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# taz.de -- Die Wahrheit: Greta goes to Gaza
> Die schwedische Aktivistin Greta Thunberg erreicht mit ihrer
> Solidaritätsflotte für Palästina das heilige Land ihrer Träume – trotz
> aller Querelen.
Bild: Junge Seefahrerin im Rausch der politischen Symbole: Greta Thunberg
Es ist ein Moment stiller Ergriffenheit, als Greta Thunberg, diese junge
mutige Frau mit ihrem Palästinensertuch um den Hals und einem Knäckebrot
als Friedenszeichen in der Hand, von Bord an Land geht, papstgleich auf die
Knie sinkt und den Boden von Palästina küsst. Das Klicken der Kameras, die
sie stets begleiten, mischt sich mit den aus den Ruinen von Gaza zum
Behelfshafen herüberwehenden dumpfen Maschinengewehrsalven. Der Krieg ist
noch nicht vorbei, doch die Rettung naht.
Lange verharrt die zusammengekauerte Greta wie im Gebet, das Bild wird um
die Welt gehen und die sonst so abgebrühten Schlagzeilenprofis zu wahren
Kunstwerken der gefühligen Titelpoesie beflügeln: „La nouvelle d’Arc“,
jubelt Le Monde in Anspielung auf die französische Nationalheilige Jeanne
d’Arc und die Neue Welle der Sechzigerjahre. „Hanoi Janes Grandgirl“,
verweist die New York Times stolz auf Jane Fonda und ihre Visite in Vietnam
während des Kriegs in den Siebzigerjahren. Und die taz titelt gewohnt
originell, aber mit dem in den Achtzigerjahren gelernten kritischen
Unterton: „Die neue Columbus“.
Als Greta sich schließlich erhebt, erwarten die Beobachter einen Augenblick
lang, dass sie den Befehl gibt, die Boote, die an der Küste von Gaza
gelandet sind, mit Fackeln in Brand zu stecken, doch die zarte
Galionsfigur der Bewegung winkt nur ihre Kombattanten herbei. Kommt nur,
betretet unbekümmert wie ich den Boden des heiligen Landes von Palästina,
signalisiert sie ihnen. Müde stolpern die Seefahrer des Guten über die
Landungsbrücke näher.
Endlich ist die Flotte für Gaza gelandet. Kaum jemand hatte damit
gerechnet, denn die Querelen im Vorfeld und die Probleme während der
großen Fahrt ins Land der Träume waren immens. „Greta goes to Gaza“,
verkündete CNN, nachdem ein von „Fridays for Future“ in Malmö organisiert…
Kongress eine der beeindruckendsten Aktionen der jüngeren Weltgeschichte
beschloss: „Gazaion“. Den Zionisten sollte ihr „Zion“ vergehen.
## Wassermelone und Löwe
Das Ziel war klar: das freie Palästina unter der Flagge der Wassermelone,
die einem Löwen trotzt. Mit dem Schlachtruf „No Lion for Gazaion“ stachen
die Aktivisten aus aller Welt in See, um dem palästinensischen Volk in
seiner schwersten Stunde beizustehen. Wobei nicht die gesamte Armada, wie
geplant, das Zielgebiet erreichen sollte.
Die brasilianische „Paz e Amor“ brach die Mission frühzeitig ab, weil auß…
der Besatzung niemand an Bord war. Die angefragten Indigenen in ihrer
publikumswirksamen Halbnacktkluft erschienen gar nicht erst, weil sie
Erster Klasse nach Europa fliegen wollten, was Greta Thunberg ihnen aus
Klimagründen strikt untersagte. Daraufhin pressten die Ureinwohner
beleidigt ihre tellergroßen Lippen zusammen und blieben daheim im
Regenwald.
Auf der irischen „Granuaile“ brach bereits am ersten Tag eine Meuterei aus,
nachdem am Vorabend sämtliche Guinness-Vorräte leergetrunken worden waren.
Die eine Fraktion verlangte, den nächsten Hafen anzusteuern, um neue Ladung
aufzunehmen, die andere bezweifelte, dass es irgendwo außerhalb Irlands
Dunkelbier gäbe. Erst nach langen Friedensverhandlungen einigten sich die
Iren auf eine Lösung aus der Luft. Doch die Amazon-Drohne, die den
ersehnten Antriebsstoff noch auf hoher See liefern sollte, stürzte ins
Meer. Und wieder flogen die Fäuste.
Während das schwedische Flaggschiff, die „Regnbåge“, das sauberste Gefäh…
war und im Maschinenraum des Elektroboots Köttbullar vom Boden gegessen
werden konnte, erwies sich die russische Fregatte als das Friedensgefährt
mit dem schmutzigsten Hintergrund, da ein putinnaher Oligarch der Geldgeber
war und es den provokanten Namen „Z“ trug, was angeblich für Zypern stand,
weil der Kremlvertraute dort lebte.
Die südafrikanische „Mandela“ kam nur bis Madagaskar und erlitt an den
Gestaden der Insel Schiffbruch. Der Strom war ausgefallen, weil der
korrupte Kapitän den Diesel verkauft hatte. Mit einer Buddel voll Rum in
der Hand schwor der trunkene Skipper auf eines Totenmanns Kiste tausend
Eide, keinen Cent unterschlagen zu haben.
## Solidarität per Funk
Der deutsche Kutter „Amadea“ unter dem Kommando von Kapitänin Carola
Rackete lief vor der Küste von Jamaika auf Grund. Offenbar hatte der
studentische Steuermann das Mittelmeer mit der Karibik verwechselt und war
weit vom Kurs abgekommen. Kapitänin Rackete fackelte nicht lange und ließ
den kiffenden Navigator kielholen. Immerhin errichteten die Deutschen in
der Montego Bay ein queeres Protestcamp unter der Wassermelonen-Flagge,
alle Stunde funkten sie fortan eine Solidaritätsbekundung in den Nahen
Osten.
Kübelweise Spott gossen die Kritiker über den „Kinderkreuzzug“ (Die Welt)
und seinen „Traumschiffbruch“ (Dagens Nyheter), aber allein der gute Wille
zählt. Und so sammelt Greta Thunberg nun unbeeindruckt von allen
Widrigkeiten am Ziel ihrer Sehnsüchte ihre Mitstreiter und schreitet voran
in Richtung Stadt – oder was davon übrig geblieben ist. Jubelnde Menschen
würden sie empfangen, ist sie sich sicher und breitet die Arme aus, um die
Massen zu umschlingen.
Symbole sind alles, der Nahostkonflikt lässt sich spätestens seit Camp
David, den Handschlägen von Begin und Sadat, Arafat und Barak, nur mit
Symbolpolitik lösen, glaubt die kleine Erlöserin, aber da sind keine
Massen, die ihr zur Begrüßung entgegeneilen. Am Rand der arabischen Straße
steht nur ein einzelner unrasierter Mann in einer abgewetzten Jeans und
einem durchgeschwitzten Shirt, der zu einer astreinen Wutrede in feinstem
Arabisch ansetzt.
„Verzieht Euch, Ihr Pfeifen! Verschwindet, Ihr Schwätzer! Wir wollen keinen
neuen Hass! Ihr Barfuß-Revolutionäre blendet das Verbrechen der Hamas am 7.
Oktober einfach aus. Ja, auch wir wissen, dass es ein unmenschliches
Verbrechen war. Euer Antisemitismus aber erniedrigt auch uns, denn euer
Hass auf Juden trifft auch uns Palästinenser, weil wir selbst Semiten sind.
Wir brauchen keine neokolonialistischen Befreier aus dem Westen. Keine
prominenten Betonkindsköpfe, gefüllt mit queerem Quark. Wir brauchen
konkrete Betonwerke, um neue Häuser zu bauen. Und dann eine
Enthamasifizierung – wie die Entnazifizierung der Deutschen nach dem
Zweiten Weltkrieg. Und nehmt endlich unsere Palästinensertücher ab! Ihr
seid nicht wert, sie zu tragen! Ihr seht aus, als ob Ihr Spültücher
spazieren führt.“
Auch wenn die Übersetzung etwas bruchstückhaft ist, diesem weisen Ratschlag
lässt sich nichts mehr hinzufügen.
27 May 2024
## AUTOREN
Michael Ringel
## TAGS
Palästina
Gaza
Greta Thunberg
Queer
Martin Walser
Spionage
Wladimir Putin
Humor
Letzte Generation
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