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# taz.de -- Landesministerin über Abtreibungen: „Stigma des Verbotenen“
> Die Ampel solle Vorschläge machen, um Abtreibungen außerhalb des
> Strafrechts zu regeln, sagt Sachsens Gleichstellungsministerin Katja
> Meier.
Bild: Sachsens Justizministerin Katja Meier
wochentaz: Frau Meier, im April erklärte die Expert*innenkommission
der Bundesregierung, ein grundsätzliches Abtreibungsverbot in den ersten 12
Wochen sei „nicht haltbar“. Nun hat sich die
Gleichstellungsminister*innenkonferenz damit befasst. Was haben
Sie beschlossen?
Katja Meier: Wir fordern Bundesregierung und Bundestag auf, konkrete
Vorschläge für eine Fristenlösung außerhalb des Strafrechts vorzulegen. Und
wir fordern ein Ende der Pflichtberatung und stattdessen das Recht auf
freiwillige und kostenfreie Beratung im Schwangerschaftskonflikt. Ich bin
sehr froh, dass wir eine solch einheitliche Position gefunden haben: 15 von
16 Ländern haben zugestimmt.
Wer hat dagegen gestimmt?
Zum genauen Abstimmungsverhalten äußern wir uns grundsätzlich nicht.
Warum haben Sie und Katharina Fegebank aus Hamburg den Antrag eingebracht?
Weil das Thema drängt. Die aktuelle Rechtslage führt dazu, dass die
Versorgung ungewollt Schwangerer nicht mehr gewährleistet ist. Es gibt
Regionen in Deutschland, wo überhaupt keine Ärzt*innen Abbrüche
durchführen. Dazu kommt, dass längst nicht alle Gynäkolog*innen den
Eingriff überhaupt in der Ausbildung lernen, und wenn dann oft nicht alle
Methoden. Dieser Zustand ist aus gesundheitlicher Sicht absolut zu
kritisieren und verletzt das Selbstbestimmungsrecht der Frauen. Die
Ergebnisse der Kommission haben viel mediale Beachtung gefunden, für uns
war aber nicht ganz klar: Was passiert jetzt damit? Uns war wichtig, der
Bundesregierung zu signalisieren: Wir als Länder wollen, dass es jetzt eine
Regelung außerhalb des Strafrechts gibt.
Sie haben eine ähnliche Initiative schon [1][auf der Konferenz der
Justizminister*innen eingebracht], dann aber nicht abstimmen lassen.
Wegen der anderen Mehrheiten?
Daran wird sichtbar, dass wir es hier mit einer Gleichstellungsfrage und
nicht mit einem Justizproblem zu tun haben. Wir haben dort noch keine
konkrete Entscheidung getroffen, unseren Vorschlag aber intensiv
diskutiert. Die Debatte dazu ist noch nicht zu Ende.
Die Ampel hat sehr verhalten auf die [2][Ergebnisse der Kommission]
reagiert: Man müsse das jetzt erst mal auswerten. Wie finden Sie das?
Dass man sich den sehr umfassenden Bericht hochrangiger
Wissenschaftlerinnen sorgfältig anschauen muss, ist völlig
selbstverständlich und richtig. Man darf es aber nicht auf die lange Bank
schieben. Wir sind es den Frauen schuldig, auch tatsächlich tätig zu
werden.
Das Recht auf körperliche Selbstbestimmung ist gerade für die Grünen ein
Kernthema. Warum zögert auch Ihre Partei?
Die Grünen sind auch aus der Frauenbewegung entstanden. Uns ist wichtig,
dass eine Lösung gefunden wird. Die Frage ist: Schafft die Bundesregierung
es aus sich heraus, einen Vorschlag vorzulegen? Wir haben ja gehört, wie
die FDP sich geäußert hat. Falls nein, könnte ein Vorschlag auch aus dem
Bundestag kommen.
Falls die Bundesregierung sich nicht rührt, dann bringt die Grünen-Fraktion
einen Vorschlag ein?
Die Diskussion zu dieser Frage läuft.
Sie haben die FDP angesprochen. Der Bundesjustizminister hat gesagt, man
brauche gerade keine Debatten, „die die Gesellschaft in Flammen setzen“.
Auch die Union prophezeit eine Spaltung der Gesellschaft.
Mit Verlaub: Wo nehmen sie das her? Aktuellen Umfragen zufolge sind über 70
Prozent der Bevölkerung für eine Regelung außerhalb des Strafrechts. Im
Osten sogar noch mehr – da gab es zu DDR-Zeiten die Fristenregelung ja
schon. [3][Es gibt eine gesellschaftliche Mehrheit.] Ich höre oft, der
Konflikt sei doch mit der aktuellen Regelung befriedet. Das ist er nur für
jene, die das Thema nicht betrifft – nämlich für Männer.
Inwiefern?
Frauen wird der Zugang zu Abbrüchen durch viele Hürden erschwert. Sie
müssen einen Termin bei der Pflichtberatung bekommen, die drei Tage
Wartefrist abwarten und dann bei der schwierigen Versorgungslage
rechtzeitig einen Arzttermin bekommen. Und das alles unter dem Stigma des
Verbotenen. Auch für Ärzt*innen ist es eine große Belastung, immer in der
Nähe des Strafrechts zu agieren und dazu den Belästigungen von
Abtreibungsgegner*innen ausgesetzt zu sein. Es gibt kein Gesetz, das
auch nur annähernd ähnlich in den Körper von Männern eingreift.
Sie regieren in Sachsen in einer schwarz-grün-roten Koalition. Wie findet
die CDU das eigentlich?
Wir sind auf den Ministerkonferenzen frei darin, wie wir agieren und was
wir einbringen. Das handhaben die CDU-Kolleg*innen nicht anders.
14 Jun 2024
## LINKS
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[3] /Umfrage-zu-Abtreibungen-in-Deutschland/!6004352
## AUTOREN
Dinah Riese
## TAGS
Katja Meier
Schwerpunkt Abtreibung
Paragraf 218
Ampel-Koalition
wochentaz
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Katholische Kirche
Schwerpunkt Abtreibung
Polen
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