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# taz.de -- Rechte in Rumänien: In Tarnuniform und hoch zu Ross
> Anwältin Diana Iovanovici-Șoșoacă von der rechtsradikalen Partei S.O.S.
> Rumänien könnte ein EU-Mandat erringen. Chancen hat auch die
> rechtslastige AUR.
Bild: Wahlwerbung für Diana Iovanovici-Șoșoacă
Berlin taz | „Șoșoacă kommt und trocknet die Kloake aus.“ So lautet die
Botschaft in einem vor fünf Tagen veröffentlichten Musikvideo der
rumänischen Sängerin Loulou. Rund 170.000 Fans riefen kurz darauf das
Wahlwerbevideo für Diana Iovanovici-Șoșoacă (49) auf Youtube auf. Șoșoacă
kandidiert für ein Mandat im Europaparlament und parallel dazu auch für das
Oberbürgermeisteramt in Bukarest.
Am Ende des auch in sozialen Netzwerken verbreiteten Videos taucht Şoşoacă
mit der Sängerin auf. Beide in militärischer Tarnuniform und martialisch
hoch zu Ross. Als Chefin der rechtsradikalen, homofeindlichen und
euroskeptischen Partei S.O.S. Rumänien richtet sich Şoşoacă dann direkt an
ihre Wähler: „Bis hierher! So geht es nicht mehr weiter! Es reicht!“
Die Rechtsanwältin Diana Iovanovici-Șoșoacă sitzt seit 2020 als Senatorin
im Oberhaus des rumänischen Parlaments. Das Mandat erhielt sie als
Kandidaten der rechtsextremen Allianz für die Vereinigung der Rumänen
(AUR). Wegen ihrer rowdyhaften öffentlichen Auftritte wurde sie 2021 aus
der AUR ausgeschlossen. Eine neue politische Heimat fand die militante
Impfgegnerin danach in der ultrakonservativen, autoritären und
europafeindlichen Partei S.O.S. Rumänien. Kurz darauf wurde sie auch
Parteichefin.
Unterstützt wird Şoşoacă von rechtsextremen Internetpublikationen, die
insbesondere i[1][hre antisemitischen Skandalauftritte] verbreiten und
für ihre Wahl als EU-Abgeordnete werben. Eine im Parlament gehaltenen Rede,
in der sie Mitte Mai von einer jüdisch-bolschewistischen Diktatur sprach
und den Holocaust leugnete, fand großen Anklang in rechtsextremistischen
Kreisen, die sich zusehends von der AUR-Partei distanzieren.
## Geil auf die Macht
Gegen die AUR wurde der Vorwurf erhoben, sie sei zu israelfreundlich, habe
aus Machtgeilheit den rumänischen Patriotismus verraten und wolle sich
jetzt den EU-Bürokraten und Globalisten anbiedern.
Beide rechtsradikalen Parteien, sowohl die S.O.S. Rumänien als auch die
AUR, haben gute Chancen, Vertreter ins EU-Parlament zu schicken. Alle
Umfragen der letzten Monate bestätigen, dass die AUR zur zweitstärksten
Partei aufgestiegen ist und mit etwa 20 Prozent gleich hinter dem
derzeitigen Regierungsbündnis aus Sozialdemokraten (PSD) und Liberalen
(PNL) liegt.
Auch in den Umfragen [2][für die im Herbst stattfindenden Präsidentschafts-
und Parlamentswahlen] befinden sich die beiden rechtsradikalen
Konkurrenzparteien im Aufwind. Für einen Präsidentschaftskandidaten der AUR
würden 13,5 Prozent der Wählerschaft stimmen, für Şoşoacă 11,5 Prozent. D…
Sozialdemokraten kämen auf 13,5, die Liberalen auf 11,5 Prozent.
Inzwischen nimmt der Wahlkampf an Fahrt auf. Mit populistischen und
aggressiv nationalistischen Parolen versucht die AUR-Partei dem Publikum
all jene Themen schmackhaft zu machen, die auch im Repertoire anderer
ultrarechter europäischer Parteien zu finden sind.
## Auf Betteltour
„Rumänien ist ein Land, das bettelnd, mit dem Hut in der Hand, vor den
internationalen Konzernen und der EU steht. Die Rumänen können am 9. Juni
zwischen Vasallentum und Souveränität wählen“, heißt es in einer Botschaft
der AUR-Kandidatin Mara Nicolescu.
Claudiu Târziu, der als einer der Ideologen der AUR gilt, tingelt in diesen
Tagen durchs Land mit der Aufforderung, den derzeitigen „selbstmörderischen
Kurs Rumäniens zu ändern“ und „den Weg des Lebens und der Entwicklung
einzuschlagen“. Gleichzeitig verspricht er, nach den EU-Wahlen zwei von der
AUR initiierte Volksbefragungsprojekte voranzutreiben.
Eines davon bezieht sich auf die Verankerung in die Verfassung der
sogenannten traditionellen Familie, bestehend aus Mann und Frau. In einem
weiteren Referendum soll über „das Recht auf Bargeldzahlung“ abgestimmt
werden, das dann ebenfalls in die Verfassung aufgenommen werden soll.
Mit dem letzten Vorschlag folgt die AUR dem Modell der Freiheitlichen
Partei Österreichs (FPÖ). Zwischen den beiden Parteien hatte es bereits
Anfang April so genannte Arbeitskontakte gegeben. Den spröden
Pressemitteilungen der AUR war zu entnehmen, dass es dabei auch um die
Auslotung der Möglichkeiten zur effizienten Bekämpfung der Migrationsströme
und den Schutz der EU-Außengrenzen gegangen sei.
## Striktes Abtreibungsverbot
Die programmatischen Wahlkampfreden der AUR und die im Internet
verbreiteten Appelle an die Wähler sind von christlich-fundamentalistischen
Argumenten geprägt. Diese zielen darauf ab, nicht nur in Rumänien, sondern
auch auf europäischer Ebene ein Abtreibungsverbot durchzusetzen.
Einer der AUR-Kandidaten, Mihail Neamţu, ein bekennender Anhänger von
Ex-US-Präsident Trump und selbsternannter Kämpfer gegen den „Neomarxismus�…
erklärte in einem Interview, er werde nach seinem Einzug ins EU-Parlament
als ersten Redebeitrag das orthodoxe Glaubensbekenntnis vortragen. Damit
wolle er an die christliche Tradition Europas erinnern, für deren Erhalt er
sich als Abgeordneter einsetzen werde.
3 Jun 2024
## LINKS
[1] /Antisemitismus-in-Rumaenien/!5832336
[2] /Superwahljahr-in-Rumaenien-2024/!5971134
## AUTOREN
William Totok
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