# taz.de -- Wagenknecht-Parteitag in Sachsen: Eine Partei für Veränderungsmü… | |
> Das BSW geht in Sachsen diszipliniert ans Werk. Dabei versucht es ein | |
> bisschen Linkspartei-Gerechtigkeitssound mit viel Sehnsucht nach Gestern | |
> zu kombinieren. | |
Bild: Stand erwartungsgemäß auch auf dem sächsischen Landesparteitag des BSW… | |
Die Wagenknecht-Partei ist ein doppeltes Novum. Sie verbindet | |
programmatisch gemäßigte, linke Sozialpolitik mit rechtem | |
Kulturkonservativismus. Das gab es bisher so wenig wie die Fokussierung auf | |
eine Person an der Spitze. | |
Die Fixierung auf Personen ist in Europa schon lange gängige Praxis, von | |
Berlusconi über Kurz bis zu Wilders. Die bundesdeutsche Politik war bisher | |
anders gepolt – sachlich, kühler, mehr auf Parteien als auf | |
Führungspersonal orientiert. [1][Mit charismatischer Herrschaft hatte man | |
vor 1945 schlimme Erfahrungen gemacht.] Das BSW ist eine Art | |
Populismus-Test für die hiesige politische Kultur. | |
Die Partei, vor Ort noch nicht fassbar, ist noch immer eine Luftbuchung. | |
[2][Der Parteitag in Sachsen] zeigt aber, dass man mit Wagenknecht rechnen | |
muss. Die handverlesene Truppe von ein paar Dutzend Parteimitgliedern ging | |
in Dresden professionell, fast kadermäßig diszipliniert ans Werk. Keine | |
Debatte. Alles top down, zentriert um den Star. Dieser neoautoritäre Stil | |
ist von dem basisdemokratischen Chaos, das die frühen Tage der Grünen oder | |
der AfD prägte, meilenweit entfernt. | |
Wagenknecht bedient sich einer pazifistischen Rhetorik, die Putins | |
imperiale Aggression verdrängt. Das BSW verkehrt Täter und Opfer. Daran | |
ändern auch pflichtschuldig eingestreute Hinweise nichts, dass man Putins | |
Krieg verurteile. Das BSW will wieder russisches Gas kaufen und Kyjiw keine | |
Waffen liefern – also den russischen Imperialismus mitfinanzieren und die | |
Ukraine zur Kapitulation zwingen. Diese Haltung verrät einen brutalen, | |
materiellen Egoismus. Germany first, mit Friedenslyrik umrankt. Man | |
inszeniert sich als Friedensengel und denunziert die anderen als | |
Kriegstreiber. | |
Aber es gibt auch andere Töne. Das BSW versucht eine Balance zwischen | |
populistischem Empörungsunternehmertum und Realpolitik, [3][eine | |
Kombination von ein bisschen Linkspartei-Gerechtigkeitssound und viel | |
Sehnsucht nach gestern.] | |
Die Zukunft, die das BSW entwirft, ähnelt dabei der Vergangenheit. Es ist | |
eine Welt mit weniger Migranten und mit Grundschulen ohne Laptops, in denen | |
noch Lesen, Schreiben und Rechnen gelernt wird. Auf den Straßen fahren auch | |
in Jahrzehnten noch solide deutsche Verbrenner-Autos. | |
Das BSW leugnet, anders als die AfD, den Klimawandel nicht, findet ihn aber | |
nicht so dringlich. Das schürt die Illusion, dass man sich die Zumutungen | |
des gigantischen, klimaneutralen Umbaus der Gesellschaft, der ansteht, vom | |
Leib halten kann. | |
Dieses nostalgische Versprechen ist der Kern des BSW. Es ist ein Angebot an | |
die eher kleinstädtische, alte Mittelklasse, an Milieus, die sich im | |
Selbstverwirklichungskapitalismus abgehängt fühlen. Der Ideologiemix aus | |
Elitenverachtung, nationalistischen Tönen und Verteidigung des Normalen | |
zielt auf die Veränderungsmüden, die sich überfordert fühlen. Das hat etwas | |
Regressives. Und etwas Entlastendes. | |
Zukunftstauglich ist das nicht. Für den Moment erfolgreich vielleicht | |
schon. | |
19 May 2024 | |
## LINKS | |
[1] https://docupedia.de/zg/Hachtmann_charismatische_herrschaft_v1_de_2019 | |
[2] https://www.zdf.de/nachrichten/politik/deutschland/bsw-wagenknecht-sachsen-… | |
[3] /Buendnis-Sahra-Wagenknecht/!6011240 | |
## AUTOREN | |
Stefan Reinecke | |
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Arzheimer. |