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# taz.de -- SPD-Mitgliederbegehren: Wackelige Argumente vom Vorstand
> Ein Mitgliederbegehren der SPD fordert die Fraktion auf, Sozialkürzungen
> abzulehnen. Der Vorstand hält das für unzulässig – mit abwegigen
> Begründungen.
Bild: Schlechte Stimmung in der SPD, der Vorstand will ein Mitgliederbegehren d…
Berlin taz | Die Begründung des SPD-Parteivorstands zur Ablehnung eines
Mitgliederbegehrens der SPD-Linken ist juristisch nicht überzeugend. Wenn
die Betroffenen dagegen klagen, dürften sie Erfolg haben.
Drei Mitglieder des [1][„Forums Demokratische Linke 21“] (DL21), einer
SPD-Gruppierung in Berlin, hatten die Einleitung eines Mitgliederbegehrens
beantragt. Ziel war ein Parteibeschluss, der die SPD-Bundestagsabgeordneten
auffordert, dem Bundeshaushalt 2025 nur zuzustimmen, wenn es zu keinen
Kürzungen in den Bereichen Soziales, Gesundheit, Jugend, Familie, Bildung,
Demokratie und Entwicklungszusammenarbeit kommt.
Nach den SPD-Verfahrensrichtlinien zur Durchführung von Mitgliederbegehren
muss zunächst der SPD-Parteivorstand die Zulässigkeit des Antrags prüfen,
bevor auch nur mit der Sammlung von Unterschriften begonnen wird. Der
SPD-Parteivorstand hat am Montag allerdings mitgeteilt, dass er den Antrag
für „unzulässig“ hält. Er stützte sich dabei auf ein nur zweiseitiges
„Gutachten“, das im Namen des SPD-Parteivorstandes erstellt wurde. Es liegt
der taz vor.
Der Parteivorstand stützt sich dabei auf einen Passus im
[2][SPD-Organisationsstatut]: „Gegenstand eines Mitgliederbegehrens können
nur solche Beschlüsse sein, die nicht durch Parteiengesetz oder durch
andere Gesetze ausschließlich einem Organ vorbehalten sind.“ Die
Aufstellung des Bundeshaushalts sei aber laut Grundgesetz ausschließliche
Sache des Bundestags, so der Parteivorstand.
## Das Argument ist juristisch absurd
Das Argument ist absurd, denn es verwechselt Äpfel mit Birnen. Weder zielt
das Mitgliederbegehren darauf ab, dass die SPD-Bundespartei den
Bundeshaushalt aufstellt. Noch ist der Bundestag dafür zuständig, die
SPD-Abgeordneten zu einem bestimmten Abstimmungsverhalten aufzufordern. Im
nächsten Schritt argumentiert der SPD-Parteivorstand mit dem „freien
Mandat“ der Bundestagsabgeordneten, dessen Schutz aber als Ablehnungsgrund
für Mitgliederbegehren im SPD-Organisationsstatut nicht erwähnt ist.
Die Abgeordneten sind laut [3][Artikel 38 Grundgesetz] nicht an Aufträge
und Weisungen gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen. Für den
SPD-Parteivorstand heißt das: „Ein Beschluss, der die Mitglieder des
Bundestages zu einer entsprechenden Abstimmung verpflichtet bzw.
erheblichen Druck auf die Abgeordneten und deren Entscheidungsfreiheit
ausübt, wäre ein unmittelbarer Eingriff in die staatliche Sphäre, der
staatliches Handeln auch unmittelbar qualifizieren würde und insoweit als
Eingriff in das freie Mandat unzulässig. Damit würde in gravierender Weise
in die freie Mandatsausübung nach Art. 38 GG eingegriffen.“
Wenn der Parteivorstand diese Rechtsauffassung ernst nähme, dann dürfte
allerdings auch ein Parteitag der Sozialdemokraten ihre SPD-Abgeordneten
nicht mehr zu bestimmten Stimmverhalten auffordern. Auch der Parteivorstand
selbst dürfe das nicht mehr und natürlich auch nicht die Vorsitzenden Lars
Klingbeil und Saskia Esken.
## Initiatoren könnten Schiedskommission anrufen
Dass diese Schlussfolgerungen fernliegend sind, weiß offensichtlich auch
der SPD-Parteivorstand. Mit Verweis auf eine Entscheidung des
Bundesverfassungsgerichts von 2013 erklärt der SPD-Parteivorstand, dass
Mitgliederbegehren, „die sich mit politischen Fragestellungen befassen, die
auch die Mitglieder des Bundestages betreffen, nicht per se einen Verstoß
gegen Art. 38 Grundgesetz“ darstellen. Verboten sei, so nun der
Parteivorstand, lediglich „die unmittelbare Einflussnahme auf das
Haushaltsrecht“.
Worin die Sonderstellung des Haushaltsrechts bestehen soll, kann der
SPD-Parteivorstand aber nicht überzeugend begründen. Der Parteivorstand
verweist darauf, dass das Haushaltsgesetz „keine unmittelbare Außenwirkung
entfaltet und schon gar nicht Rechtsansprüche Dritter gegen den Staat
schafft“. Dass diese Besonderheit die innerparteiliche Demokratie der SPD
einschränken kann, ist völlig abwegig.
Die Initiatoren des Mitgliederbegehrens könnten nun die
Bundesschiedskommission der SPD anrufen, wenn sie die Ablehnung ihres
Antrags mit Rechtsmitteln angreifen wollen. Die Bundesschiedskommission ist
ein parteiinternes Gericht der SPD. Ob die DL21-Mitglieder diesen Schritt
gehen, haben sie noch nicht entschieden.
4 Jul 2024
## LINKS
[1] https://dl21.de/
[2] https://www.spd.de/fileadmin/Dokumente/Parteiorganisation/SPD_Orgastatut_20…
[3] https://www.gesetze-im-internet.de/gg/art_38.html#:~:text=Grundgesetz%20f%C…
## AUTOREN
Christian Rath
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