# taz.de -- Anti-Taliban-Proteste in Afghanistan: Konflikt um Mohn und Land | |
> Das Verbot des Schlafmohnanbaus hat zu Protesten in mehreren afghanischen | |
> Provinzen geführt. Mehrere Demonstranten wurden erschossen. | |
Bild: Die Taliban gehen inzwischen verstärkt gegen die Opiumgewinnung im eigen… | |
BERLIN taz | Die Taliban haben Demonstrationen in den Provinzen | |
Badachschan und Nangrahar niedergeschlagen – jedenfalls vorerst. Am | |
Dienstag wurden keine Proteste mehr gemeldet, nachdem die Taliban nach | |
eigenen Angaben in Badachschan „mehrere Rädelsführer“ festnahmen. Nach | |
lokalen Angaben soll es sich um 50 Personen handeln. | |
Seit letztem Freitag protestierten zunächst Teile der Bevölkerung in den | |
Distrikten Argo und Darajim in Badachschan drei Tage lang gegen Übergriffe, | |
als Mitglieder der Antidrogeneinheit der Taliban versuchten, | |
Schlafmohnfelder zu zerstören. Sie seien in Häuser eingedrungen, hätten | |
dort die Privatsphäre von Frauen verletzt und ethnische Beleidigungen | |
ausgestoßen. Zudem hätten sie Felder mit Weizen und Gemüse zertrampelt. | |
Als es dagegen Protest gab, setzten sie Schusswaffen ein, töteten zwei | |
Männer und verletzten mehrere andere. Das Taliban-Innenministerium | |
bestätigte die Todesopfer. | |
Die Protestierenden, die zur tadschikischen und usbekischen Bevölkerung im | |
Land gehören, warfen den von außen entsandten paschtunischen Polizisten | |
vor, sich nicht an örtliche Sitten gehalten zu haben. Sie verlangten ihre | |
Ersetzung durch lokale Taliban sowie die Bestrafung der Schützen. Gegen die | |
Antidrogenkampagne sei man nicht generell. | |
## Taliban versprachen Ablösung betroffener Einheiten | |
Eine hochrangige Taliban-Delegation sagte am Wochenende der Ablösung der | |
Einheiten zu, aber zumindest im Dorf Barlas in Argo schien das nicht | |
geschehen zu sein. Dort flammten Montagmorgen die Proteste wieder auf. | |
Unabhängigen Medien zufolge erschossen die Taliban dabei zwei weitere | |
Protestierende. | |
Die Taliban-Führung hatte im April 2022 landesweit [1][verboten, | |
„berauschende Substanzen“ inklusive Alkohol zu erzeugen, zu verwenden und | |
damit zu handeln]. In Badachschan setzte sie das Verbot des | |
Schlafmohnanbaus aber erst ab diesem April um, offenbar auch aus | |
ethnopolitischen Erwägungen. | |
Den Taliban ist bewusst, dass ihre Kontrolle über Badachschan nicht | |
gefestigt ist, Teile der Bevölkerung mit oppositionellen Kräften | |
sympathisieren und Widerstand entlang ethnischer Grenzen mobilisiert werden | |
könnte. Zudem bergen die sozialen Folgen des Verbots erhebliches | |
Protestpotenzial. | |
## Hohe Einbußen für Opiumbauern | |
[2][Afghanistans Opiumbauern] verloren laut UNO allein im ersten | |
Verbotsjahr insgesamt über eine Milliarde Dollar an Einkommen, obwohl die | |
meisten auf Weizen umstiegen. | |
In der Ostprovinz Nangrahar wehrten sich am Freitag paschtunische Nomaden | |
gegen die Räumung von Land, das offiziell Staatseigentum ist, das sie nach | |
eigenen Angaben aber 30 Jahre lang ungehindert genutzt hatten. | |
Als die Taliban mit Planierraupen anrückten, um Behausungen abzureißen, | |
blockierten die Demonstranten zwei Stunden lang eine Hauptstraße. Dann | |
schossen Taliban auch hier auf Protestierende. Unabhängigen Berichten | |
zufolge töteten sie fünf Zivilisten und verwundeten acht weitere. | |
## Bisher größte Proteste gegen die Taliban | |
Die spontanen Proteste in beiden Provinzen sind die ersten größeren und am | |
längsten anhaltenden seit der Taliban-Machtübernahme im August 2021, wenn | |
auch voneinander isoliert und lokal begrenzt. Es ist schwer zu beurteilen, | |
ob sich dabei eine generelle Ablehnung des Regimes oder nur einzelner | |
unpopulärer Maßnahmen zeigt. | |
Bisher waren überwiegend Frauen gegen ihren weitgehenden Ausschluss von | |
Bildung und dem Arbeitsmarkt [3][auf die Straße gegangen]. Nach zahlreichen | |
Verhaftungen, Vorwürfen von Misshandlungen und sexuellen Übergriffen | |
während der Haft und der Taliban-Praxis, für die Freilassung | |
Stillhalteerklärungen einzufordern, auch von den Familien der Frauen, gab | |
es seit April 2023 keine Straßenproteste mehr. | |
15 May 2024 | |
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## AUTOREN | |
Thomas Ruttig | |
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