# taz.de -- Debatte um Zentral- und Landesbibliothek: Zielloses Zeitverplempern | |
> CDU-Kultursenator Joe Chialo hält eisern an der Idee fest, das Gebäude | |
> der Galeries Lafayette für die ZLB anzukaufen. Er verschwendet seine | |
> Zeit. | |
Bild: Ende eines Luxuskaufhauses: Die Galeries Lafayette an der trostlosen Frie… | |
Wer dachte, die „Jahrhundertchance“ für Berlins Zentral- und | |
Landesbibliothek (ZLB) sei längst begraben, wurde jetzt durch Kultursenator | |
Joe Chialo eines Besseren belehrt. Kein Geld? Kein Problem. Wie der | |
CDU-Politiker im Abgeordnetenhaus erklärte, setzt er bei der Suche nach | |
einem neuen Super-Standort für die ZLB einfach weiter auf die tot geglaubte | |
Idee, mit den aus allen Nähten platzenden Dependancen in Mitte und | |
Kreuzberg in das demnächst leerstehende Luxuskaufhaus Galeries Lafayette an | |
der Friedrichstraße zu ziehen. | |
Bereits im August vergangenen Jahres hatte Chialo dafür geworben, die ZLB | |
in dem 1996 eröffneten und seit langem darbenden Konsumtempel | |
unterzubringen. [1][Die Bibliotheksszene war elektrisiert.] Im Gegensatz zu | |
den Haushaltspolitiker:innen, denen sich bei dem vom Eigentümer des | |
Gebäudes aufgerufenen [2][Kaufpreis von fast 600 Millionen Euro] der Magen | |
umdrehte. Letztere setzten sich durch. Chialos | |
Lafayette-Wiederverwertungs-Plan findet sich mit keiner Zeile im wenige | |
Monate darauf verabschiedeten Doppelhaushalt 2024/2025. | |
Der Eigentümer will zwar immer noch fast 600 Millionen sehen oder ansonsten | |
das Kauf- in ein Bürohaus umbauen lassen. Dafür zauberte die | |
Kulturverwaltung nun [3][neue und, so Chialo, „kreative“ | |
Finanzierungsideen] aus dem Hut: Die ZLB zieht ins Lafayette, vermietet | |
aber zwei der sieben Etagen an die vom Bund finanzierte Staatsbibliothek. | |
Die nutzt die ehemaligen Kaufhausstockwerke während der geschätzt bis zu 15 | |
Jahre dauernden Sanierung ihres Haus 2 an der Potsdamer Straße – und über | |
die Mieteinnahmen kann das Land Berlin wiederum den Kauf des Gebäudes | |
irgendwie mitstemmen. | |
Es klingt alles so vernünftig und einfach. Aber wie das so ist mit dem | |
Vernünftigen und Einfachen: Es ist schwer zu machen. In dem Fall tendieren | |
die Chancen für Chialos Jahrhundertchance wie im vergangenen Jahr | |
allerdings auch jetzt wieder gegen Null. | |
## Wenig Begeisterung bei Staatsbibliothek und SPD | |
Da ist zunächst die Staatsbibliothek als Einrichtung der Stiftung | |
Preußischer Kulturbesitz und damit des Bundes. Richtig ist, dass deren 1978 | |
fertiggestellter Standort an der Potsdamer Straße, der prosaisch Haus 2 | |
genannte Scharoun-Bau, zwar seit Jahren ebenso dringend wie aufwendig | |
saniert werden muss. Allerdings gibt es hierfür bislang weder eine | |
offizielle Kostenprognose noch einen verlässlichen Zeitplan. | |
Und dann ist da der Koalitionspartner SPD. Schon beim ersten öffentlichen | |
Vorstoß Chialos vor neun Monaten erklärten die Sozialdemokrat:innen | |
hinterher, [4][dass sie erstens nichts davon wussten und zweitens nichts | |
davon hielten]. Das wiederholten sie nun. Die kulturpolitische Sprecherin | |
der SPD-Fraktion sprach erneut von „einer charmanten Lösung“, um dann | |
hinzuzufügen, dass ihr aber „wirklich die Phantasie“ fehle, „wo wir das | |
Geld hernehmen wollen“. | |
Was in der Begeisterung über Chialos neue Kreativität tatsächlich | |
unterschlagen wird: Der Bund würde mit seinen Mietzahlungen für die zwei | |
Etagen allenfalls einen Teil zur Finanzierung des Lafayette-Ankaufs | |
beitragen. Vor allem aber dürfte er versucht sein, die Kosten möglichst | |
weit zu drücken. Das eigene Großprojekt wird genug verschlingen. | |
Zu den Avancen des Kultursenators ließ die Stiftung Preußischer | |
Kulturbesitz dann auch kühl mitteilen, dass die Prüfung eines geeigneten | |
Standorts für eine Interimslösung während der Grundinstandhaltung des Haus | |
2 „noch nicht abgeschlossen“ sei. Begeisterung klingt anders. | |
Selbst wenn der Bund mitspielt: Den Rest des Kaufbetrags für das | |
Lafayette-Gebäude müsste Berlin weiterhin allein tragen. Schon kursieren | |
Vorschläge, das ebenfalls sanierungsbedürftige ZLB-Haus an der Breiten | |
Straße in Mitte an einen Immobilieninvestor zu verscherbeln. Auch von | |
Sponsoring ist die Rede. Na dann, herzlich Willkommen in der | |
Zalando-Zentral- und Uber-eats-Landesbibliothek an der Friedrichstraße! | |
## Das Projekt am Blücherplatz | |
So wird ziellos Zeit verplempert, während die eigentlichen Pläne für einen | |
neuen Zentralstandort am Kreuzberger Blücherplatz neben der | |
Amerika-Gedenkbibliothek in der Ecke verschimmeln. Zur Erinnerung: Es gibt | |
Machbarkeitsstudien von 2015, Wirtschaftlichkeitsstudien von 2016, | |
[5][einen Senatsbeschluss von 2018], schließlich 2019 noch ein | |
Dialogverfahren. Grünes Licht allerorten. Trotzdem ruht seit Jahren still | |
die See. | |
Auch das ist zu nicht unwesentlichen Teilen der SPD und der von ihr seit | |
2021 (wieder) geführten Senatsbauverwaltung zu verdanken. In regelmäßigen | |
Abständen ventilieren die Sozialdemokrat:innen neue alte | |
Monsterbau-Ideen. Mal [6][soll die ZLB ins Tempelhofer Ex-Flughafengebäude | |
ziehen], mal ins ICC. Beide sind baulich wie bibliotheksfachlich zwar | |
gänzlich ungeeignet. Aber egal. Sie stehen nun mal da und weitgehend leer | |
und gehören dem Land. | |
Das Projekt am Blücherplatz wird in der Zwischenzeit auch durch die | |
generellen Baukostensteigerungen teurer und teurer. Schon 2022 waren aus | |
ursprünglich 350 Millionen fast 500 Millionen Euro geworden, mittlerweile | |
sind es über 600 Millionen. Wenn Chialo jetzt sagt, jeglicher Um- oder | |
Neubau werde „teurer als das Angebot, was wir jetzt anpeilen“, trifft das | |
nach Jahren des Nichtstuns leider zu. Dass der Neubau dereinst nur über | |
Kredite zu finanzieren sein wird, ist klar. Es ist aber allemal besser als | |
der Verkauf landeseigener Liegenschaften. | |
Um nicht falsch verstanden zu werden: Die Nachnutzung aus der Zeit | |
gefallener Kaufhäuser als Orte nichtkommerziellen Gemeinwohls ist unbedingt | |
zu begrüßen, allein unter ökologischen Gesichtspunkten. Und, ja, es wäre | |
überaus hübsch, wenn die ZLB in die Galeries Lafayette einzöge. Nur ist das | |
angesichts der aktuellen Berliner Kassenlage und der sozialdemokratischen | |
Blockadehaltung wenig realistisch. Doch genau das ist es, was die ZLB | |
braucht: eine realistische, eine echte Perspektive. Und die liegt am | |
Blücherplatz. | |
1 Jun 2024 | |
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## AUTOREN | |
Rainer Rutz | |
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