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# taz.de -- Bremen bezuschusst Reparaturen: Staatsknete statt Neukauf
> Bremen will einen Reparaturbonus einführen. Bei der Reparatur von
> Elektrogeräten gibt es damit die Hälfte des Geldes zurück. Vorbild ist
> Thüringen.
Bild: Vieles, was kaputt ist, müsste nicht dort landen: Elektroschrott-Deponie…
Bremen taz | Das Geld kommt. Und auch wenn sonst noch wenig Details
feststehen: Das ist eine gute Nachricht. Bremen führt einen Reparaturbonus
ein, als drittes Bundesland nach Thüringen und Sachsen. Wer Elektrogeräte
reparieren lässt, kann sich die Kosten dafür in Zukunft bis zur Hälfte vom
Land zurückholen. Die groben Planungen sprechen von einer Erstattung in
einer Höhe von höchstens 100 Euro pro Antrag. Voraussichtlich Ende des
Jahres könnte es so weit sein.
Die Argumente: weniger Schrott, weniger Rohstoffbedarf, weniger
Treibhausgase. Mehr Unterstützung für Verbraucher*innen, mehr Wertschätzung
für alte Dinge, eine Stärkung des heimischen Handwerks. Kurz: Man wundert
sich, warum es so etwas nicht schon lange gibt.
Tatsächlich geistert die Idee schon länger durch Bremen. 2022 hatten die
Regierungsfraktionen eine [1][lokale Reparaturoffensive geplant] und dafür
auch einen Bonus angedacht. Man blieb aber noch im Stadium der Prüfung –
das Geld fehlte.
Jetzt kommt die Finanzierung ausgerechnet 2024, nach schlechter
Steuerschätzung, hohen Krisenkosten und trotz einer CDU, die damit droht,
Bremens krisenbegründete Schuldenaufnahme zu beklagen. Aber tatsächlich
macht der Reparaturbonus den Bremer 6,9-Milliarden-Euro-Haushalt nicht
fett: In den Reparaturbonus sollen im laufenden Jahr 250.000 Euro fließen,
und noch einmal 150.000 Euro im nächsten Haushaltsjahr.
## Reparaturen manchmal teurer als Neuanschaffung
Die Fraktionen hatten das Projekt über ihre sogenannten „Gestaltungsmittel“
ergänzt. Für jeden Doppelhaushalt gab es in den vergangenen Jahren noch ein
paar Millionen Euro, die der Finanzsenator im ersten Haushaltsentwurf nicht
verplant hatte.
So können die Fraktionen ein paar Wochen nach der ersten Berichterstattung
noch einmal Schwerpunkte setzen und ihr Profil stärken – klug, denn
zwischen den vielen Millionen für Bildung, Personal und Soziales bekämen
die kleineren Projekte sonst keine Aufmerksamkeit.
„Obwohl aus Umweltsicht so vieles für Reparaturen spricht, wird zu wenig
repariert“, so Linken-Fraktionssprecher Nelson Janßen bei der Vorstellung.
„Reparaturen sind oft genau so teuer oder sogar teurer als
Neuanschaffungen.“ Das ändert sich mit dem Reparaturbonus nicht
grundsätzlich – die Arbeit von Facharbeiter*innen bleibt teuer. Aber
durch die Rückerstattung ist es für die Einzelnen erschwinglich.
## Thüringen repariert schon seit Jahren
Vorbild innerhalb Deutschlands ist Thüringen. Dort wurde der Bonus [2][2021
projektweise für ein Jahr eingeführt] – und an diesem Mittwoch zum dritten
Mal verlängert. Da Bremen selbst nur wenige Details zu den Plänen
herausgibt, lohnt sich ein Blick nach Erfurt.
Thüringen ist sich bewusst, dass es als Vorreiter von vielen Interessierten
genau beobachtet wird. Die Ergebnisse sind auch deshalb [3][erstklassig
dokumentiert:] 34 Dunstabzugshauben, so kann man zum Beispiel nachlesen,
wurden 2023 mit Förderung repariert, 7 Holzspalter, 276 Kühlschränke, 3.968
Handys.
Damit die Bilanz nicht auf diesem Niveau verharrt, hat die Landesregierung
zusätzlich das Fraunhofer-Institut für Zuverlässigkeit und Mikrointegration
für eine Studie engagiert. [4][Das Ergebnis:] Mit rund 2,3 Millionen Euro
Förderung wurden über die drei Projektzyklen Reparaturumsätze von 5,5
Millionen Euro generiert. Vor allem Betriebe in Thüringen selbst haben
davon profitiert: Fachhändler*innen vor Ort und Werkstätten haben drei
Viertel der Reparaturen übernommen.
Eingespart wurden gegenüber einem Neukauf rund 3.000 Tonnen CO2 und 400
Tonnen Elektroschrott. Allerdings ist dies nicht allein die Bilanz des
Reparaturbonus – schließlich wären viele der kaputten Elektroartikel auch
ohne Bonus repariert worden. Über ein Drittel der Nutzer*innen
allerdings hätten die Reparaturen laut Fraunhofer-Institut ohne Bonus nicht
durchgeführt.
## Nutzende müssen in Vorleistung gehen
Genau sie will man erreichen. „Das Projekt fördert bewusst einige
Elektroartikel nicht“, erklärt Mertin von der Verbraucherzentrale. E-Bikes
und E-Autos etwa sind ausgenommen. „Bei denen lohnt sich die Reparatur so
oder so. Uns geht es in dem Projekt um die vielen kleinen und großen
Haushaltsgeräte, die sonst einfach weggeschmissen würden.“
In Thüringen funktioniert die Erstattung auf Antrag. „Im ersten Jahr wurden
uns die Anträge wäschekörbeweise angeliefert“, erinnert sich Mara Mertin
von der Öffentlichkeitsstelle der Thüringer Verbraucherzentrale, die den
Reparaturbonus koordiniert. Mittlerweile läuft alles über ein Onlineportal,
in etwa zehn Minuten ist der Antrag dort gestellt. Allerdings müssen eine
Rechnung und ein Zahlungsbeleg hochgeladen werden: Wer in Thüringen vom
Bonus profitieren will, der muss in Vorleistung gehen. Für arme Familien
ein potenzieller Hinderungsgrund.
In Bremen soll das Geld ähnlich ausgezahlt werden, also über Antrag und
erst im Nachhinein. Die Auszahlung solle „nach den jetzigen Planungen
direkt an die Verbraucher:innen erfolgen“, schreibt die Pressestelle
des Wirtschaftsressorts. Es gäbe durchaus auch andere Systeme: In
Österreich sind es die Reparaturbetriebe, die sich das Geld vom Staat
zurückholen. Allerdings hatten das im vergangenen Jahr einzelne Betriebe
betrügerisch ausgenutzt: Sie hatten dem Staat [5][Rechnungen über fiktive
Reparaturen] gestellt.
Auch andere potenzielle Probleme hat man in Thüringen schon
durchdekliniert. Da der Reparaturbonus als Projekt mit eigenen
Projektmitteln durchgeführt wird, können die Projektmittel irgendwann
auslaufen – in Thüringen ist das bisher in jeder Projektphase irgendwann
passiert, 2023 waren die 600.000 vorgesehenen Euro schon Mitte September
aufgebraucht.
## Unsicherheit bleibt – der Bund ist gefragt
In den laufenden Haushalten konnte zwar in jedem Jahr genügend zusätzliches
Geld zusammengekratzt werden, um auch noch den restlichen Antragsstellenden
ihren Bonus zu bewilligen. Bis es soweit war, dauerte es aber 2023 mehrere
Monate; die Bearbeitung der aufgestauten Anträge nahm dann auch noch
zusätzliche Zeit in Anspruch, Menschen warteten monatelang auf ihren Bonus.
Gelernt hat man daraus, dass Anträge nicht mehr drei Monate rückwirkend
eingereicht werden können. So soll in Zukunft zumindest ein Antragsstau
vermieden werden. Das Grundproblem reicht aber tiefer: „Es gibt keinen
Rechtsanspruch auf den Reparaturbonus“, so Mertin von der
Verbraucherzentrale. Für die Antragsstellenden bleibt ein gewisses Risiko
zurück, die Kosten am Ende doch allein tragen zu müssen, wenn das Geld
aufgebraucht ist.
Verhindern könnte man das nur, wenn der Bonus den Projektstatus verlieren
und verstetigt würde. Das Thüringer Umweltministerium verweist dafür auch
auf den Bund. Und auch Bremens Verbraucherschutzsenatorin Claudia Bernhardt
(Die Linke) sah noch im Februar gegenüber dem Weser-Kurier den Bund in der
Verantwortung, einen Reparaturbonus zu finanzieren.
Aus der Luft gegriffen ist das nicht: Langfristig ist eine Finanzierung
durch die Bundesregierung gerade etwas wahrscheinlicher geworden. Ende
April hat das Europaparlament die [6][neue EU-Richtlinie zum „Recht auf
Reparatur“ verabschiedet.] Und dort ist festgehalten, dass jeder
Mitgliedsstaat mindestens eine Maßnahme ergreifen muss, um Reparaturen zu
fördern.
17 May 2024
## LINKS
[1] /Reparatur-Programm-in-Bremen/!5850736
[2] /Nachhaltigkeit-bei-Elektrogeraeten/!5781660
[3] https://www.reparaturbonus-thueringen.de/downloads-reparaturbonus
[4] https://umwelt.thueringen.de/aktuelles/anzeigen-medieninformationen/der-thu…
[5] https://kurier.at/politik/inland/klimaschutzministerium-verschaerfte-sicher…
[6] /Beschluss-der-EU/!6003471
## AUTOREN
Lotta Drügemöller
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