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# taz.de -- Neukölln-Untersuchungsausschuss: Keine Akten für Aufklärung?
> Der parlamentarische Untersuchungsausschuss zum rechtsextremen
> Neukölln-Komplex klagt nun auf die Freigabe von Ermittlungsakten. Die
> Zeit drängt.
Bild: Linken-Politiker Ferat Kocak bei einer Demonstration anlässlich der Sitz…
Berlin taz | Der [1][Neukölln-Untersuchungssauschuss] des
Abgeordnetenhauses erwägt eine Klage, weil die Berliner Justiz Ermittlungs-
und Gerichtsakten den Ausschussmitgliedern vorenthält. Am Freitag
bestätigte der Ausschussvorsitzende Vasili Franco einen entsprechenden
Bericht des Tagesspiegel. Die Abgeordneten hätten einstimmig einer Klage
zugestimmt, um an die Akten zu kommen, so der Grünen-Politiker.
Bei den geforderten Unterlagen handelt es sich um Dokumente zu dem Prozess
gegen die Neonazis Sebastian T. und Tilo P. Die beiden stehen im Verdacht,
Anfang 2018 das Auto des [2][Linken-Politikers Ferat Koçak] und das eines
Rudower Buchhändlers in Brand gesetzt zu haben. Wegen Mangels an Beweisen
wurden sie zunächst freigesprochen. Die Generalstaatsanwaltschaft legte
allerdings Berufung ein, der Fall geht in die nächste Runde.
Die zwei Brandstiftungen gehören zu den seit 2013 bisher gezählten 72
Fällen einer rechtsextremen Anschlagsserie in Neukölln. Wie diese gelten
auch viele andere Attacken im Zusammenhang mit dem Neukölln-Komplex noch
immer als unaufgeklärt.
Aufgabe des Untersuchungsausschusses ist es, sich diese Fälle noch einmal
genau vorzunehmen. Vor allem aber beschäftigt er sich mit der Frage, was
bei den Ermittlungen schief gelaufen ist. Mehrfach betonten Ausschusschef
Vasili Franco und andere Abgeordnete am Freitag die Relevanz der Akten,
ohne die der Ausschuss seiner Arbeit nicht nachgehen könne.
## Unterlagen von Landgericht verwehrt
Schon im Februar hatten die Ausschussmitglieder um Einsicht in die
Unterlagen zu Sebastian T. und Tilo P. gebeten, das Landgericht Berlin
blockte ab. Begründung: Die Untersuchung im Rahmen des Strafverfahrens
würde noch laufen, man habe Sorge, dass sie durch eine Aufarbeitung im
Ausschuss gestört werden könnte oder Erkenntnisse zu früh an die
Öffentlichkeit geraten.
Grünen-Politiker Franco sagte nun, dass er die Vorsicht nachvollziehen
könne, man habe aber überhaupt nicht vor, sich in die Ermittlungen
einzumischen. Ein Untersuchungsausschuss sei schließlich genau das: ein
Ausschuss und kein Gericht. Ziel sei lediglich die politische Betrachtung
und die Untersuchung des Handelns der Behörden.
Die Klage sei für den Ausschuss der „letzte Ausweg“ und ein „schwieriger
Schritt“, sagte auch der CDU-Abgeordnete Stephan Standfuß. Man habe in den
vergangenen Monaten alles andere versucht, ohne Erfolg.
Der innenpolitische Sprecher der Linksfraktion, Niklas Schrader, stellte
schließlich die Frage in den Raum, ob die Justiz den Ausschuss als
Störfaktor wahrnehme oder als demokratisch legitimiertes Gremium. Für
Schrader steht fest: „Wir sind es den Betroffenen der Neuköllner
Anschlagsserie schuldig, alles bei der Aufklärung zu machen, was wir
können.“
## Der Fall Luke Holland
Einer der Betroffenen saß am Freitag im Abgeordnetenhaus im Publikum:
Philip Holland, der Vater von Luke Holland, aus Manchester angereist. Sein
Sohn wurde am 20. September 2015 in Neukölln ermordet. Der Ausschuss
befragte nun Zeug:innen zu dem [3][Mord.]
Die Richter:innen waren sich 2016 sicher, dass es Rolf Z. war, der aus
nächster Nähe auf Luke Holland schoss, und verurteilten den damals
63-Jährigen zu über elf Jahren Haft. Nur ein rechtes oder rassistisches
Mordmotiv wollten sie nicht erkennen – trotz fremdenfeindlicher Aussagen
und Nazi-Devotionalien in Z.s Wohnung.
Onur Özata, der Opferanwalt der Familie Holland, der am Vormittag als Zeuge
auftrat, sprach von einer Entpolitisierung bei den Untersuchungen zu dem
Mord. Die zeigen letztlich viele Ähnlichkeiten mit dem [4][Fall Burak
Bektaş,] den der Untersuchungsausschuss vor zwei Wochen behandelte.
Philip Holland erwähnte am Rande der Ausschusssitzung gegenüber der taz,
dass ihm das große Ausmaß des Neukölln-Ausschusses und die Hindernisse, die
den Abgeordneten bei ihrer Arbeit in den Weg gelegt werden, vorher nicht
bewusst waren.
Der Ausschuss muss seine Arbeit bis zum Ende der Legislaturperiode beenden.
Auch deshalb beharren Vasili Franco und seine Kolleg:innen auf einer
schnellen Herausgabe der Akten. Die Zeit rennt.
31 May 2024
## LINKS
[1] /Neukoelln-Untersuchungsausschuss/!5998562
[2] /Brandstiftungen-in-Neukoelln/!5929079
[3] /Urteil-im-Mordfall-Luke-Holland/!5317573
[4] /Neukoelln-Untersuchungsausschuss/!6011179
## AUTOREN
Luise Greve
## TAGS
Rechter Terror in Berlin-Neukölln
Rechtsextremismus
Abgeordnetenhaus
Untersuchungsausschuss
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Neukölln
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Burak B.
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