| # taz.de -- Äußere und innere Ordnung: Einfach nur beschweren | |
| > Ordnung ins Leben zu bringen, kann schon damit anfangen, dass man mit | |
| > jemand über die eigene Unordnung spricht. | |
| Bild: Eine Möglichkeit, Ordnung zu schaffen: der Flohmarkt | |
| Ich sitze in einem Café auf der Veddel. Die Sonne scheint. Und der Himmel | |
| ist blau. Vor mir bauen Menschen Stände für ein Fest auf. Alle scheinen | |
| gute Laune zu haben. Ich denke zurück an ein Straßenfest in meinem Viertel, | |
| als ich einen Flohmarktstand aufgebaut hatte. An das befriedigende Gefühl, | |
| Dinge zu verkaufen. Wie die Sachen meiner Vergangenheit weitergingen an | |
| andere und sie sich freuten, wenn sie ein Schnäppchen machten. Wie meine | |
| Dinge, die zu Hause in Kisten gesteckt hatten, eine Chance auf neues Leben | |
| erhielten. | |
| Angetrieben durch dieses Gefühl hatte ich danach weiter ausgemistet, | |
| weggeworfen, Dinge gespendet und Ordnung geschaffen. Es heißt, dass äußere | |
| Ordnung auch innere Ordnung schaffe. Es stimmt. | |
| Um mich im Café unterhalten sich ein Mann Ende 20 und eine Frau um die 50 | |
| Jahre. Unweigerlich bekomme ich ihr Gespräch mit. Und es scheint, als würde | |
| ihre Unterhaltung in Resonanz mit mir gehen, als wäre sie eine Verlängerung | |
| meiner Gedanken über Ordnung: „Ich hab’ verschiedene Mail-Adressen. Und die | |
| Ämter haben verschiedene Mail-Adressen von mir. Alles geht an | |
| Unterschiedliches. Das ist total blöd“, sagt der Mann. | |
| „Ich hab dir gesagt, dass ich dir helfen kann mit Büro“, sagt die Frau. | |
| ## Viele haben Schwierigkeiten, ihr Leben in Ordnung zu halten | |
| „Ja, ich habe mir Klarsichtfolien gekauft. Trenner für Blätter, einen | |
| Locher. Einen Drucker hätte ich gerne. Ich hab’ noch nicht alles“, sagt der | |
| Mann. | |
| Es wirkt, als habe er ein riesiges Aufräumprojekt vor sich. Analog wie | |
| digital. Ich denke daran, dass es viele Menschen gibt, die Probleme damit | |
| haben, ihr Leben in Ordnung zu halten. Obwohl die meisten oft den Eindruck | |
| haben, mit diesen Schwierigkeiten allein zu sein. | |
| „Das ist so blöd mit den verschiedenen Mail-Adressen, dann vergesse ich die | |
| Passwörter“, sagt er. „Dann weiß ich nicht mehr, wie ich mich einlogge.“ | |
| „Du kannst dir einen Passwort-Manager einrichten“, sagt die Frau. „Dann | |
| sind die Passwörter auf deinem Computer abgespeichert.“ | |
| „Ja, aber letztens wollte ich mich mit einem anderen Laptop einloggen und | |
| dann ging das wieder nicht“, sagt der Mann. | |
| „Du weißt, dass du auch deinen Passwort-Manager von verschiedenen Computern | |
| aus abrufen kann“, antwortet die Frau. | |
| „Ja“, sagt er. „Ach, es ist alles kompliziert.“ | |
| Ich merke, wie ich selbst ganz unruhig werde, während ich neben ihnen | |
| meinen Kaffee trinke und ihr Gespräch mitbekomme. Es ist, als würde ihr | |
| Reden schwimmen, sich im Kreis drehen, nach vorn zu einer Lösung laufen und | |
| dann wieder zurück. Ein Mäandern, das zu keinem Ergebnis führt. Auf | |
| bestimmte Weise bringt das Gespräch eine Form von Unordnung in diesen | |
| sonnigen, klaren Tag. Ich schaue mich nach einem anderen freien Platz um | |
| und finde keinen. „Man kann mit etwas starten, auch wenn es viel ist und | |
| dann macht man Schritt für Schritt weiter und dann wird es vielleicht in | |
| einem Jahr besser sein“, sagt die Frau. „Oder man kann alles so lassen.“ | |
| „Ich wollte mich eigentlich auch nur beschweren“, sagt der Mann. | |
| „Na gut“, sagt die Frau. | |
| Ich denke, wie reflektiert er ist, dass er das weiß. So viele Menschen | |
| erzählen, dass sie mit etwas unzufrieden seien, doch Angebote zur Hilfe | |
| nehmen sie nicht an. Als würde es auch bei ihnen vor allem eher darum gehen | |
| sich zu veräußern. | |
| Und als die beiden aufstehen, wirken sie froh und miteinander im | |
| Einverständnis. Es ist ja auch das, sich zu ordnen. Mit jemanden über die | |
| eigene Unordnung zu sprechen. | |
| Vielleicht liegt auch der wahre Akt der Freundschaft darin, jemanden in | |
| seiner Unordnung zu akzeptieren, denke ich. Es nicht übel zu nehmen, wenn | |
| sich die andere Person nicht ändern kann oder will. So wie es auch im | |
| eigenen Leben Phasen der Sortierung, des Aufräumens gibt. | |
| 2 Jun 2024 | |
| ## AUTOREN | |
| Christa Pfafferott | |
| ## TAGS | |
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