# taz.de -- Streik auf Berliner Baustellen: Die Enttäuschung ist groß | |
> Nach gescheiterter Schlichtung streikt die IG Bau. Die Arbeitgeberseite | |
> stört sich an der Forderung nach pauschal 500 Euro mehr Lohn im Monat. | |
Bild: Einfach mal den Ärger raus lassen: Die IG Bau hat zum Streik aufgerufen | |
Berlin taz | Das Streikzelt im Hinterhof der Luisenstraße 31, in der Nähe | |
des Brandenburger Tors, ist mit mehr als hundert Personen gefüllt. Es wird | |
geraucht, Kaffee getrunken, Karten gespielt und sich unter den Streikenden | |
ausgetauscht. „Unsere Enttäuschung über die Situation auf dem Bau kommt bei | |
denen da oben nicht an. Alle Kosten steigen, aber unsere Löhne nicht. So | |
bekomme ich den Kühlschrank nicht voll“, sagt Olaf W. (Name geändert), der | |
seit Jahren für das Unternehmen Strabag im Straßenbau tätig ist. | |
[1][Nach drei gescheiterten Verhandlungen und einem missglückten | |
Schlichtungsversuch] ruft die Industriegewerkschaft Bauen Agrar Umwelt (IG | |
BAU) zum ersten Mal seit 17 Jahren zum Streik im Bauhauptgewerbe auf und | |
fordert pauschal 500 Euro mehr im Monat für alle Lohngruppen. Bundesweit | |
ist der Streik schon am Dienstag gestartet, in Berlin ging es Donnerstag | |
mit der zweitägigen Arbeitsniederlegung los. | |
In den Tarifauseinandersetzungen hatte die Arbeitgeberseite, vertreten | |
durch den Hauptverband der Deutschen Bauindustrie (HDB) und den | |
Zentralverband Deutsches Baugewerbe, den Spruch des Schlichters abgelehnt, | |
während die IG BAU zähneknirschend zustimmte. „Die Stimmung auf den | |
Baustellen ist angespannt. Ohne einen angemessenen Tarifvertrag ist die | |
Branche nicht mehr zu retten“, sagt der stellvertretende Regionalleiter der | |
IG BAU, Dirk Kuske. | |
In Berlin wurden am Donnerstag sieben Baustellen und eine Firma bestreikt. | |
Betroffen waren Bauunternehmen wie Strabag, Implenia und Matthäi. Micha F., | |
der seinen vollen Namen nicht in der Zeitung lesen will, ist Polier bei | |
Strabag, sitzt mit seinen Kollegen am Biertisch im Zelt und ist genervt. | |
„Es geht hier nicht nur ums Geld, sondern wie mit uns umgegangen wird. Was | |
man sich teilweise anhören muss, ist sehr abwertend.“ | |
## Der Anreiz für die Branche fehlt | |
[2][Den anderen Kollegen geht es auch um finanzielle Anerkennung.] „Alle | |
anderen Branchen haben mehr Geld bekommen, nur wir nicht“, sagt Olaf W. Er | |
ist etwa schon über 60 und beklagt sich über die Bedingungen im Straßenbau. | |
„Eigentlich müssten viele mit 50 in Rente gehen, weil sie körperlich fertig | |
sind. Früher hat man gesagt:,Sei schlau und geh zum Bau', weil es gut | |
bezahlt wurde.“ Das würde er heute nicht mehr unterschreiben. | |
Es fehle einfach der Anreiz, bestätigt der Azubi in der Runde. „Es rückt | |
niemand mehr nach. Würde es mehr Geld geben, hätten auch mehr Lust, in der | |
Branche zu arbeiten.“ Der Hauptgrund für die ergebnislosen Verhandlungen | |
seitens der Arbeitgeber war die [3][Forderung der Gewerkschaft] nach einer | |
Pauschale. | |
Die Vizepräsidentin des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie, Jutta | |
Beeke, sprach sich deutlich gegen eine Pauschalzahlung aus: „In einigen | |
Lohngruppen gab es durch den Festbetrag zu hohe, in anderen nur relativ | |
geringe Erhöhungen. Fair ist eine einheitlich prozentuale Erhöhung für | |
alle.“ | |
## Ohne angemessene Tarifvertrag kein Streikstopp | |
Außerdem bemängelte die Arbeitgeberseite, dass der Schlichterspruch | |
handwerkliche Mängel aufweise, wie beispielsweise die einheitliche | |
Festlegung aller Ausbildungsvergütungen im ersten Ausbildungsjahr. Dirk | |
Kuske von der IG BAU kritisiert, dass bei den offenen Verhandlungen 3,9 | |
Prozent die Schmerzgrenze für die Arbeitgeberseite gewesen sei. „Die | |
Baubranche hat in den letzten Jahren gescheffelt, und jetzt plötzlich geht | |
nichts mehr“, sagte Kuske. | |
„Ohne einen ordentlichen Tarifvertrag werden wir weitermachen, bis es | |
Wirkung zeigt“, so Hivzi Kalayci, zuständiger Gewerkschaftssekretär. | |
Außerdem sei geplant, morgen früh eine Baustelle zu blockieren. | |
16 May 2024 | |
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## AUTOREN | |
Kai Liesegang | |
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