# taz.de -- Sicherheit in der Berliner U-Bahn: Bitte vorsichtig wischen | |
> Falsch ist das BVG-Projekt „Reinigungsstreife“ im Prinzip nicht – aber … | |
> birgt Gefahren. Und ob es bezahlbar ist, weiß niemand genau. | |
Bild: Auch hier wird jetzt mit neuen Besen gekehrt: U-Bahnhof Hermannplatz der … | |
Na, sauber: Die BVG hat mit großem Rückhalt aus dem Senat [1][den Fahrplan | |
für ihr Projekt „Reinigungsstreife“ ausgeweitet]. Die dreimonatige | |
Pilotphase auf dem südlichen Abschnitt der U8 in Neukölln, Kreuzberg und | |
Mitte wird erstens um ein halbes Jahr und zweitens bis zur Endstation | |
Wittenau verlängert. Auf der gesamten Linie werden jetzt also die | |
Bahnsteige regelmäßig nass gewischt, und zusätzliches Security-Personal | |
wird DrogenuserInnen oder Obdachlose vom Bahnsteig komplimentieren. | |
Das Ganze als hohle schwarz-rote Wohlfühlshow abzutun, wäre falsch, auch | |
wenn die Interpretation schnell bei der Hand sein mag. Denn, das vorweg, | |
der Regierende Bürgermeister hat Recht, wenn er sagt, dass die | |
Mobilitätswende nicht gelingen kann, solange nicht alle – oder zumindest | |
noch viel mehr Menschen als heute – die öffentlichen Verkehrsmittel gerne | |
benutzen. | |
Fahrrad hin oder her, der ÖPNV ist das Rückgrat des sogenannten | |
Umweltverbunds, also der Verkehrsträger jenseits des privaten Autos. Er | |
befördert die Massen (einigermaßen) zuverlässig bei (fast) jedem Wetter und | |
zu (aktuell mal wieder) moderaten Preisen, im Idealfall schnell und auch | |
über weitere Strecken. Aber die Fahrt in Bus und Bahn muss auch komfortabel | |
und angenehm genug sein, um Leute aus dem bequemen Autositz zu locken. | |
Und dabei geht es eben nicht nur um harte Statistiken, wie oft Fahrgäste | |
tatsächlich Opfer von größeren oder kleineren Verbrechen im U-Bahnhof | |
werden. Es geht um das Gefühl, sich dort zu jeder Tageszeit sicher zu | |
bewegen, aber auch etwa darum, einen Sitzplatz auf dem Bahnsteig zu finden, | |
der nicht gerade als Schlafplatz oder für ein Trinkgelage herhalten muss. | |
Und [2][vor dem Einsteigen erst mal über Müll steigen zu müssen], macht die | |
Untergrundbahn auch nicht gerade zum Verkehrsmittel der Wahl für Newcomer. | |
## Klima der Angst? | |
Gleichzeitig ist zu hoffen, dass die Verkehrsbetriebe ihr Versprechen | |
halten, zusammen mit Sozialdiensten und anderen AkteurInnen dafür zu | |
sorgen, dass die Verdrängung von Menschen aus den unterirdischen Anlagen | |
keine Härten erzeugt. [3][Seit Beginn der Pilotphase gab es Kritik von | |
Verbänden], die Gruppe „Ihr seid keine Sicherheit“ protestierte auch | |
anlässlich der Zwischenbilanz am Donnerstag: Wohnungslose würden eines | |
Schutzraums beraubt, das Sicherheitspersonal erzeuge eher ein Klima der | |
Angst als der Sicherheit. | |
Von den Sozialpartnern der BVG kommen beruhigende Signale – man fange die | |
vom Bahnhof oder aus dem Zug Vertriebenen durchaus auf und helfe ihnen | |
dabei, Einrichtungen ansteuern, wo sie Essen, einen Schlafplatz oder | |
Beratung erhalten. Auch werde man das eingesetzte Personal schulen, damit | |
der Umgang menschlich bleibt. Das wird man auf jeden Fall genau beobachten | |
müssen. Zumal auch brav zahlende NutzerInnen aggressiv auftretende | |
Security-Patrouillen abschreckend finden. | |
Angesichts der ungetrübten Freude der Politik ob des Erfolgs stellen sich | |
natürlich auch noch weitere Fragen: zum Beispiel, was das Ganze kostet, und | |
ob die Mittel für das große Sicher und Sauber nicht anderswo fehlen werden. | |
Erstaunlicherweise ließ man das Thema bei der Vorstellung der | |
Ausweitungspläne einfach unter den Tisch fallen. | |
Außerdem: Wenn das Projekt auf der U8 eine gute Sache ist, wie will die BVG | |
begründen, dass es nicht auf ihr gesamtes Netz ausgeweitet wird? So groß | |
sind die Unterschiede zwischen den Innenstadtlinien dann auch wieder nicht, | |
und warum nur die Fahrgäste zwischen Hermannstraße und Wittenau von der | |
Maßnahme profitieren lassen? Wahrscheinlich ließe es sich eben beim besten | |
Willen nicht bezahlen und die BVG hofft wenigstens auf eine Art | |
Leuchtturmeffekt. | |
Sauber und Sicher gibt’s eben nicht umsonst. Letztendlich wird jetzt auch | |
nur versucht, den Schaden wiedergutzumachen, der durch die Abschaffung des | |
Bahnhofspersonals rund um die Jahrtausendwende entstanden ist. Ausnehmend | |
freundlich waren die AbfertigerInnen („Zurückbleiben hab ick jesacht!“) | |
zwar nicht, aber ihre Präsenz garantierte gewisse Standards, die man nun | |
auf Umwegen mühsam wiederherzustellen versucht. | |
1 Jun 2024 | |
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## AUTOREN | |
Claudius Prößer | |
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