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# taz.de -- Neues Album von Vince Staples: Besuch vom kleinen Cousin
> Vince Staples hat ein neues Album veröffentlicht. Auf „Dark Times“
> erzählt er von Absurditäten des Alltags und stellt seine eigene
> Verletzbarkeit aus.
Bild: Der Rapper Vince Staples erzählt Geschichten mit überraschenden Pointen
Eigentlich müssten die dunklen Zeiten hinter Vince Staples liegen. Seit
2015 hat der Rapper aus Los Angeles eine Reihe gefeierter Alben
veröffentlicht. Zudem führt er seit diesem Frühjahr eine eigene TV-Show bei
Netflix, die gerade um eine zweite Staffel verlängert wurde. Es läuft also
bei dem 30-Jährigen, der in ärmlichen Verhältnissen in Long Beach,
Kalifornien aufgewachsen ist. Und trotzdem hat er sein neues, sechstes
Album „Dark Times“ genannt.
„See, it’s hard to sleep when you’ the only one livin’ the Dream / Hard…
leave N**** s hangin’ when you the Money Tree“, rappt er darauf. Kurz zuvor
hat er erzählt, wie er mit einem alten Freund telefoniert hat, der gerade
im Gefängnis eine Haftstrafe absitzt. Staples dagegen lebt den Traum, den
viele seiner alten Freunde – Gangmitglieder wie er selbst eines war – auch
geträumt haben: den Aufstieg aus dem Ghetto mithife von Pop.
Die Vermögensverwalter aus der HipHop-Oberschicht – Dr. Dre, Jay-Z und Sean
„Diddy“ Combs – haben diese kollektiven Träume in den späten 1990ern und
frühen nuller Jahren zu ihrer Lebensgeschichte gemacht und millionenfach an
andere Träumende verkauft. Für Künstler:innen wie Vince Staples, die
eine Generation jünger sind, ist davon nicht viel übrig geblieben. „Learned
Reaganomics and ran it up“, rappt er in einem Stück auf „Dark Times“ und
kommt zu dem Schluss, dass der Umgang mit Geld ihm und seiner Community
nichts gebracht hat: „We don’t got nothing to show for“.
Was also tun, wenn man keinen Reichtum hat, mit dem man protzen kann, aber
Geschichten über die eigene Armut auch nicht mehr glaubwürdig wären? Man
schaut nach innen. Auf „Dark Times“ stellt Vince Staples seine eigene
Verletzbarkeit aus. Im Track „Radio“ erinnert er sich an HipHop-Sender
seiner Kindheit, als jeder Song wie ein Versprechen gewirkt hat, und
wünscht sich, er könne mit einem Songwunsch seine Geliebte wieder
zurückgewinnen. In „Étouffée“ erzählt er schließlich seine Origin Stor…
Staples’ Großmutter floh vor den Jim-Crow-Gesetzen aus New Orleans nach
Kalifornien, die Cash-Money-Crew aus der Stadt in Louisiana wird dennoch
zum Soundtrack von Staples’ Kindheit.
Kein musikalisches Tagebuch
Und um die Ambivalenz dieser Erinnerung perfekt zu machen, zitiert sein
Produzententeam erst die Cash-Money-Soundsignatur aus einem analogen
Drumcomputer, um sie in verhallte Polizeisirenen übergehen zu lassen. Eine
glückliche Kindheit klingt anders. Trotz dieser autobiografischen Momente
ist „Dark Times“ aber kein musikalisches Tagebuch. Schließlich weiß auch
Vince Staples, dass [1][Rapper in erster Linie Geschichtenerzähler sind und
dass diese Stories wiedererkennbar getextet und unterhaltsam instrumentiert
sein müssen]. Seine Metaphern und Referenzen sind leicht zu entschlüsseln.
Aber seine Pointen überraschen. In „Justin“ erzählt er, wie er sein Date …
ihr Appartement begleitet. Plötzlich steht ihr Partner in der Tür, Staples
greift zu seiner Waffe – aber es kommt nicht zum erwarteten Stand-off.
Stattdessen stellt sein Date ihn als ihren „little cousin Justin“ vor.
Seine Reaktion ist weniger souverän: „Women lie a lot“ rappt er im Outro
des Songs. Denn auch wenn Vince Staples immer wieder Gefühle zeigt, wäre er
ein denkbar schlechtes Role-Model für die Wiederkehr des sensiblen Neuen
Manns mit Sneakers und Baggy Pants.
Er bezeichnet Frauen als Hoes, die nur Sex von ihm wollen. Und erntet dafür
Widerspruch: „It’s fucked up“ kommentiert Rapperin Santigold seine Haltung
zu Frauen auf dem Finale des Albums. Momente wie diese machen die Figur
Vince Staples auf „Dark Times“ aus: [2][ein Typ mit Fehlern, der von den
Absurditäten des Alltags erzählt, mit Humor, Selbstironie und Sarkasmus.]
So ist er zum Liebling von HipHop-Nerds auf der ganzen Welt geworden. Nur
mit dem Reichtum wird es so wohl nichts werden.
5 Aug 2024
## LINKS
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## AUTOREN
Christian Werthschulte
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Musik
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