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# taz.de -- Belästigung einer Frau mit Behinderung: Neue gerichtliche Entschei…
> Sonja M.s Anzeige gegen ihren Chef in einer Behindertenwerkstatt führte
> zu nichts. Vor dem Berliner Verfassungsgericht hat sie aber Erfolg.
Bild: Das Kammergericht Berlin muss nun erneut entscheiden, ob es zur Anklage g…
BERLIN taz | Der Berliner Verfassungsgerichtshof gab der Klage von Sonja M.
(Name geändert) statt. Nun muss das Berliner Kammergericht erneut darüber
entscheiden, ob gegen den Mann, der Sonja M. belästigt hat, Anklage erhoben
werden muss.
Die damals 25-jährige Sonja M. arbeitete bis Herbst 2020 in einer
[1][Werkstatt für Menschen mit Behinderungen]. Sie ist aufgrund eines
Unfalls kurz nach der Geburt kognitiv und körperlich leicht beeinträchtigt.
Im Oktober 2020 zeigte sie mit Hilfe ihrer Mutter ihren Vorgesetzten aus
der Werkstatt an. Er habe ihr Zungeküsse aufgedrängt, sie gegen ihren
Willen umarmt und an den Schenkeln sowie am Po berührt. Der Vorgesetzte
räumte lediglich „Begrüßungsumarmungen“ und Küsse auf die Wange ein. Es
stand Aussage gegen Aussage.
Die Staatsanwaltschaft stellte das Ermittlungsverfahren später ein. Eine
Gutachterin hatte festgestellt, dass Sonja M. nicht aussagefähig sei.
Tatsächlich hatte Sonja M. die aussagepsychologische Begutachtung nach drei
Stunden aus Überforderung abgebrochen. Nach Angaben von M.s Anwältin Ronska
Grimm hatte die [2][Gutachterin kein behindertenspezifisches Fachwissen].
Sonja M. legte Beschwerde bei der Generalstaatsanwaltschaft ein, die nichts
brachte, und stellte beim Berliner Kammergericht einen
Klageerzwingungsantrag, der abgelehnt wurde. Nur um diese Entscheidung des
Kammergerichts ging es beim Berliner Verfassungsgerichtshof. Das mutmaßlich
fehlerhafte Gutachten spielte dabei keine Rolle. Es ging um andere
prozessrechtliche Fragen.
## Kammergericht habe überzogene Anforderungen gestellt
Das Kammergericht hatte den Klageerzwingungsantrag als unzulässig
abgelehnt, weil im Antrag eine Zeugenaussage irreführend dargestellt worden
sei. Damit sei dem Gericht die Möglichkeit genommen worden, den Antrag
sachgerecht auf Schlüssigkeit zu prüfen.
Diesen Beschluss des Kammergerichts hat der Berliner Verfassungsgerichtshof
nun als verfassungswidrig aufgehoben. Das Kammergericht habe dabei das
Recht von Sonja M. auf effektiven Rechtsschutz verletzt, stellte der
Verfassungsgerichtshof fest. Das Kammergericht habe überzogene
Anforderungen an Sonja M.s Antrag gestellt. An anderen Stellen des Antrags
seien mögliche Missverständnisse „unzweifelhaft“ ausgeräumt worden.
Das Kammergericht muss nun erneut entscheiden, ob die Staatsanwaltschaft
gegen den Vorgesetzten von Sonja M. Anklage wegen sexueller Belästigung
erheben muss. Hierzu machte das Verfassungsgericht keine Vorgaben. Es
merkte nur ganz abstrakt an, dass sich aus der Berliner Verfassung und aus
der UN-Behindertenrechtskonvention „besondere Verpflichtungen für die
diskriminierungsfreie Ausgestaltung und Durchführung“ von
Ermittlungsverfahren und weiterem gerichtlichem Verfahren ergeben.
Die von Sonja M. eingelegte Verfassungsbeschwerde wurde unter anderem vom
Bundesverband Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe (bff) unterstützt.
(Az.: VerfGH 80/22)
29 Jun 2024
## LINKS
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[2] /Gewalt-gegen-Menschen-mit-Behinderung/!5883610
## AUTOREN
Christian Rath
## TAGS
Klage
Menschen mit Behinderung
sexuelle Belästigung
Diskriminierung
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Leben mit Behinderung
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