# taz.de -- Debatte um TU-Präsidentin: Kein weißer Rauch in Sicht | |
> Die Gremien der Technischen Universität Berlin sollen die Zukunft von | |
> Präsidentin Rauch klären. Studierende erklären sich für sie. | |
Bild: Steht wegen einiger X-Likes in der Kritik: TU-Präsidentin Geraldine Rauch | |
BERLIN taz | Ist Geraldine Rauch, die erste Frau an der Spitze der | |
Technischen Universität (TU), wegen ihres Verhaltens auf Social Media als | |
Präsidentin untragbar geworden? Vor der Sitzung des Akademischen Senats, | |
einer Art Hochschulparlament, der an diesem Mittwoch mit | |
Zweidrittelmehrheit einen Abwahlprozess in Gang setzen könnte, gehen die | |
Meinungen dazu weiter stark auseinander. Auf der einen Seite gibt es | |
unvermindert starken Druck, Rauch zu entlassen – auf der anderen aber auch | |
Unterstützung für sie, vor allem innerhalb der Hochschule. | |
So wurde am Montag eine Erklärung von 129 Beschäftigten der TU öffentlich, | |
die die „Anfeindungen“ gegen Rauch „unverhältnismäßig“ nennt. Ihr Ve… | |
in den letzten Monaten zeige, „dass wohlüberlegtes Handeln auch bei sehr | |
sensiblen Themen möglich ist“, loben die Unterzeichner. Man begrüße Rauchs | |
Stellungnahme zu den von ihr gelikten Posts, dies könne jedoch nur der | |
Anfang eines Aufarbeitungsprozesses sein, für den die Universität als | |
„wichtiger Diskursraum“ der richtige Ort sei. Rein zahlenmäßig stellt die… | |
Gruppe weniger als zwei Prozent der TU-Mitarbeiterschaft dar. | |
[1][Vor einer Woche] war durch einen Bericht der Jüdischen Allgemeinen ans | |
Licht gekommen, dass Rauch auf ihrem privaten, inzwischen deaktivierten | |
X-Account Beiträge geliked hat, die teils antisemitische Inhalte | |
verbreiten. Problematisch ist vor allem ein Post, der Demonstrierende in | |
der Türkei mit einem Transparent zeigt, auf dem eine Karikatur von Israels | |
Ministerpräsident Benjamin Netanjahu mit Hakenkreuz abgebildet ist. | |
Zustimmung gab Rauch auch für einen Beitrag, der Israel im Gaza-Krieg | |
„Völkermord“ vorwirft. | |
Die [2][TU-Präsidentin entschuldigte sich für diesen „Fehler“] und | |
beteuerte, das Netanjahu-Bild habe sie nicht „wahrgenommen“, vielmehr nur | |
den Inhalt des Beitrags geliket. Der neue Antisemitismusbeauftragter der | |
TU, Uffa Jensen, erklärte, andere von Rauch gelikte Beiträge seien „aus | |
wissenschaftlicher Sicht nicht per se antisemitisch“. | |
## „Nicht glaubwürdig“ | |
Vielen reicht das nicht. Der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef | |
Schuster, etwa nannte Rauchs Entschuldigung „nicht glaubwürdig“. Auch aus | |
der Bundespolitik, vom Antisemitismusbeauftragten der Bundesregierung, | |
Felix Klein, bis zu Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP), reißt die | |
Kritik nicht ab. | |
Lokalen Gegenwind bekommt Rauch vor allem von der CDU. So sagte der | |
Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU) am Montagabend bei einem | |
Wahlkampfauftritt in Reinickendorf: „Ich kann nur sagen, was sie gemacht | |
hat, hat nicht nur der Technischen Universität geschadet, sondern dem | |
Wissenschaftsstandort Berlin.“ Eine direkte Abwahl- oder | |
Rücktrittsforderung war das zwar nicht, aber die hatte Berlins | |
CDU-Generalsekretärin Ottilie Klein schon vor einigen Tagen gestellt: „Die | |
Position der CDU Berlin ist hier eindeutig: Präsidentin Rauch muss gehen“, | |
erklärte Klein am Freitag in einem Newsletter ihres Landesverbands. | |
Die Studierenden zeigen dagegen „kritische Solidarität“ mit Rauch, wie ein | |
[3][Statement des Studierendenparlaments] überschrieben ist. Man müsse ihr | |
Verhalten in den letzten acht Monaten im Ganzen sehen, finden auch sie. | |
Rauch habe sich seit dem Überfall der Hamas und dem dadurch ausgelösten | |
„Militäreinsatz“ stets „gegen Antisemitismus eingesetzt“, für die Än… | |
und Sorgen aller Studierenden ein offenes Ohr gehabt und es mit | |
„wohlüberlegtem Handeln“ geschafft, „Bilder von antisemitischer Hassgewa… | |
und umstrittenen Polizeieinsätzen auf dem Campus und den Zulauf zu | |
Schwarzweißdenken einzugrenzen“. Gleichwohl nehme man die Kritik, „die von | |
jüdischen Verbänden ausgesprochen wurde, ernst“. | |
Rücktrittsforderungen und Infragestellung der Integrität von Rauch weise | |
man jedoch zurück, so die Studierenden. Sie kritisieren umgekehrt den | |
Senat, der versuche, „die Verantwortung für Antisemitismus und Rassismus | |
innerhalb der Studierendenschaft auf die Hochschulen zu verschieben, ohne | |
den Leitungen tatsächlich die Freiheit zu geben, einen eigenen Weg zu | |
gehen“. | |
## Verweis auf Hochschulautonomie | |
So verlagere [4][die geplante Wiedereinführung der Exmatrikulationsklausel] | |
das Problem von gewalttätigen Studierenden vom Strafrecht auf die | |
Hochschulen, gleichzeitig übergehe die Politik im Konfliktfalle jedoch die | |
Unileitungen. Mit Letzterem ist offenbar [5][die Entscheidung des Senats | |
gemeint], die Besetzung der Humboldt Universität zu beenden, als die | |
dortige Präsidentin Julia von Blumenthal noch mit den Besetzern im Dialog | |
war. | |
Wie die Uni-Gremien nun mit der vertrackten Lage umgehen, ist völlig offen. | |
„Es gibt die ganze Zeit viele Diskussionen“, sagte der Kanzler der TU, Lars | |
Oeverdieck, am Dienstag der taz. Er selbst hatte durchblicken lassen, dass | |
Rauch der Uni sehr geschadet habe – nun müsse schnell eine Entscheidung | |
her, welche auch immer. Zugleich verwahrte er sich gegen politische | |
Einmischung und verwies auf die Autonomie der Hochschule in der Sache. | |
Zuständig für eine mögliche Abwahl der TU-Präsidentin ist der Erweiterte | |
Akademische Senat (EAS), der Rauch im Januar 2022 auch gewählt hat. Damals | |
setzte sie sich mit 31 von 61 Stimmen gegen zwei Mitbewerber durch, | |
darunter den damaligen Präsidenten. Am heutigen Mittwoch tagt im | |
Mensa-Gebäude an der Hardenbergstraße allerdings zunächst der 25-köpfige | |
[6][Akademische Senat] (AS). Darin sind alle Hochschulgruppen vertreten, | |
wobei die Lehrenden mit 13 Sitzen eine absolute Mehrheit haben. Einem | |
Abwahlantrag müsste eine Zweidrittelmehrheit des AS zustimmen, dazu | |
bräuchte es ebenfalls eine Zweidrittelmehrheit im 61-köpfigen EAS sowie im | |
11-köpfigen [7][Kuratorium], dem Wissenschaftssenatorin Ina Czyborra (SPD) | |
sowie einige Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens und TU-Vertreter | |
angehören. | |
Czyborra hatte am Freitag gefordert, es sei Aufgabe der TU, den Verdacht zu | |
entkräften, es werde nicht alles zum Schutz jüdischer Studierender und | |
gegen Antisemitismus getan. Sie wandte sich aber zugleich gegen staatliche | |
Eingriffe. „Wenn wir Hochschulautonomie und Wissenschaftsfreiheit ernst | |
nehmen, dann ist es auch geboten, sich da zurückzuhalten.“ Regierungschef | |
Wegner wiederum „vertraut den Gremien und erwartet weise Entscheidungen“, | |
sagte Senatssprecherin Christine Richter am Dienstag der taz. | |
Das Kuratorium kommt am nächsten Montag zusammen. Auch dieses Gremium | |
könnte einen Abwahlprozess einleiten, dem dann wiederum der AS und EAS | |
zustimmen müssten. Der EAS, der [8][laut Grundordnung der Universitä]t das | |
letzte Wort in Sachen Abwahl hat, könnte laut TU-Pressestelle frühestens | |
sieben Tage nach einem Kuratoriumsbeschluss zusammentreten. Die Diskussion | |
um Rauch wird also weitergehen. | |
4 Jun 2024 | |
## LINKS | |
[1] /Antisemitismus-Vorwurf/!6010459 | |
[2] https://www.tu.berlin/ueber-die-tu-berlin/organisation/universitaetsleitung… | |
[3] https://asta.tu-berlin.de/artikel/kritische-solidaritaet-mit-tu-praesidenti… | |
[4] /Uni-Protest-in-Berlin/!6011763 | |
[5] /Gaza-Proteste-an-Universitaeten/!6012571 | |
[6] https://www.tu.berlin/k3/gremien/akademischer-senat/mitglieder-und-ausschue… | |
[7] https://www.tu.berlin/k3/gremien/kuratorium | |
[8] https://www.static.tu.berlin/fileadmin/www/10000000/Arbeiten/Wichtige_Dokum… | |
## AUTOREN | |
Susanne Memarnia | |
Stefan Alberti | |
## TAGS | |
Antisemitismus | |
Schwerpunkt Nahost-Konflikt | |
Technische Universität Berlin | |
Antisemitismus | |
Schwerpunkt Nahost-Konflikt | |
Schwerpunkt Nahost-Konflikt | |
Schwerpunkt Nahost-Konflikt | |
Schwerpunkt Nahost-Konflikt | |
Schwerpunkt Nahost-Konflikt | |
Antisemitismus | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Debatte um TU-Präsidentin: Rauch soll selbst entscheiden | |
Die Präsidentin der TU Berlin likte antisemitische Posts. Nun beantragt sie | |
ein Disziplinarverfahren gegen sich, und soll selbst sagen, ob sie bleibt. | |
Krieg in Nahost: Die Kinder vom 7. Oktober | |
Über den Hamas-Angriff auf Israel kursieren seit Monaten unbelegte | |
Behauptungen. Ein Faktencheck zum Schicksal der israelischen Kinder an | |
jenem Tag. | |
Kritik an TU-Präsidentin Geraldine Rauch: Maßlose Debatte | |
Wegen ein paar Social-Media-Likes ist die Präsidentin der Berliner TU in | |
Kritik geraten. Dahinter stecken vor allem rückwärtsgewandte Akteure. | |
Affäre Geraldine Rauch: Als TU-Präsidentin ungeeignet | |
Ob sie den Post zu oberflächlich gelesen hat oder die Meinung dort teilt, | |
ist letztlich egal. Das eine wie das andere disqualifiziert TU-Chefin | |
Rauch. | |
Nahost-Konflikt an Berlins Hochschulen: Allseitige Rücktrittsforderungen | |
Berlins Universitäten kommen nicht zur Ruhe. Auch die Diskussionen um die | |
Likes von TU-Präsidentin Geraldine Rauch gehen unvermindert weiter. | |
Antisemitismus-Vorwurf: TU-Chefin entschuldigt sich | |
Geraldine Rauch hat problematische Tweets geliked. Ihr neuer | |
Antisemitismus-Beauftragter Uffa Jensen findet klare Worte – nimmt sie aber | |
auch in Schutz. | |
Uffa Jensen als Beauftragter der TU: Neuer Berliner Antisemitismusstreit | |
Der Zentralrat der Juden attackiert Uffa Jensen, den neuen | |
Antisemitismusbeauftragten der TU Berlin. Der nennt die Vorwürfe „Quatsch“. |