Alpen stattfinden, wenn alle Verträge, die es | |
dazu braucht, im Sinne des IOC unterschrieben sind. Im Sinne der Nation | |
wird das schon passieren. Ob Diktatur oder Demokratie – für Propaganda oder | |
Nationalmarketing bildet Olympia immer noch eine prächtige Kulisse. | |
Den Sportlerinnen und Sportlern bleibt dann oft nichts anderes übrig, als | |
die Bilder zu liefern, mit denen Staaten für sich werben können. Sie sollen | |
gefälligst große Momente herstellen. Das ist gar nicht mal so einfach. | |
Die letzten wirklich großen olympischen Momente waren vielleicht Usain | |
Bolts Olympiaauftritte 2016 in Rio de Janeiro. Von den Pandemiespielen in | |
Tokio 2021 oder Peking 2022 sind vor allem Tierquälerei im Modernen | |
Fünfkampf und der Dopingfall einer 15-jährigen Eiskunstläuferin in | |
Erinnerung geblieben. Und doch behauptet das IOC immer wieder aufs Neue | |
nach jeden Spielen, dass es diesmal noch einmal besser war als je zuvor. | |
Auch so ein peinliches Ritual, über das viel zu wenig gelacht wird. | |
26 Jul 2024 | |
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## AUTOREN | |
Andreas Rüttenauer | |
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