| # taz.de -- Die Kunst der Woche: Reisen in der Dämmerung | |
| > Die Galerie Esther Schipper öffnet ihre Räume für eine umfangreiche | |
| > Malereiausstellung. Bei Max Goelitz hebt Ju Young Kim ab. | |
| Bild: Ausstellungsansicht: Twilight is a Place of Promise, Esther Schipper, Ber… | |
| Die Frau hat ihren Betrachter*innen den Rücken zugewandt. Sie ist | |
| nackt, sitzt breitbeinig auf einem Stuhl, aufrecht, mit der Brust an der | |
| Rückenlehne. Sie zeigt ihr Hinterteil, aber weder Brust, noch Geschlecht, | |
| während sich im Hintergrund üppige rote Tulpen in einer Bodenvase in die | |
| Höhe recken. | |
| Ganz bei sich wirkt die Frau, stark und schön, kein bisschen gefällig. Das | |
| Bild stammt aus dem Jahr 1966. Gemalt hat es Pan Yuliang, geboren 1895 in | |
| China, gestorben 1977 in Paris. Pan Yuliang gilt als erste chinesische | |
| Malerin, die im westlichen Stil arbeitete. | |
| Ihre Werke, bevorzugt weibliche Aktgemälde und -Zeichnungen, bei denen es | |
| sich oft um Selbstporträts handelt und mit denen sie dem male gaze ihrer | |
| Zeitgenossen ihren eigenen entgegensetzte, sind inzwischen in einigen | |
| Sammlungen vertreten, stießen zu ihrer Zeit jedoch in China auf Ablehnung. | |
| Wegen ihrer Sujets und wegen Pan Yuliangs Vergangenheit als Prostituierte. | |
| Zu sehen sind zwei davon gerade in der Gruppenausstellung „[1][Twilight is | |
| a Place of Promise]“ bei Esther Schipper. | |
| Versammelt sind dort Werke von 19 Malerinnen, internationaler Herkunft, | |
| divers auch in Bezug auf ihr Alter. Pan Yuliang ist die älteste unter | |
| ihnen, die nigerianisch-amerikanische mittlerweile in Berlin lebende | |
| Künstlerin Monilola Olayemi Ilupeju, geboren 1996, die jüngste. | |
| Ilupeju ist unter anderem mit einem sensiblen Porträt ihrer Mutter | |
| vertreten, abgemalt vermutlich von einer Fotografie. Es zeigt die Mutter | |
| als junge Frau, kurz nachdem sie in die USA ausgewandert ist. Etwas | |
| verkrampft sitzt sie auf einem Lehnstuhl, blickt unsicher aus dem Bild und | |
| in eine ungewisse Zukunft. | |
| Surrealer hingegen die Bilder von Bettina von Arnim, über die sich | |
| geometrische Landschaften erstrecken, oder auch jene von Huguette Caland, | |
| in denen sich Körper in Linien und Formen aufzulösen scheinen. | |
| Fast schon musealen Umfang hat die Schau. Lose knüpft sie an | |
| „[2][L’Invitation au voyag]e“ an, die ebenfalls rein weiblich besetzten | |
| Ausstellung der Galerie aus dem Frühling 2021, die damals, während Covid, | |
| als das Fernweh groß war, mehr oder weniger direkt vom Reisen erzählte. | |
| Gewissermaßen auch an die Überblicksschau zu zeitgenössischer Kunst aus | |
| Südkorea „Dui Jip Ki“, die bei Esther Schipper im vergangenen Sommer zu | |
| sehen war. Eine schöne Tradition scheint sich da zu entwickeln, mit | |
| kuratierten Ausstellungen das Programm zu erweitern. | |
| Auf andere Art und Weise abgestimmt auf die Jahreszeit ist die aktuelle | |
| Ausstellung bei Max Goelitz. Ju Young Kim, geboren 1991 in Seoul, [3][zeigt | |
| dort ihre erste Einzelausstellung]. Erst kürzlich hat die Künstlerin ihren | |
| Abschluss an der Kunsthochschule in München gemacht – und ist schon bereit | |
| abzuheben. „Aeroplastics“, der Titel deutet es schon an: Die Künstlerin | |
| arbeitet mit Flugzeugteilen. | |
| Hightechversatzstücke ausgesonderter Flieger kombiniert sie mit | |
| Bleiglaselementen, wie man sie aus dem Jugendstil kennt, beispielsweise | |
| tauscht sie die Scheiben von Flugzeugfenstern mit solchen aus. | |
| In die Mitte des großen Galerieraums hat die Künstlerin einen | |
| Flugzeug-Dreisitzer platziert, reduziert nur auf die Aluminiumschalen. | |
| Besonders bequem wäre es nicht, auf diesen den Atlantik zu überqueren, die | |
| Souvenirs sind dafür schon da: Auf einem Tabletttisch hat Ju Young Kim in | |
| Bronze gegossene Miesmuschelschalen arrangiert. Verbirgt sich in ihrer | |
| Anordnung womöglich eine Botschaft? | |
| An nautische und aeronautische Karten erinnern wiederum die Elemente, die | |
| sie in einen Bordtrolley eingesetzt hat. Was ist das Ziel der Reise? Es | |
| scheint eigentlich nicht darauf anzukommen. Was Ju Young Kim liefert, sind | |
| formschöne, präzise konstruierte Metaphern für die Übergänge, die | |
| Transferzustände des Lebens. | |
| 20 Jul 2024 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.estherschipper.com/exhibitions/#current | |
| [2] /Die-Kunst-der-Woche/!5770278 | |
| [3] https://www.maxgoelitz.com/exhibitions/51-aeroplastics-ju-young-kim/ | |
| ## AUTOREN | |
| Beate Scheder | |
| ## TAGS | |
| taz Plan | |
| Berliner Galerien | |
| Malerei | |
| Installation | |
| taz Plan | |
| taz Plan | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Die Kunst der Woche: Schicht für Schicht, Teil für Teil | |
| Özlem Altın entwirft in der Berlinischen Galerie Kartografien aus | |
| fotografischen Schnipseln. Wolkig geht es in einer Gruppenschau bei Eigen & | |
| Art zu. | |
| Die Kunst der Woche: Berliner Zeitvergleich | |
| Renate von Mangoldt fotografiert durch Zeitschichten. Die Mitkunstzentrale | |
| verschiebt Grenzen zwischen Möbeln und Skulptur und zieht die Natur zu | |
| Rate. |