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# taz.de -- Gemeinderat für Fabrikerweiterung: Tesla siegt, Demokratie verliert
> Niederlage für die Tesla-Gegner: Der Gemeinderat von Grünheide votiert
> trotz Protesten und Volksabstimmung für eine größere Elektroautofabrik.
Bild: Bürgerprotest während der Gemeinderatssitzung
Grünheide taz | Dass das Votum so deutlich sein würde, war nicht abzusehen.
Doch dann stimmten nach zwei Stunden Diskussion elf Vertreter*innen im
[1][Gemeinderat von Grünheide für den neuen Bebauungsplan], sechs dagegen,
zwei enthielten sich.
Damit hat der US-Autobauer Tesla seit Donnerstagabend die Erlaubnis, sein
Werk im Südosten von Berlin noch einmal um 118 Hektar zu erweitern und
einen Güterbahnhof und Logistikanlagen zu bauen. Dafür sollen weitere rund
50 Hektar Wald gerodet werden.
Ursprünglich hatte Tesla geplant, sein 300 Hektar großes Betriebsgelände um
weitere 110 Hektar nach Osten hin zu erweitern und dafür weitere 100 Hektar
Wald im Landschaftsschutzgebiet zu roden. Aber das hatte zu massiven
Protesten geführt.
Zuletzt war der [2][Widerstand] gegen die Erweiterung der
Elektroautofabrik, die zum Großteil im Wasserschutzgebiet liegt, immer
stärker geworden. Im Februar noch hatten sich über 60 Prozent der
Bürger*innen der Gemeinde Grünheide in einer nicht bindenden Abstimmung
gegen die Erweiterung ausgesprochen. Erst vor einer Woche fand eine
[3][Protestdemo mit bis zu 2.000 Menschen gegen Tesla] statt.
## Werkskindergarten und Logistikflächen fallen weg
Zur Abstimmung kam nun ein [4][geänderter Bebauungsplan]: Während der
Güterbahnhof weiterhin auf dem Gelände entstehen kann, fallen
Werkskindergarten und einige Lagerflächen weg.
Es sollte eine turbulente Gemeinderatssitzung werden. Am Nachmittag hatte
das Protestbündnis „Tesla den Hahn abdrehen“ noch mit etwa 40 Personen vor
der Müggelspreehalle, dem Ort der Gemeinderatssitzung im Grünheider
Ortsteil Hangelsberg, demonstriert. Der Saal in der von Polizei und
Security bewachten Veranstaltung war randvoll, die Stimmung angespannt.
Ortsvorsteherin und Sitzungsleiterin Pamela Eichmann (SPD) hatte oftmals
Mühe, die zahlreichen Zwischenrufe, Beifall und Unmutsbekundungen unter
Kontrolle zu bringen.
Zwar regte Thomas Wötzel vom Bürgerbündnis eine erneute Einwohnerbefragung
über den abgeänderten Bebauungsplan an. Dies wurde jedoch trotz viel
Beifall im Publikum von den Gemeindevertreter*innen abgelehnt. Neben
dem überparteilichen Bürgerbündnis, das sich klar gegen rechts abgrenzt,
und einzelnen Ratsmitgliedern lehnte auch die AfD-Fraktion den
Bebauungsplan ab.
Von den Anwohner*innen im Publikum schien die Mehrzahl gegen die
Annahme des „B-Plans“ zu sein, es gab aber auch nicht wenige
Befürworter*innen. Auch Tesla war mit einigen Vertreter*innen rund um
Manager Alexander Riederer vertreten, optisch verstärkt durch einen
bulligen Security-Mann. Auch ein Sprecher der Landesregierung sowie
Bahn-Projektleiter Peter Schulze waren anwesend.
## Fangschleuse „nicht der Nabel der Welt“.
Im Publikum wurde der Vorwurf laut, Tesla und die DB hätten gedroht, die
Bahnhöfe Fangschleuse und Hangelsberg zu schließen, sollte die Genehmigung
nicht kommen. Peter Schulze versuchte diese Gerüchte zu zerstreuen, und
zwar ausgerechnet mit dem Argument, diese beiden Bahnhöfe seien „nicht der
Nabel der Welt“. In einer früheren Planung schien ein Güterbahnhof an
anderer Stelle noch möglich, jetzt aber nicht mehr.
Der Güterbahnhof müsse nun in Abstimmung mit der DB realisiert werden, man
brauche Planungssicherheit, sagte Tesla-Mann Riederer. Er versprach, den
Verkehr „mittel- bis langfristig“ auf die Schiene zu legen. „Verräter“,
murmelte jemand, „so werden wir über den Tisch gezogen“, rief ein anderer.
„Ich möchte Sie um Ruhe bewahren“, verhaspelte sich Frau Eichmann. Die
Szenerie erinnerte an die Buchverfilmung von „Unter Leuten“.
Mit dem Votum für den Bebauungsplan Nr. 60 habe die Gemeinde den Weg für
den Infrastrukturausbau in Grünheide freigemacht, zeigte sich Tesla nachher
erfreut. „Der nun beschlossene Bebauungsplan geht in zentralen Punkten auf
die Bedenken aus der Gemeinde ein“, so ein Tesla-Sprecher. „So werden mit
der geänderten Planung mehr als 70 Hektar Wald erhalten, darunter auch der
überwiegende Teil der besonders erhaltenswerten Flächen. Vor allem
ermöglicht der Bebauungsplan nun den weiteren Ausbau einer nachhaltigen und
umweltfreundlichen öffentlichen Infrastruktur. Damit kann der Lkw-Verkehr
in der Region reduziert werden.“
„Das ist ein herber Schlag für den Wasserschutz und die Demokratie“,
urteilte hingegen Karolina Drzewo, Pressesprecherin von „Tesla den Hahn
abdrehen“. „Die Mehrheit der Menschen in Grünheide hat gegen die
Erweiterung gestimmt. Die Mehrheit der Ortsbeiräte hat gegen die
Erweiterung gestimmt, und dennoch hat die Gemeindevertretung jetzt
wahrscheinlich durch den massiven Druck des Konzerns Tesla und der Bundes-
und der Landesregierung gegen das Votum der Bürger*innen hier gestimmt.“
## „Schaden für die Gemeinde“
Es sei „gefährlich in einer Region mit Politikverdrossenheit, dass der
Mehrheit der Menschen nicht zugehört wurde“, ergänzte sie. Das Bündnis hat
angekündigt, den Protest für Wasserschutz und gegen die Erweiterung der
Autofabrik in einem Trinkwasserschutzgebiet fortsetzen zu wollen. Auch die
Aktivisten im Protestcamp nahe der Tesla-Fabrik in Grünheide stellen sich
auf einen längeren Aufenthalt ein. „Wir bleiben vielleicht über den Sommer
hinweg“, sagte eine Sprecherin der Initiative „Tesla stoppen“ am
Freitagmorgen. Aktuell beratschlage man über das weitere Vorgehen. [5][Eine
Verlängerung der Versammlung über den 20. Mai hinaus sei schon beantragt
worden.]
„Das Votum hat mich nicht überrascht“, sagte Marten Lange-Siebenthaler vom
Bürgerbündnis. Er geht davon aus, dass alles bereits vorher ausgezählt war.
„Aber der Schaden ist da, für die Gemeinde und natürlich auch für die
Demokratie“, so Lange-Siebenthaler mit Verweis darauf, dass die
Bürger*innen die Pläne zuvor mehrheitlich abgelehnt hatten. „Die
Gesellschaft ist zunehmend polarisiert, und wenn wir dann solche
Entscheidungen haben, die den Bürgerwillen nicht ausreichend
berücksichtigen, erweisen wir der Demokratie einen Bärendienst. Und das
äußert sich in der Regel dann in den Wahlergebnissen.“
17 May 2024
## LINKS
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[3] /Widerstand-in-Gruenheide/!6009792
[4] /Widersprueche-im-Kampf-gegen-Tesla/!6007390
[5] /Tesla-Protestcamp-in-Gruenheide/!6011044
## AUTOREN
Darius Ossami
## TAGS
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