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# taz.de -- Krieg in Nahost: Israel treibt Annexion voran
> Israels Finanzminister hat erklärt, die Kontrolle über das Westjordanland
> weiter festigen zu wollen. Peace Now bezeichnet das Vorhaben als
> Annexion.
Bild: Ein Mann trägt Unfallopfer unter dem Arm nach einem israelischen Angriff…
Berlin taz | Es ist ein Skandal, der angesichts des Krieges im
Gazastreifen unter dem Radar läuft: Auf einer Konferenz in einem illegalen
israelischen Außenposten im Westjordanland hat Israels rechtsextremer
Finanzminister Bezalel Smotrich erklärt, er arbeite daran, die Kontrolle
über das Westjordanland zu festigen, ohne offiziell von einer [1][Annexion
des Palästinensergebiets] zu sprechen. Man schaffe ein separates ziviles
System, um nach und nach Befugnisse vom Militär in die Hände von zivilen
Beamten zu legen. Smotrich verantwortet neben dem [2][Finanzressort auch
die zivilen Angelegenheiten] im von Israel besetzten Westjordanland.
Offiziell vertritt die Regierung die Position, dass das Westjordanland
vorläufig militärisch besetzt ist und der Status des Gebiets Gegenstand von
Verhandlungen sein muss. Auf der nun bekannt gewordenen Konferenz ist
deutlich geworden, dass dies nicht mehr Regierungslinie ist.
Ein Mitglied der israelischen Friedensorganisation Peace Now war bei der
Konferenz Anfang Juni anwesend. „Am Ende haben wir es so gemacht“, wird
Smotrich von Peace Now zitiert, „dass es politisch und rechtlich leichter
zu schlucken ist, damit man nicht sagt, dass wir eine Annexion vornehmen.“
Der legale Status des Landes sei nicht angetastet worden, um keinen
internationalen Aufruhr zu verursachen.
Die Regierung weiß, welchen Preis sie international für eine offizielle
Annexion zahlen würde, sagt Mauricio Lapchik von Peace Now gegenüber der
taz. „Wir werden wohl nie eine Pressekonferenz sehen, in der die Regierung
offiziell ankündigt, das Westjordanland zu annektieren.“ Mit der auf
Tonband mitgeschnittenen Konferenz sei man aber nah an eine solche
Pressekonferenz herangekommen.
## Verstoß gegen das Völkerrecht
Bereits vor mehr als einem Jahr hatte Smotrich Befugnisse in zivilen
Angelegenheiten in weiten Teilen des Westjordanlands erhalten. Seitdem hat
er weiter an der Demontage der militärisch kontrollierten Zivilverwaltung
gearbeitet. Menschenrechtsorganisationen betonen, dass dies gegen das
Völkerrecht verstößt. Ihre Argumentation: Laut internationalem
Besatzungsrecht hat die besetzende Armee das besetzte Gebiet zu verwalten,
was auch mit Pflichten einhergeht. Sie ist neben Sicherheitserwägungen
angehalten, die Interessen der besetzten Bevölkerung zu vertreten.
Smotrich sagte, die Pläne für das Westjordanland bestünden darin, die
Infrastruktur für Siedler auszubauen und Siedlungen und Außenposten in
Milliardenhöhe zu finanzieren. Das Budget sei bereits sichergestellt.
Außerdem präsentierte er Pläne, wie palästinensischer Wohnungsbau noch
effektiver verhindert werden kann. Diese Pläne werden laut Smotrich bald
dem Kabinett vorgelegt.
Derweil hat Israel die Kämpfe im Gazastreifen ausgeweitet. Augenzeugen
zufolge soll die Armee am Freitagnachmittag ein Zeltlager mit
Binnenflüchtlingen in der humanitären Zone [3][al-Mawasi] angegriffen
haben. Das Internationale Rote Kreuz hatte mitgeteilt, dass dabei auch das
Büro der Organisation beschädigt worden sei.
Großkalibrige Geschosse seien nur wenige Meter vom Büro entfernt gelandet.
Bei dem Angriff sollen mindesten 24 Menschen getötet worden seien. Die
Armee prüft eigenen Angaben zufolge den Vorfall. Einer ersten Untersuchung
zufolge gab es keinen direkten Angriff auf eine Einrichtung des Roten
Kreuzes.
## Von Kampfpausen nichts zu spüren
Außerdem sollen bei Luftangriffen auf Gaza-Stadt und Umgebung zahlreiche
Menschen getötet worden seien. Ein Angriff im Flüchtlingslager al-Schati
hat laut israelischem Armeesender auf Raed Saad abgezielt, einen Kommandeur
der Hamas. Ob er den Angriff überlebte, war zunächst unbekannt.
Die humanitäre Lage in Gaza ist desaströs. Israel hatte vor einer Woche
angekündigt, tägliche Kampfpausen einzurichten, um den Transport von
Hilfsgütern vom Grenzübergang Kerem Schalom bis zur Stadt Chan Junis zu
ermöglichen. Davon sei allerdings bislang so gut wie nichts zu spüren,
sagte die Exekutivdirektorin des Welternährungsprogramms (WFP), Cindy
McCain. Nicht nur Raketen des israelischen Militärs erschwerten die
Verteilung von Hilfe, die Hilfsgüter würden auch immer wieder abgefangen
und geplündert, heißt es aus UN-Kreisen.
23 Jun 2024
## LINKS
[1] /Vor-der-Wahl-in-Israel/!5664095
[2] /Israels-Finanzminister-Bezalel-Smotrich/!5915764
[3] /Krieg-im-Gazastreifen/!6007455
## AUTOREN
Judith Poppe
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