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# taz.de -- Die Partei Volt vor der Wahl: Eis am Stiel für die EU
> Die junge Partei Volt will wieder ins EU-Parlament einziehen. Während
> andere Parteien nationale Interessen bedienen, setzt sie allein auf
> Europa.
Bild: Lila Laune-Wahlkampf: Volt wirbt in Berlin um Stimmen
Berlin taz | Runde, lila Ballons schweben über der Menge. „Für mehr Eis“,
ist darauf zu lesen. Befestigt sind sie passenderweise an einem Eisstand
der [1][Partei Volt], die an dem vergangenen Freitag zum Klimastreik in
Berlin Wahlkampf machte. Ganz ohne Parteilogo und Flyer. Stattdessen
verteilen die beiden deutschen Spitzenkandidat*innen Damian
Boeselager und Nela Rhiel kostenloses Eis.
Für ein Gespräch bleiben die oftmals sehr jungen Demoteilnehmer*innen
selten stehen. Nur ab und zu kommt es zu einem Austausch. Der 38-jährige
Boeselager erzählt dann von seiner Zeit im EU-Parlament. 2019 hatte er es
nach Brüssel geschafft – als einziger Spitzenkandidat eines nationalen
Ablegers der Partei. Diesmal soll mit Nela Rhiel, einer 38-jährigen
Lehrerin aus Hamburg, eine zweite Abgeordnete für Volt Deutschland ins
EU-Parlament einziehen.
Die Partei, 2018 gegründet, ist längst mehr als ein proeuropäisches
Gedankenspiel. 0,7 Prozent holte Volt Deutschland bei der Europawahl 2019.
Seitdem eroberten sie Sitze bei Kommunalwahlen in Italien und Deutschland
und bei nationalen Wahlen in den Niederlanden und Bulgarien.
Ihr großes Ziel für die Europawahl ist nun eine eigene Fraktion im
Parlament. Sie treten in insgesamt 14 Ländern mit nationalen Ablegern an.
Eine gemeinsame, europäische Wahlliste, wie sie von Volt gefordert wird,
ist gesetzlich nicht möglich. Doch wie erfolgreich kann Volt in Europa
werden?
## Junge Wähler*innen gesucht
Die junge Partei, das Mitgliedsalter liegt bei Mitte 30, hofft besonders
bei jüngeren Wähler*innen mit ihrem Programm zu überzeugen. Sie
präsentiert sich sozialliberal und progressiv, setzt sich für einen
EU-weiten Kohleausstieg bis 2030, die Legalisierung von Seenotrettung und
Arbeitsmigration ein. „Unser und auch mein großes Ziel im Parlament bleibt
aber die Reform der EU“, sagt der ehemalige McKinsey-Mitarbeiter
Boeselager.
Der Traum: Europa als ein Staat, ganz ohne Vetorecht der Mitglieder. „Wenn
einzelne Staaten wichtige Gesetze blockieren, dann kommen wir nicht weiter.
Es ist an der Zeit die EU zu reformieren“, sagt er. Die wichtigsten
Entscheidungen, auch für Deutschland, würden in der EU getroffen werden:
das Lieferkettengesetz, der Digital Service Act oder Verteidigungsfragen.
Deshalb will Volt den Fokus auf die Idee eines wirklich gemeinsamen Europas
legen.
Einen gemeinsamen Nenner mit allen nationalen Ablegern der Partei zu
finden, sei nicht immer einfach, gibt Boeselager zu. In einem internen Chat
tausche man sich über die gemeinsame Parteiarbeit aus und koordiniere die
vielen Ableger in Europa. Doch erst im Frühjahr musste Volt lernen, dass
eine gemeinsame europäische Idee nicht immer reicht.
Nach Debatten über den Nahost-Konflikt verließen drei deutsche
Volt-Mitglieder die Partei. „Es haben sich Personen unwohl gefühlt und wir
haben nicht schnell genug mit einer Moderation des Gesprächs reagiert“,
gibt Boeselager zu. Weitere Fälle habe es bisher nicht gegeben.
## Progressiv statt links
Um alle Parteimitgleider von Zypern bis zur Niederlande unter einem Dach zu
vereinen, hat sich Volt auch nicht klar zwischen rechts und links
definiert. „Progressiv sein kann in jedem Land etwas anderes heißen. Daher
haben wir uns lieber auf Themen als auf politische Einordnungen
konzentriert“, sagt Boeselager.
Bei den Demonstrierenden, die sich ein Eis abholen, kommt diese Idee nur
bedingt an. Volt kenne man vom Wahl-o-mat oder aus Referaten in der Schule,
erzählen sie. „Ich bin mir nicht ganz sicher, wofür die Partei noch steht.
Auf ihren Plakaten werben Sie für Klimaschutz, man hört aber auch
wirtschaftsliberale Positionen“, erzählt eine Studentin. Wählen will sie
die Partei nicht.
Die lila Plakate mit Slogans wie „Für mehr Eis“ oder „Sei kein Arschloch…
oftmals unter Afd-Plakaten angebracht, blenden ihre proeuropäische
Grundidee oftmals aus, sagt Wolfgang Schroeder, Politikwissenschaftler an
der Uni Kassel. „Volt versteht sich als kosmopolitische Partei, die
zukunftsorientiert agiert. Doch sie löst sich im nationalen Wahlkampf von
dieser Idee.“
## Nicht mehr als eine Kleinstpartei
In Zeiten, in denen nationale Interessen und nationalistische Parteien
erstarken, sei es wünschenswert, dass es Parteien gebe, die diesen genau
diesen Nationalismus kritisieren. Wohl um ein jüngeres Publikum zu
erreichen, setze die sonst eher elitäre Partei auf einfache Ansprachen.
Für Schroeder bleibt Volt eine Kleinstpartei. „Die breite Masse spricht
eine Pro-Europa-Partei nicht an. Etablierte Parteien müssen auch die
nationalen Bedürfnisse ihrer Wähler ansprechen. Es ist ein Privileg von
einer kleinen Partei, sich ausdrücklich auf europäische Interessen zu
fokussieren.“
6 Jun 2024
## LINKS
[1] /Partei-Volt/!t5665422
## AUTOREN
Anastasia Zejneli
## TAGS
Schwerpunkt Europawahl
Partei Volt
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