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# taz.de -- Menschenrechtlerin über GIZ-Angestellte: „Warum ist Baraa verhaf…
> Die Mitarbeiterin einer deutschen Organisation wurde von israelischen
> Behörden festgenommen. Es fehlen aber Beweise, sagt Menschenrechtlerin
> Sahar Francis.
Bild: Seit dem 7. Oktober werden vermehrt Palästinenser*innen vom israelischen…
taz: Frau Francis, israelische Behörden haben Baraa Odeh inhaftiert. Die
Palästinenserin hat als Lokalkraft für die deutsche Gesellschaft für
Internationale Zusammenarbeit (GIZ) im Westjordanland gearbeitet. Was wird
ihr vorgeworfen?
Sahar Francis: Baraa wurde in Administrativhaft genommen, das ist wichtig.
Dabei handelt es sich um einen militärischen Antrag, der auf dem sehr
allgemeinen Verdacht beruht, dass die betroffene Person eine Gefahr für die
Sicherheit darstellt. Das Militär kann solche [1][Haftbefehle für einen
bestimmten Zeitraum erlassen]. In Odehs Fall sind es drei Monate.
Warum würde sie eine Gefahr darstellen?
Es gibt keine spezifischen Anschuldigungen oder Beweise, die dem Gericht
vorgelegt wurden. Die Anträge basieren auf geheimen Informationen. Oftmals
wird darin eine politische Affiliation genannt. In Odehs Fall hat der
Militärstaatsanwalt aber erst bei einer gerichtlichen Überprüfung des
Antrags argumentiert, dass sie einer politischen Organisation angehört.
Welcher?
Er erwähnte die Volksfront [Volksfront zur Befreiung Palästinas, PFLP; d.
Red.]. Baraa hat bestritten, dass sie Mitglied irgendeiner Partei ist.
Es wurden keine Beweise vorgelegt?
Überhaupt nichts.
Was wissen Sie über Odehs Aktivitäten?
Soweit ich weiß, arbeitete sie bei der GIZ mit JugendgGruppen. Sie konnte
auch reisen und hatte früher beruflich den Gazastreifen besucht.
Ist es das erste Mal, dass eine Mitarbeiterin einer deutschen Organisation
in Administrativhaft ist?
Meines Wissens ja. Aber Odeh ist nicht die Einzige, die verhaftet wurde.
Viele Studierende, Journalisten und Menschenrechtsverteidiger müssen
aufgrund ihres Social-Media-Aktivismus mit Administrativhaft rechnen.
Was ist Ihre Kritik an dieser Art der Haft?
Die Betroffenen werden auf Grundlage geheimer Informationen verhaftet und
nicht angeklagt. Es gibt kein Verfahren wie bei normalen Gefangenen, die
beschuldigt, angeklagt und gegebenenfalls verurteilt werden. [2][Das
Verfahren verstößt gegen internationale Menschenrechtsstandards]. Man
inhaftiert niemanden ohne eindeutige Beweise. Wenn die Haftanträge erneuert
werden, bleiben die Betroffenen oft auf unbestimmte Zeit in Haft.
Administrativhaft sollte nur unter sehr außergewöhnlichen Umständen
angewendet werden.
Herrschen aktuell nicht außergewöhnliche Umstände in Israel und Palästina?
Administrativhaft gibt es nicht erst seit dem 7. Oktober. Dieses Instrument
wird seit Beginn der Besatzung angewandt. Immer wenn es Zusammenstöße gibt,
wenn der Staat ein Interesse daran hat, Tausende von Menschen in kurzer
Zeit zu verhaften, benutzt er es. Die Administrativhaft ist zum
Hauptinstrument der Besatzung geworden und dient der Unterdrückung und
Kontrolle der Menschen. Das war schon während der ersten und zweiten
Intifada so, aber auch in der Osloer Zeit (in den neunziger Jahren; d.
Red.), als Leute verhaftet wurden, die gegen die Osloer Verträge waren. Man
entwirft einfach zwei Seiten mit geheimen Informationen – und das war’s.
Warum sollte Israel ein Interesse haben, Tausende Menschen zu inhaftieren?
Um der Öffentlichkeit zu zeigen, dass die Regierung den besonderen
Notstand, den sie nach dem 7. Oktober ausgerufen hat, ernst nimmt. Außerdem
werden die Gefangenen im Verhandlungsprozess benutzt. Nach dem 7. Oktober
gab es einen starken Anstieg von Administrativhaftbefehlen.
Sie werfen Israel vor, gezielt palästinensische Gefangene zu machen, nur um
sie gegen die Geiseln auszutauschen, die immer noch im Gazastreifen
festgehalten werden?
Ja, natürlich. Es gab 5.000 palästinensische Häftlinge vor dem 7. Oktober,
mittlerweile sind es 9.500. Eine so hohe Zahl hatten wir noch nie. Sie
haben sogar mehr als zehn Menschen, vor allem Kinder, erneut in
Administrativhaft genommen, die bei der ersten Austauschrunde im November
freigelassen wurden.
Warum sind Sie so sicher, dass auch Baraa Odeh nur verhaftet wurde, um
ausgetauscht zu werden?
Warum ist Baraa verhaftet worden? Warum jetzt? Zwischen Oktober und März
war sie die meiste Zeit in Deutschland. Sie kam zu Weihnachten zurück,
reiste dann wieder nach Deutschland, bevor sie im März auf dem Rückweg ins
Westjordanland verhaftet wurde. Wie soll sie eine Bedrohung für die
Sicherheit dargestellt haben, wenn sie überhaupt nicht in der Gegend war?
Ich halte den PFLP-Vorwurf für lächerlich, weil Odeh in der Lage war zu
reisen. Sie war offenbar nicht als Sicherheitsbedrohung bekannt.
Odehs Anwalt gibt an, sie sei geschlagen worden. Was wissen Sie darüber?
Sie wurde demütigenden Leibesvisitation unterzogen und Polizistinnen
schubsten und traten sie. Das hat sie vor Gericht berichtet. Das ist ernst
zu nehmen, weil fast alle der Gefangenen, mit denen wir sprechen, von
Leibesvisitationen während der Verhaftung oder bei der Verlegung in eine
andere Haftanstalt berichten. Das könnte in einigen Fällen auf sexuelle
Belästigung hinauslaufen. Einige Häftlinge berichteten auch von verbaler
oder körperlicher sexueller Belästigung, auch Männer. Letzte Woche
erreichte uns die [3][Nachricht von einem Arzt], der körperlich angegriffen
wurde und im Gefängnis starb. Wir wissen von 18 Menschen, die ihr Leben [in
israelischer Haft] verloren. [4][Haaretz berichtete] von über 27 Gefangenen
aus Gaza, die in Haftanstalten gestorben sind. In meinen 27 Jahren
Erfahrung in der Gefangenenarbeit habe ich noch nie so viele Tote in so
kurzer Zeit gesehen.
Wo befindet sich Odeh aktuell?
Im Damon-Gefängnis. Das Gefängnis ist überbelegt, und Familienbesuche
wurden gestrichen. Selbst die Besuche des Roten Kreuzes wurden komplett
gestrichen. Vor dem 7. Oktober war das Rote Kreuz die einzige
internationale Organisation, die freien Zugang hatte. Es kam monatlich zu
Besuch. Im Grunde sind die Gefangenen mittlerweile [5][von der Außenwelt
abgeschnitten], es sei denn, sie bekommen Besuch von ihrem Anwalt, wofür es
aber auch viele Beschränkungen gibt.
7 May 2024
## LINKS
[1] /Palaestinensische-Haeftlinge/!5975573
[2] /Palaestinenser-in-Israels-Gefaengnissen/!5991925
[3] https://www.nytimes.com/2024/05/03/world/middleeast/doctor-died-israeli-det…
[4] https://www.haaretz.com/israel-news/2024-03-07/ty-article/.premium/27-gaza-…
[5] /Haftbedingungen-fuer-politische-Gefangene-Israels/!5991939
## AUTOREN
Jannis Hagmann
## TAGS
Schwerpunkt Nahost-Konflikt
Inhaftierung
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