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# taz.de -- Najem Walis Roman „Stadt der Klingen“: Wahrheit ohne Chance auf…
> In seinem Roman erzählt Najem Wali von Flucht, Liebe und alteingesessenen
> Solinger Familien. „Stadt der Klingen“ bleibt im Gedächtnis.
Bild: Solinger Messerkunst: Die Stadt steht im Zentrum von Najem Walis „Stadt…
Ende der 1980er Jahre desertiert Nuri Mohsen aus der irakischen Armee und
flieht nach Deutschland. In dem sinnlosen Krieg Saddam Husseins gegen den
Iran will er nicht als Kanonenfutter dienen. Zunächst lebt er in Hamburg
und lernt dort seine Freundin Kathi kennen. Kathi, die aus Solingen kommt,
der Stadt, die für ihre Klingenherstellung berühmt ist. „Stadt der Klingen�…
heißt [1][Najem Walis] neuer Roman und Nuri Mohsen ist sein Erzähler.
Es ist eine rätselhafte Geschichte, die Nuri erzählt. Kathi wollte schon
immer, dass er mit ihr nach Solingen zieht. Aber ihm gefiel Hamburg und er
wollte nicht weg. Dann aber verliert er seinen Job als Dolmetscher für das
Bundesamt für Migration und Flüchtlinge.
Er hatte die Aussage einer Frau aus dem Irak nicht korrekt wiedergegeben.
Sie hatte die Wahrheit über ihre Flucht erzählt. Aber wer die Wahrheit
sagt, „hat kaum Chance auf Erfolg. Egal, wie tragisch seine Geschichte ist,
man glaubt ihm nicht. Denn wahre Geschichten klingen im Gegensatz zu
perfekten Lügen ungereimt oder unglaubwürdig.“
Ohne Arbeit, finanziell von Kathi abhängig, gibt er nach und zieht mit ihr
in eine billige Wohnung in ihre Heimatstadt. Dann verlässt Kathi Nuri
plötzlich, ohne sich zu erklären. Nuri übernimmt die gemeinsame Wohnung,
die in der Nähe eines Flohmarktes liegt. Um sein Einkommen aufzubessern,
lässt er gegen ein kleines Entgelt ein paar Händler Ware von fragwürdiger
Herkunft bei sich unterstellen.
## „Keine Drogen, keine Waffen“
Eines Tages bringt ihm Armin, einer dieser Händler, einen braunen
Lederkoffer. Als Nuri skeptisch guckt, sagt er: „Keine Sorge, keine Drogen,
keine Waffen“. Außerdem bittet Armin ihn, sich bei gerade angekommenen
Flüchtlingen umzuhören. Es sei jemand darunter, der einen wertvollen, im
18. Jahrhundert in Solingen hergestellten Dolch bei sich haben soll.
„Es könnte sich dabei“, sagt er, „um einen Dolch handeln, der meiner
Familie gehört.“ Wenig später wird Nuri auf offener Straße
zusammengeschlagen. Eine zufällig vorbeikommende Frau hilft ihm nach Hause,
wo er sich ins Bett legt und einschläft. Als er wieder aufwacht, ist der
Koffer weg.
„Stadt der Klingen“ ist kein episch breit erzählter Roman wie „Engel des
Südens“, der Wali in Deutschland bekannt gemacht hat. Aber [2][Najem Wali,
der wie sein Alter Ego vor dem ersten Golfkrieg nach Deutschland geflüchtet
ist], behält in seinem ersten auf Deutsch verfassten Buch viele Elemente
der Schreibweise des Vorgängerromans bei.
Das Zitieren von Sprichwörtern vermittelt neben sprachlichen Wendungen, die
an einen mündlichen Erzähler denken lassen, den Eindruck von
Unmittelbarkeit. Das Setting, die Klingenstadt Solingen und ein Flüchtling
aus dem Irak, der zwischen die Widersprüche deutscher Asylpolitik gerät,
macht den Roman zum Gegenwartsbuch. Der – wenn man so will – „exotische“
Ton ergibt sich dabei nicht nur aus der Erzählweise und der Herkunft des
Erzählers, sondern ebenso durch die archaische Mentalität alteingesessener
Solinger Familien.
## Solingen und der Irak
Die Situation wird immer unübersichtlicher. Wie ein Detektiv arbeitet sich
Nuri langsam an die Wahrheit heran, die mit den Messerschmieden in
Solingen, dem Zweiten Weltkrieg und dem Irak zu tun hat. Vielleicht hat der
braune Koffer ja doch den Dolch enthalten. Aber warum sollte Armin ihn dann
auf die Suche nach ihm schicken?
Dann findet Nuri heraus, dass der Dolch seit den 1960er Jahren verschwunden
ist. Verdächtigt wurde damals ein irakischer Geschäftspartner der
Messerfirma Horn, den die Tochter des Firmenpatriarchen heiraten wollte.
Der aber wollte einen Schwiegersohn aus einer anderen Solinger
Messerschmiede. Der Mann verschwand überraschend wieder in den Irak und
soll mit dem Dolch aus der Sammlung des Firmeninhabers den vorgesehen
Schwiegersohn seiner Tochter nicht nur schwer verletzt, sondern den Dolch
auch aus der Sammlung gestohlen haben.
„Stadt der Klingen“ ist ein Krimi aus der deutschen Provinz, ohne
provinziell zu sein. Wali nutzt das Genre, um eine Geschichte über Flucht,
Liebe und einen unscheinbaren Ort zu erzählen. Das ist spannend.
11 Jul 2024
## LINKS
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## AUTOREN
Fokke Joel
## TAGS
wochentaz
Literatur
Najem Wali
Irak
Solingen
Antisemitismus
Kairo
Ägypten
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