| # taz.de -- Sängerin Emilíana Torrini ist zurück: Abtauchen in Liebesbriefe | |
| > Nach „Jungle Drum“ nun fremde Liebesschwüre: Die Isländerin Emilíana | |
| > Torrini veröffentlicht nach jahrelanger Pause nun ihr neues Soloalbum. | |
| Bild: Die heute 47-jährige Emilíana Torrini erzielte 2009 einen Nummer-1-Hit … | |
| Es gab eine Phase, in der Emilíana Torrini auf dem Weg zum Popstar schien. | |
| 2009 hatte die 47-jährige Isländerin mit italienischen Wurzeln mit dem | |
| ausgelassenen Song „Jungle Drum“ einen Nummer-1-Hit in Deutschland | |
| gelandet. [1][Statt weiterhin auf Ohrwurmhooklines zu setzen], trat die | |
| Künstlerin danach aber lieber auf die Bremse. | |
| Erst 2013 erschien ihr Album „Tookah“. Sich so lange rar zu machen, das | |
| kann im Mainstream tödlich sein. Diese Erfahrung musste auch Torrini machen | |
| – ihre Musik, gespickt mit elektronischen Spielereien und folkigen | |
| Balladen, versandete auf Platz 51 der deutschen Charts und verschwand bald | |
| vom Radar. | |
| Danach trat das einstige Mitglied der isländischen Indiepopband Gus Gus | |
| nicht mehr in Erscheidung, [2][zumindest nicht als Solistin.] Obwohl sie | |
| der Musik nie vollständig den Rücken gekehrt hatte. So übernahm Torrini für | |
| mehrere Songs des HipHop-DJs Kid Koala den Gesang und tat sich auch mit dem | |
| belgischen Colorist Orchestra zusammen. Trotzdem, für „Miss Flower“, ihr | |
| neues, beim Label Grönland veröffentlichtes Album, ließ sie sich mehr als | |
| zehn Jahre Zeit. | |
| Dafür gibt es ganz unterschiedliche Gründe. Erstens natürlich die Pandemie, | |
| die alles verzögert, zweitens eine gewisse künstlerische Unzufriedenheit, | |
| drittens hat sich privat einiges bei der Tochter einer Isländerin und eines | |
| Italieners verändert. Sie zog wieder in ihre Heimat, heiratete, bekam | |
| Kinder. Als Mutter wollte sie nicht mehr ständig auf Tournee gehen. | |
| ## Abtauchen in ein fremdes Leben | |
| Gemeinhin kommt es aber meistens nicht so, wie man denkt. Man könnte auch | |
| sagen: Vielleicht war es Schicksal, dass in der Wohnung der verstorbenen | |
| Mutter einer Freundin plötzlich eine große Kiste mit alten Liebesbriefen | |
| auftauchte. Von Männern, von Frauen, viele waren geradezu besessen von | |
| einer Frau namens Geraldine Flower, die immerhin neun Heiratsanträge | |
| bekommen hat. Trotzdem trat sie nie vor den Traualtar. | |
| Torrinis Abtauchen in die (Un-)Tiefen eines anderen Lebens inspirierte sie | |
| dann zu neuen eigenen Songs. Nicht zwingend basiert jedes Lied auf einem | |
| einzigen Brief, manchmal ist die gesamte Korrespondenz mit einer bestimmten | |
| Person in die Musik eingeflossen. Das Stück „Lady K“ entspringt jenen | |
| Briefen, die ihre große Liebe Geraldine Flower geschrieben hat. | |
| Jener Mann wollte seine Angebetete durch eine angebliche Affäre mit „Lady | |
| K“ eifersüchtig machen. Dahinter verbarg sich allerdings nur ein Bootsname. | |
| Auf der Klangebene liefert dieses Stück unprätentiösen Triphop. Die Musik | |
| driftet nicht etwa ins Verträumte ab, sondern könnte in der Indiedisko in | |
| Powerplay laufen. | |
| ## Eigenwillige Beats | |
| Sprechgesang eröffnet den hypnotischen Song „Black Water“. Musikalisch | |
| gelingt Emilíana Torrini hier etwas Großartiges. Ihre pulsierenden Beats | |
| prötteln in bester [3][Björk-Manier] recht eigenwillig, doch sie lassen | |
| einen nicht mehr los. | |
| Der Songtext zitiert aus Briefen eines mutmaßlich US-amerikanischen | |
| Liebhabers. Die malerische Klavierballade „The Golden Threat“ beschwört | |
| unstillbare Sehnsucht herauf. Ein Australier kann seine Ex nicht einfach | |
| vergessen, obwohl er mit einer anderen Frau im Bett liegt. Diese Geschichte | |
| erzählt Emilíana Torrini mit unverkennbarer Wehmut in ihrer Stimme. | |
| „Let’s Keep Dancing“, ein Titel über einen letzten Tanz vor einer Trennu… | |
| belegt, dass sich Melancholie durchaus mit einem flotten karibischen | |
| Rhythmus verträgt. Das Instrumentalstück „A Dream Through The Floorboards“ | |
| erinnert an den französischen Komponisten Eric Satie. Es braucht keinen | |
| Gesang und lässt diese wunderbare Platte sanft ausklingen. Eine Seite, die | |
| der Musik auch gut steht. | |
| 3 Jul 2024 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://blogs.taz.de/popblog/2008/10/19/im_plattenregal_im_september_2_jacq… | |
| [2] /Pop-Punk-und-Politik-in-Island/!5024743 | |
| [3] /Album-Fossora-von-Bjoerk/!5883371 | |
| ## AUTOREN | |
| Dagmar Leischow | |
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