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# taz.de -- Existenzkrise der Linkspartei: Parteivorsitzende auf Abruf
> Auf dem geplanten Bundesparteitag der Linken im Oktober gilt ein
> Führungswechsel als wahrscheinlich. Doch wer nachfolgen kann, ist völlig
> offen.
Bild: Die Linkspartei stehe vor einer „strategischen Richtungsentscheidung“…
Berlin taz | Gut gelaunt betritt Martin Schirdewan am Montagmittag den
Rosa-Luxemburg-Saal im Karl-Liebknecht-Haus. Selbstverständlich freuen ihn
die Wahlergebnisse in Frankreich, speziell das [1][gute Abschneiden des
dortigen Linksbündnisses]. Aber das alleine erklärt noch nicht seinen
Auftritt in der Berliner Parteizentrale. Vielmehr will er mit seinem
selbstbewussten Auftreten offenkundig demonstrieren, dass er die Hoffnung
in seine Partei immer noch nicht verloren hat.
Schirdewan und seine Co-Vorsitzende Janine Wissler sind nur noch
Vorsitzende auf Abruf. Er steht seit 2022 der Linkspartei vor, sie seit
2021. Lang im Amt sind die beiden also nicht. Aber dass sie auf dem für
Oktober in Halle geplanten Parteitag noch einmal antreten werden, gilt als
abwegig.
Ihre Wiederwahlchancen wären auch denkbar schlecht. Denn das [2][Desaster
der Europawahl] ist für die Linke einfach zu groß, um ohne personelle
Konsequenzen an der Spitze auszukommen – völlig unabhängig davon, welche
konkrete Verantwortung die beiden tatsächlich für den katastrophalen
gegenwärtigen Zustand tragen. Doch wer kommt dann?
An Selbstbewusstsein fehlt es in der Partei nicht. Es gibt schon einige,
die sich zutrauen würden, Schirdewan und Wissler an der Spitze abzulösen.
Ob das auch der Wahrnehmung der Partei oder gar der Wähler:innen
entspricht, ist allerdings eine andere Frage.
## Ausufernde Personaldebatten
Offiziell hüllen sich Schirdewan und Wissler noch in Schweigen, was ihre
politische Zukunft betrifft. Es gäbe einen „klaren Fahrplan, auch was die
personellen Fragen betrifft“, bekundete Schirdewan am Montag auf Nachfrage.
„Wir werden natürlich Klarheit schaffen, ob wir noch mal antreten oder
nicht“, sagte er. Nur wann das sein wird, wollte er nicht verraten.
Das dürfte daran liegen, dass die Linkenführung ausufernde
Personaldebatten, die in die ostdeutschen Wahlkämpfe ausstrahlen könnten,
vermeiden will. Eine Lösung der offenen Personalfrage soll nun eine
Arbeitsgruppe finden, die der Bundesvorstand jetzt eingesetzt hat. Zu den
Mitgliedern zählen neben den zwei noch amtierenden Parteivorsitzenden unter
anderem die Landesvorsitzenden aus Brandenburg, Berlin, Thüringen und
Nordrhein-Westfalen, Sebastian Walter, Maximilian Schirmer, Christian
Schaft und Kathrin Vogler.
Außer Personalvorschlägen soll die innerparteilich gut austarierte
Arbeitsgruppe noch „Vorschläge für die Klärung bestehender Dissense“
erarbeiten und über einen Entwurf für den Leitantrag beraten, der auf dem
Bundesparteitag verabschiedet werden soll. Außerdem soll der Kreis auch
„eine gemeinsame Strategie“ für die Bundes- und die Länderebene
entwickeln. Er dürfte viel zu tun haben. Hintergrund ist offenkundig das
Ziel, ein neues politisches Zentrum in der Partei zu schaffen.
## „Verlässlichkeit im Wandel“.
Am [3][Wochenende hatte der Bundesvorstand] zusammen mit den
Vertreter:innen der Landesverbände sowie mit Heidi Reichinnek und Sören
Pellmann, die der Bundestagsgruppe vorstehen, über mögliche Konsequenzen
aus der Europawahlkatastrophe zu beraten – nicht nur den personellen. Mit
„großer Mehrheit“ hätten sich die Anwesenden auf einen Fahrplan bis zum
Parteitag im Oktober geeinigt, um dort eine „strategische
Richtungsentscheidung“ zu ermöglichen.
Auch sollen über den Sommer hinweg Beratungen in den Parteigliederungen
beginnen, um „mit breit geteilten Positionen, inhaltlichen Klärungen und
Zuspitzungen in die Bundestagswahl“ gehen zu können. Als Losung gab
Schirdewan aus: „Verlässlichkeit im Wandel“.
Mit 2,7 Prozent hatte [4][die Linke Anfang Juni] nur noch etwa halb so
viele Stimmen wie fünf Jahre zuvor bekommen. Die Auseinandersetzungen um
die Abspaltung der Gruppe um Sahra Wagenknecht hätten „die inhaltlichen
Positionen und Interventionen der Linken in den Hintergrund gedrängt“,
benennt ein am Sonntag beschlossenes Papier als einen der Gründe.
Für Teile des Wähler:innenpotenzials sei unklar gewesen, wofür die
Partei noch stehe. Hinzu käme, dass der Linkspartei in den Themen, die die
mediale Debatte um die EU-Wahl bestimmt hätten, wie der Friedenspolitik,
„kaum Kompetenzen zugeschrieben werden“.
8 Jul 2024
## LINKS
[1] /Wahl-in-Frankreich/!6021936
[2] /Sachsens-Linkenchef-zur-Krise-der-Linken/!6018557
[3] /Linkspartei-nach-der-Wahlschlappe/!6021908
[4] /Abschneiden-von-BSW-und-Linkspartei/!6015450
## AUTOREN
Pascal Beucker
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