# taz.de -- Deutschland gegen Spanien: So nah dran | |
> Das DFB-Team scheidet nach einer dramatischen Partie im Viertelfinale | |
> gegen Spanien aus. Doch Trainer und Spieler ziehen ein fast schon | |
> euphorisches Fazit. | |
Bild: Mütterlicher Trost: Birgit Kroos umarmt nach dem Ende des Spiels gegen S… | |
So viel Drama hatte diese Partie bereitgehalten, dass man noch im letzten | |
Moment, als alles schon entschieden schien, eine weitere Zuspitzung nicht | |
mehr ausschließen wollte. Gerade als [1][Toni Kroos,] der während der | |
gesamten Verlängerung nicht mehr Herr seiner Kräfte war und geradezu | |
Mitleid erregend versuchte, seine von Krämpfen geplagten Beine für einen | |
allerletzten Freistoß im Spiel noch einmal zu lockern, blieb das scheinbar | |
Unmögliche denkbar. Es wäre doch eine besondere Pointe gewesen, wenn Kroos | |
das angekündigte Ende seiner so prächtigen Karriere weiter hätte | |
hinauszögern können. „Vielleicht wäre ein Elfmeterschießen das verdiente | |
Ende gewesen“, sinnierte nach dem Schlusspfiff [2][Kapitän İlkay Gündoğan] | |
über diese so besondere Viertelfinalpartie in Stuttgart. | |
Der Kopfballtreffer des eingewechselten Spaniers Mikel Merino in der späten | |
119. Minute besiegelte jedoch letztlich das EM-Aus des Gastgebers. „Es war | |
das Spiel, das wir alle erwartet haben, zwischen zwei der besten | |
Mannschaften des Turniers“, resümierte Merino. Eine Einschätzung, die nur | |
zum Teil stimmte. [3][Denn erwartet hatten viele ein Duell mit feiner | |
Klinge] angesichts so vieler [4][Einzelkönner auf beiden Seiten]. Gerade in | |
der ersten Halbzeit walteten unterdessen erst einmal die gröberen Kräfte. | |
In den ersten zehn Minuten sei ja kaum Fußball gespielt worden, schilderte | |
Thomas Müller die Auftaktphase treffend. Er führte dies auf den immensen | |
Druck zurück, der auf beiden Teams lastete. Insbesondere Toni Kroos tat | |
sich als übereifriger Grobmotoriker hervor und rückte Pedri so stark zu | |
Leibe, dass er wenig später ausgewechselt werden musste. | |
[5][Julian Nagelsmann] begrüßte hinterher das Bestreben seiner Elf, Zeichen | |
zu setzen, monierte aber zu viele Fouls, Ballverluste und Nervosität. Das | |
hohe Energielevel dieser Partie, das nur in wenigen Phasen abflachen | |
sollte, war jedenfalls von Anfang an gesetzt. | |
Diese kollektive Einsatzbereitschaft, dieser Wille und die Zuversicht bis | |
zum Schluss, bekam auch eine spielerisch ansehnliche Note, als Nagelsmann | |
zur Pause seine etwas zu experimentell geratene Startaufstellung | |
korrigierte. Die etwas überraschende Idee der Neubesetzung des defensiven | |
Mittelfelds mit Emre Can ging nicht auf, und auch Leroy Sané fehlte die | |
Bindung zum Spiel. Gerade die Einwechslung von Florian Wirtz machte sich | |
nicht nur wegen dessen späteren Ausgleichstors bezahlt. | |
Angriffsfläche für Kritik, das ist kaum zu vermeiden, haben bei diesem | |
Turnier sowohl die Spieler als auch das Trainerteam geboten. Doch die | |
Fähigkeit zur Selbstkorrektur zählte eindeutig zu den Stärken des deutschen | |
EM-Auftritts. | |
## Vom hoffnungslosen Haufen zum titeltauglichen Ensemble | |
Denkt man an die depressive Stimmung zurück, die sich landesweit nach den | |
schlechten deutschen Auftritten gegen die Türkei und Österreichn | |
verbreitete, sticht aber vor allem das hervor, was Nagelsmann den „super | |
Spirit“ nennt. Binnen rekordverdächtiger Zeit hat er aus einem Haufen | |
Hoffnungslosigkeit ein titeltaugliches Ensemble geformt. Nagelsmann | |
berichtete am Freitagabend, er habe mit der Turniervorbereitung am 26. Mai | |
nicht einmal irgendwelche Spieler zurechtweisen müssen, weil sie mit ihrer | |
Rolle nicht zurechtgekommen wären. In Stuttgart gegen Spanien war zu | |
beobachten, dass die Ersatzspieler derart am Seitenrand bei der Sache | |
waren, als wären sie mittendrin. Entsprechend groß war dort auch die | |
Empörung, als Schiedsrichter Anthony Taylor nicht auf Strafstoß entschied, | |
als in der Verlängerung ein Schuss von Jamal Musiala von Cucurellas Hand | |
aufgehalten wurde. | |
Nagelsmann war ebenfalls mächtig erbost darüber. Auf der Pressekonferenz | |
sagte er: „Ich will gar nicht rumjammern. Ich möchte nur die Bühne nutzen, | |
um die Regel in eine Fußballrichtung anzupassen.“ Er formulierte sein | |
Unverständnis darüber, dass bei den schwierigen Interpretationsfragen kein | |
Unterschied gemacht wird, ob mit einem Handspiel ein Schuss aufs Tor, wie | |
im konkreten Fall, oder ein Schuss auf die Tribüne unterbunden wird. | |
An Fußballregeln rütteln, das klang nach einem sehr ambitionierten Vorhaben | |
von Nagelsmann. Aber auch sein Fazit des deutschen EM-Auftritts fällt nicht | |
gerade klein aus. Man habe es gemeinschaftlich geschafft, einem Land, das | |
„viel zu viel in Tristesse verfällt“, schöne Momente zu bescheren und es | |
„ein bisschen aufzuwecken“. Und auch Thomas Müller blies in ein ähnliches | |
Horn: „Wir können schon mal von so einem Turnier was mitnehmen in unseren | |
Alltag. Einfach, damit wir wieder ein bisschen mehr Schubkraft entwickeln | |
bei all den destruktiven Nachrichten.“ | |
Das hört sich fast ein wenig nach der Überfrachtung des Fußballs an, vor | |
dem aus Kreisen des Nationalteams vor der Europameisterschaft zu Recht | |
gewarnt wurde. Was das Team um Julian Nagelsmann sportlich bewegt hat, | |
steht außer Frage. Toni Kroos, der so viele Titel wie kaum ein anderer | |
deutscher Fußballer gewonnen hat, sagte zum verpassten Halbfinaleinzug, der | |
ihm das Ende seiner Karriere beschert hatte in der Mixed Zone einen letzten | |
Satz, bevor er zum Bus ging: „Ich hätte nicht gedacht, dass wir so schnell, | |
so nah dran sein können.“ | |
6 Jul 2024 | |
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## AUTOREN | |
Johannes Kopp | |
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