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# taz.de -- Autoverkehr in Hamburg: Umland torpediert Verkehrswende
> Eine Daten-Auswertung der Klimaorganisation GermanZero Hamburg kommt zum
> Schluss: Anders als behauptet sinkt der Autoverkehr in Hamburg nicht.
Bild: Dichter Autoverkehr in Hamburg: Ist das nun mehr geworden oder nicht?
Hamburg taz | Glaubt man den offiziellen Statistiken, hat Hamburg die
Verkehrswende mit Vollgas eingeleitet: Um ein Drittel ist der Autoverkehr
binnen fünf Jahren zurückgegangen, freute sich Verkehrssenator Anjes Tjarks
(Grüne) etwa im vergangenen Jahr zur Vorstellung der „Mobilitätserhebung in
Hamburg“. Nun endlich gehe es mit der [1][Mobilitätswende] also „deutlich
voran“.
Doch eine Analyse der Hamburger Ortsgruppe der Klimaschutzorganisation
GermanZero kommt zum gegenteiligen Ergebnis: Demzufolge legt Autoverkehr in
Hamburg beständig zu. Die von der Verkehrsbehörde vorgelegten Zahlen ließen
den massiv wachsenden Pendler:innenverkehr außer Acht. „Der Senat
kommt mit der Mobilitätswende nicht voran“, konstatiert Hamburgs
GermanZero-Sprecher Mark Roach.
Der Analyse nach stimmt zwar, was auch die Verkehrsbehörde zuletzt
mitteilte, dass nämlich [2][innerhalb der Stadt weniger Auto gefahren
wird.] „Doch der Pendler:innenverkehr mit dem Auto nimmt in einem
Umfang zu, dass er den zurückgehenden innerstädtischen Autoverkehr nicht
nur ausgleicht“, sagt Roach.
So nahm die reine Zahl der Fahrten von Pendler:innen aus und nach
Hamburg nach einem coronabedingten Einbruch 2020 seither wieder
kontinuierlich zu und lag 2023 mit rund 237 Millionen Fahrten deutlich über
dem Vor-Corona-Jahr 2019 mit rund 216 Millionen.
## Immer weitere Wege
Noch deutlicher wird der Anstieg mit Blick auf die zurückgelegten Strecken:
Waren es 2019 noch 8,38 Milliarden gefahrene Kilometer mit dem Auto, lag
der Wert 2023 bei 8,52 Milliarden. Auch hier ist zwar ein kleiner Rückgang
des innerstädtischen Verkehrs zu beobachten.
Indes: „Da die von den Pendler:innen zurückgelegten Strecken naturgemäß
viel länger sind als die innerstädtischen, schlagen sie sich im
Gesamtergebnis auch so deutlich nieder“, sagt Roach. Ohnehin hätten die von
Pendler:innen zurückgelegten Strecken in den vergangenen Jahren
zugelegt; sie nähmen immer weitere Wege in Kauf.
Die Hamburger Ortsgruppe der Klimaschutzorganisation hat von Google
zugänglich gemachte Daten ausgewertet. Der Konzern gewinnt diese Daten aus
den Handy-Daten seiner Nutzer:innen. Aus diesen Bewegungsdaten ermittelt
Google, womit sich ein:e Nutzer:in fortbewegt. „Google kann ableiten, ob
Sie zu Fuß gehen, mit dem Rad oder dem Auto fahren“, sagt Roach. „Ob Bahn
oder Bus genutzt wird, kann Google an der Strecke beziehungsweise an der
Rhythmik in der Fortbewegung erkennen.“
Plausibel sind die Zahlen angesichts der Bevölkerungsentwicklung: Der
Hamburger Speckgürtel wächst nicht erst seit den Coronajahren rasant. Der
Kreis Pinneberg etwa ist seit Anfang des vorigen Jahrzehnts um fast zehn
Prozent gewachsen. In Städten wie Stade oder Ahrensburg sieht es ähnlich
aus. Und: Zumindest in den Coronajahren zogen mehr Hamburger:innen ins
Umland als andersrum, die, sollten sie ihren Job behalten haben, nun
pendeln müssen.
Der sogenannte Environmental Insight Explorer von Google hat jedoch auch
einige Tücken, räumt Roach ein. Etwa, dass die Daten von den
Android-Nutzern auf den Gesamtverkehr hochgerechnet werden müssen. „Nicht
unterschieden wird zwischen Auto und LKW oder der Größe des Autos“, sagt
Roach.
Ebenfalls nicht erkannt werde, wenn verschiedene Nutzer ein Auto nutzen und
so nur einmal CO2-Emissionen verursachen. „Aber bessere Daten haben wir
nicht“, sagt Roach – auch mit Blick auf die Verkehrsdaten aus der
Verkehrsbehörde.
Denn die, so die Kritik, stützt sich bei der postulierten Verkehrswende
hauptsächlich auf irrelevante Daten. Die eingangs genannte
Mobilitätserhebung für Hamburg etwa, die für Jubelmeldungen einer
erfolgreichen Verkehrswende sorgten, ist eine Umfrage zum Verkehrsverhalten
der Hamburger:innen. Pendler:innen nach Hamburg wurden darin also nicht
einbezogen.
Und in der Umfrage wurde nach Fahrten mit dem Auto gefragt, ohne aber zu
berücksichtigen, ob 100 Meter oder zehn Kilometer zurückgelegt wurden,
bemängelt Roach. „Für den Klimawandel und die dafür entscheidenden
CO2-Emissionen ist das aber ein gravierender Unterschied.“ Gleiches gelte
für Messstationen an Straßen, die Autos zählen. „Auch da wird ja nicht die
zurückgelegte Strecke berücksichtigt“, sagt Roach.
## 49-Euro-Ticket wirkungslos
Was nun zu tun ist? Das 49-Euro-Ticket, das besonders bei Pendler:innen
zum Umstieg vom Auto auf den ÖPNV führen sollte, hat der GermanZero-Analyse
zufolge kaum gewirkt. „Große Arbeitgeber müssten dringend verpflichtet
werden, ihre Belegschaften zum Wechsel auf den Umweltverbund zu bewegen,
anstatt das Autofahren auch noch durch günstige Parkplätze zu belohnen“,
sagt Roach, der auch vorschlägt:„Wir sollten dringend über eine City-Maut
nachdenken.“
Auf Nachfrage zeigt sich die Verkehrsbehörde angesichts der Zahlen
gelassen. In der Gesamtschau seien diese wenig aussagekräftig. „Wir sehen
diese Daten als sinnvolle Ergänzung unserer Daten“, sagt Sprecher Dennis
Krämer.
Und wichtig sei vor allem die langfristige Entwicklung: Obwohl [3][die
Bevölkerung seit 2000 in Hamburg um elf Prozent gewachsen ist,] sei der
KFZ-Verkehr im selben Zeitraum auf den Stadtstraßen um rund 17 Prozent
zurückgegangen. „Dagegen hat sich der Radverkehr mehr als verdoppelt und im
ÖPNV verzeichnen wir mehr als 50 Prozent Fahrgastzuwachs.“
Auch gebe es noch weitere [4][Tücken in den Google-Daten]: Diese schließen
etwa auch Reisende auf den Autobahnen ein, die das Hamburger Stadtgebiet
insbesondere zu Ferienzeiten lediglich queren.
26 Jun 2024
## LINKS
[1] /Verkehrswende-in-Hamburg/!5909555
[2] /Initiative-fuer-autofreie-Hamburger-City/!5896874
[3] /Wohnungsbau-versus-Klimaziele/!5819024
[4] https://myaccount.google.com/intro/data-and-privacy?hl=de
## AUTOREN
André Zuschlag
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