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# taz.de -- Rassismus im Fußball: Spielverderber-Studie
> Jeder Fünfte wünscht sich eine weißere EM-Mannschaft. Die Studie, die das
> belegt, steht in der Kritik. Dabei verdeutlicht sie Rassismus unter Fans.
Bild: Bald wieder überall zu sehen: Deutschlandflaggen und grölende Fans
Zu einer richtigen Europameisterschaft scheinen drei Dinge zu gehören: an
Autofenstern befestigte Deutschland-Flaggen, ausreichend kaltes Bier und
eine Debatte über Spieler mit Migrationsgeschichte. Alle Jahre wieder
bricht bei Europa- und Weltmeisterschaften eine reflexartige
Auseinandersetzung darüber aus, wer die [1][deutsche Hymne mitgrölt] und
wer nicht, wen man [2][als Nachbarn haben möchte] und wen nicht und wer der
deutschen Verfassung am patriotischsten gegenübersteht – wobei all diese
Fragen natürlich ausschließlich auf Spieler mit Migrationsgeschichte
angewandt werden.
Auch in diesem Jahr ist es wieder so weit. Im Rahmen einer
[3][Dokumentation der Sportschau], die am Mittwoch erscheint, gab der WDR
eine Studie beim Meinungsforschungsinstitut Infratest dimap in Auftrag. Die
Ergebnisse sind seit Samstag in [4][Form eines Instagram-Posts] verfügbar:
21 Prozent der Deutschen wünschen sich mehr Nationalspieler mit weißer
Hautfarbe, 17 Prozent „finden es schade“, dass [5][DFB-Kapitän İlkay
Gündoğan] türkische Wurzeln hat. Das Echo in den Kommentaren unter dem
Beitrag: Was für eine beschissene Umfrage.
Tatsächlich lässt sich Kritik an der Fragestellung üben. Die Fragen sind
suggestiv, spitzen zu und überraschend sind die Ergebnisse kaum. Denn wer
in Deutschland nach Rassismus sucht, wird ihn auch finden. Dass
rechtsextreme Einstellungen auch in der Mitte der Gesellschaft weit
verbreitet sind, zeigt schon die [6][„Mitte-Studie“ der
Friedrich-Ebert-Stiftung aus 2023]: Acht Prozent der Befragten haben ein
rechtsextremes Weltbild, weitere 20 Prozent, tendieren zu einem solchen. Um
zu belegen, dass es in Deutschland Rassismus gibt, braucht es also keine
Insta-Posts, die die Problematik anhand einzelner Spieler wie Gündoğan
thematisieren. Oder etwa doch?
Nein, findet zum Beispiel Joshua Kimmich. Er [7][kritisiert die Umfrage als
„absurd“], gerade jetzt bei der EM gehe es doch darum, uns alle
zusammenzubringen, nicht zu spalten, so Kimmich. Blöde Umfrage eben. Dabei
unterschlägt der Mittelfeldspieler, dass Fußballturniere immer ein
spalterisches Element enthalten. Egal ob [8][Gerald Asamoah], [9][Mesut
Özil], [10][Jérôme Boateng] oder [11][İlkay Gündoğan]: Spieler mit
Migrationsgeschichte sind häufig rassistischen Anfeindungen ausgesetzt –
das Problem entsteht also nicht erst durch die Studie.
## Sommermärchen? Nicht für alle
Spaltend sind Turniere wie die EM auch allein schon, weil sich
marginalisierte Menschen zwischen Deutschlandflaggen, die deutsche Balkons
und Vorgärten schmücken, und Betrunkenen, die die Nationalhymne grölen,
verständlicherweise nicht besonders sicher fühlen. Dies zeigte eine
[12][repräsentative Studie der Universität Marburg], die nach dem
„Sommermärchen“ von 2006 herausfand, dass der „Party-Patriotismus“, de…
doch so sehr zu vereinen schien, nach der WM 2006 zu einem Anstieg
nationalistischer und fremdenfeindlicher Einstellungen in der deutschen
Bevölkerung führte.
Auch Bundestrainer Nagelsmann [13][bezeichnet die Befragung als „Scheiß
Studie“]. Er sei schockiert, dass solche Fragen überhaupt gestellt würden.
Man spiele doch eine „EM für jeden im Land“. Dass sich das in der Theorie
wunderschön anhört, in der Praxis aber nur wenig gegen [14][Rassismus auf
und neben dem Fußballplatz] getan wird, bleibt unerwähnt. Die Studie
erinnert uns zumindest daran.
Dass alle zwei Jahre – immer dann wenn ein großes Turnier ansteht – große
Empörung über die Verbreitung rassistischer Einstellungen in Deutschland
herrscht, überrascht im Gegensatz zu den Ergebnissen der Studie schon
etwas. Bei aller Kritik an suggestiver Fragestellung und Zuspitzung per
Insta-Post zeigen die Reaktionen auf die Studie, wie wichtig sie ist, denn
die Ergebnisse scheinen Instagram-Publikum wie Fußballer gleichermaßen zu
schockieren.
Allein die Kritik an den Machern der Studie, gespickt mit einer Prise
Zusammenhalts-Geplänkel à la „Wir spielen eine EM für jeden“ hilft nicht,
Rassismen im Fußball zu überwinden. Statt Deutschlandflaggen an Autos,
kaltem Bier und Debatten über Deutsch-Sein sollte zu einer richtigen EM
etwas anderes gehören: eine Reflexion über die Verwendung nationalistischer
Symbole und deren spalterischen Charakter sowie die rassistischen
Einstellungen, die in der deutschen Bevölkerung den Wunsch nach einer
weißeren Nationalmannschaft auslösen.
3 Jun 2024
## LINKS
[1] /Nationalhymnen-bei-Laenderspielen/!5090011
[2] /Rassistische-Aeusserung-des-AfD-Vize/!5308140
[3] https://www.ardmediathek.de/video/sportschau/einigkeit-und-recht-und-vielfa…
[4] https://www.instagram.com/p/C7qYNUSNsIl/?img_index=1
[5] /Feindschaftsspiel-Deutschland-vs-Tuerkei/!5971113
[6] https://www.fes.de/index.php?eID=dumpFile&t=f&f=91776&token=382…
[7] https://www.spiegel.de/sport/fussball/dfb-team-joshua-kimmich-kritisiert-um…
[8] /Fussballer-Asamoah-ueber-seine-Karriere/!5075194
[9] /Mesut-Oezil-beendet-Fussballkarriere/!5923773
[10] /Kolumne-Press-Schlag/!5549483
[11] /DFB-beim-Fall-Guendoan-Oezil-Erdoan/!5511556
[12] https://www.uni-marburg.de/archive/news/2006-12-14-wie-nationalismus-patri…
[13] https://www.spiegel.de/sport/fussball/julian-nagelsmann-ueber-rassismus-ho…
[14] /Rassismus-im-Fussball/!5973870
## AUTOREN
Joscha Frahm
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