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# taz.de -- Studie über Alleinerziehende: In der Armutsfalle
> Alleinerziehende sind laut einer Studie am stärksten von Armut betroffen.
> Die geplante Kindergrundsicherung könnte die Lage noch verschlechtern.
Bild: Einkommensarm: 41 Prozent der Alleinerziehenden mit minderjährigen Kinde…
Gütersloh/Berlin dpa | Alleinerziehende Familien sind einer Studie zufolge
nach wie vor am stärksten von Armut betroffen. Unter den rund 1,7 Millionen
Alleinerziehenden mit minderjährigen Kindern waren im vergangenen Jahr
[1][41 Prozent einkommensarm], wie die Bertelsmann Stiftung berichtete. Zum
Vergleich: Bei den Paar-Familien galten zwischen 8 Prozent (bei einem Kind)
und 30 Prozent (bei drei oder mehr minderjährigen Kindern) als
armutsgefährdet.
Die geplante Kindergrundsicherung sei unzureichend, um Armut wirksam
entgegenzuwirken, kritisierte die Familienexpertin der Stiftung, Anette
Stein. „Was jetzt auf dem Tisch liegt, kann das Problem nicht lösen.“ Für
einige alleinerziehende Familien könne es zu Verbesserungen kommen, für
andere aber sogar zu Verschlechterungen. Der Gesetzentwurf steckt schon
seit Monaten im parlamentarischen Verfahren fest.
Bei den Ein-Eltern-Familien handelt es sich zu gut 82 Prozent um eine
alleinerziehende Mutter mit ihrem Nachwuchs, in knapp 18 Prozent um einen
alleinerziehenden Vater. An ihrer seit Jahren bekannten häufig prekären
Situation habe sich trotz punktueller Erleichterungen kaum etwas
verbessert, kritisierten die Studienautorinnen. Von relativer
Einkommensarmut – oder Armutsgefährdung – sind Personen betroffen, die üb…
weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens der Gesamtbevölkerung
verfügen.
Konkret könne das bedeuten: kein Familienurlaub, tagtäglich verzichten und
Nein-Sagen müssen, keine Rücklagen für eine gewisse finanzielle Sicherheit
und kaum kulturelle oder soziale Teilhabe, was vor allem für Kinder und
Jugendliche hart sei, sagt Anette Stein der Deutschen Presse-Agentur.
## Alleinerziehende Mütter besonders armutsgefährdet
Unter allen 8,5 Millionen Familien deutschlandweit mit Kindern unter 18
Jahren machten alleinerziehende Familien etwa 20 Prozent aus. Der leichte
Anstieg seit 2019 auf aktuell rund 1,7 Millionen Ein-Eltern-Familien mit
minderjährigem Nachwuchs sei unter anderem auf [2][Geflüchtete aus der
Ukraine] zurückzuführen. Es gebe regionale Unterschiede mit einem
Alleinerziehenden-Anteil von 16,5 Prozent in Bayern und 27,5 Prozent in
Berlin.
Fast die Hälfte aller Kinder, die in einer Familie mit Bürgergeldbezug
aufwachsen, leben in einem Haushalt mit nur einem Elternteil. Für
alleinerziehende Mütter sei das Armutsrisiko besonders hoch. Der Anteil
alleinerziehender Haushalte mit Bürgergeld-Bezug liegt in Bremen mit 55
Prozent am höchsten und in Thüringen mit 27 Prozent am niedrigsten.
Nach Einschätzung der Stiftung ist relative Armut bei vielen
Alleinerziehenden nicht auf mangelnde Erwerbstätigkeit zurückführen. „71
Prozent der alleinerziehenden Mütter und 87 Prozent der alleinerziehenden
Väter gehen einer Arbeit nach“, heißt es in Gütersloh. Zur finanziell
schwierigen Situation tragen oft ausfallende Unterhaltszahlungen bei. Auch
Reformen des Unterhaltsvorschusses oder der Kinderzuschlag habe die
belastende Situation für viele Alleinerziehende nicht entscheidend
verbessert.
Es brauche mehr Kitaplätze, eine verlässliche Ganztagsbetreuung in der
Schule, flexiblere Arbeitszeitmodelle und weitere Anreize für Väter, mehr
Verantwortung für ihre Kinder und Care-Arbeit zu übernehmen, fordert die
Stiftung.
## Was soll die Kindergrundsicherung bewirken?
Die Ampel-Koalition ringt [3][seit Langem um die Kindergrundsicherung], mit
der bisherige Leistungen für Kinder gebündelt werden sollen: also etwa
Kindergeld, Zahlungen aus dem Bürgergeld für Kinder oder der
Kinderzuschlag. Im Herbst 2023 hatte das Bundeskabinett einen Entwurf
beschlossen, Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) und Finanzminister
Christian Lindner (FDP) hatten sich auf zunächst 2,4 Milliarden Euro
Mehrkosten geeinigt.
Bei steigender Inanspruchnahme könne der Betrag auf jährlich bis zu 6
Milliarden Euro im Jahr 2028 wachsen. Ob die Kindergrundsicherung aber
Anfang 2025 kommt, wie von Paus angestrebt, ist offen. Viele Fragen sind
noch ungeklärt, im Bundestag äußern die Koalitionsfraktionen SPD und FDP
erhebliche Vorbehalte. Auch Lindner zeigt sich weiter skeptisch.
Der aktuelle Gesetzentwurf zur Kindergrundsicherung werde „bei Weitem nicht
reichen, um alleinerziehende Familien aus der Armutsfalle zu befreien“,
meinen die Studienautorinnen. Als erster Schritt sei das Vorhaben wichtig
und werde die Situation von manchen Alleinerziehenden wohl verbessern.
Aber: Die Höhe – also die Existenzsicherung – müsse neu bestimmt werden,
was der aktuelle Gesetzentwurf nicht einlöse, kritisiert die Studie. Die
aktuellen finanziellen Leistungen reichten bei Weitem nicht aus.
Die Regelbedarfe müssten realistisch neu bestimmt und dabei Kinder und
Jugendliche einbezogen werden. Regelmäßige Befragungen zeigten einen sehr
reflektierten, kompetenten und verantwortungsvollen Umgang mit dieser
Thematik bei Heranwachsenden mit Armutserfahrungen, betont Expertin Stein.
Um befürchtete Verschlechterung für manche Alleinerziehenden zu vermeiden,
seien im Gesetzentwurf unter anderem Änderungen zu Unterhaltsregelungen
dringend geboten.
Wichtig aus Sicht der Stiftung auch: Es brauche für alle
Anspruchsberechtigten einheitlich eine zuständige Anlaufstelle mit
niedrigschwelliger Beratung aus einer Hand. Das sollten
Familienservicestellen sein, die zwar nicht sofort ab 2025 funktionsfähig
sein könnten, möglichst aber im Gesetz verankert und dann sukzessiv
aufgebaut werden sollten.
25 Jun 2024
## LINKS
[1] /6-Punkte-Plan-fuer-Alleinerziehende/!5994707
[2] /Buergergeld-fuer-Ukrainerinnen/!6015917
[3] /Gesetzentwurf-zur-Kindergrundsicherung/!6007595
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