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# taz.de -- Habeck und Co beim taz lab 2024: „Nur mit Humor zu ertragen“
> Nein, so schlimm fand es Robert Habeck beim taz lab 2024 nicht. Sein
> Unmut gilt der Ampel-Kritik von Markus Söder. Auch sonst wurde heiß
> diskutiert.
Bild: Habeck im Gras: Nach seiner Paneldiskussion verweilte der grüne Vizekanz…
BERLIN taz | Dieses Jahr kam dieser grüne Bundesminister nicht auf dem
Fahrrad zur taz, zum taz-Kongress. Er muss Personenschutz in Anspruch
nehmen, egal, ob beim taz lab ein Publikum zugegen ist, das diesem Grünen
mit starker Sympathie im Prinzipiellen entgegenfiebert. Und Robert Habeck
nahm seinen Job ernst: keine Verdrießlichkeit zum Ampelgeschehen im
Allgemeinen und auch keine illoyal stimmenden Mäkeleien.
Als Erstes teilte der Vizekanzler bei seinem Panel aus: „Alle Probleme die
wir derzeit haben, haben wir wegen der Großen Koalition. Und dass
ausgerechnet die CSU sich erdreistet zu sagen, wie dieses Land regiert
werden soll, ist nur noch mit Humor zu ertragen“, sagte Habeck am Samstag
im taz lab-Talk „Wie weiter, Vizekanzler?“ mit taz-Chefreporter Peter
Unfried.
Söder hatte der [1][Welt am Sonntag] gesagt: „Wenn man sich die zentralen
Felder der Politik anschaut – von der Wirtschafts- über die Außen- bis zur
Migrationspolitik, dann weiß man: Mit den Grünen ist kein Staat zu machen
und mit Olaf Scholz auch nicht mehr.“ Sein Vorschlag: Eine Groko – aber
ohne den amtierenden Bundeskanzler. Habeck konterte, das sei
„bundesgeschichtspolitischer Hohn“, und machte sich dann auch über Söders
Instagram-Auftritte lustig: „Er sollte lieber Ostereier bemalen, als solche
Vorschläge zu machen.“ Inhaltlich begründete der grüne
Bundeswirtschaftsminister seine Abfuhr an den Groko-Vorstoß mit den leeren
Gasspeichern im Jahr 2022, der falschen Einschätzung von Wladimir Putin und
der schleppend vorangetriebenen Energiewende zu Zeiten der Großen
Koalition.
Wie es Habeck mit den Anfeindungen gegen die Grünen und seine Person gehe?
„Ganz okay“, sagte er. Es sei wichtig, dass die Grünen nicht mehr an der
Seitenlinie stünden, sondern nun auf dem Spielfeld mitkicken. „Es ist
natürlich selbstkritisch einzuräumen, dass die Fortschrittskoalition jetzt
nicht viel Hoffnung auf Fortschritt geweckt hat, sondern eher mit negativen
Vorzeichen behaftet ist.“ Vielleicht habe die Ampel noch „eine Restchance,
das zu drehen“, sagte Habeck. „Ich glaube, es ist noch nicht komplett
ausgesungen.“
Der Vizekanzler verteidigte auch das neue Klimaschutzgesetz: „Der Kampf
muss im Verkehrsbereich geführt werden. Das Gesetz ist nur die Theorie des
Klimaschutzes.“ Damit bezog sich Habeck auf die [2][Aufweichung der
Sektorziele in der Novelle], wovon vor allem das Verkehrsministerium unter
Volker Wissing (FDP) betroffen gewesen wäre. Wenn ein Ministerium die Ziele
verfehlt, muss mit dem neuen Gesetz nicht mehr zwingend ein Sofortprogramm
vorgelegt werden. [3][Stattdessen kann der CO2-Ausstoß verschiedener Jahre
und Sektoren miteinander verrechnet werden.]
Im taz lab-Talk ging es weiter um die Frage, ob von rechts besetzte
Begriffe wie Heimat, Patriotismus oder Freiheit und Verantwortung von der
politischen Linken verwendet werden sollen. „Solche Begriffe sind verhunzt
und negativ besetzt, aber ich will sie nicht meinen politischen
Mitbewerbern überlassen“, sagte Habeck.
## Von bröckelnden Brandmauern
Was hat ein CDU-Bundestagsabgeordneter bei einer Veranstaltung einer linken
Zeitung zu suchen? Diese Frage wurde Marco Wanderwitz auch von seinem
Taxifahrer gefragt, als dieser ihn am Samstagmittag vorm taz-Haus absetze.
Unter dem Titel „Was heißt hier Brandmauer?“ diskutierte der ehemalige
Ostbeauftragte der Bundesregierung im Gespräch mit taz-Redakteur Konrad
Litschko beim taz lab über den politischen Umgang mit der AfD-Partei.
In drei ostdeutschen Bundesländern finden im September Landtagswahlen
statt, bei denen die AfD als stärkste Partei hervorgehen könnte. Die
anderen Blöcke müssen sich die Frage stellen, wie mit der AfD umzugehen
ist. Marco Wanderwitz setzt sich als ostdeutscher Politiker im Bundestag
für die Einleitung eines Verbotsverfahrens gegen die AfD ein.
Auf der Bühne findet er klare Worte: „Rechtsradikale müssen in die Ecke
gestellt werden!“ Doch parteiintern scheinen die Meinungen da
auseinanderzugehen. Obwohl CDU-Parteichef Friedrich Merz seit Monaten
betont, dass seine Partei keine gemeinsame Sache mit der AfD machen würde,
kam es im Zeitraum zwischen Sommer 2019 und Ende 2023 auf lokaler Ebene zu
52 Kooperationsfällen in Ostdeutschland. Das zeigen die Ergebnisse einer
Studie der Rosa Luxemburg Stiftung. „Unfälle“, wie Wanderwitz zumindest zu
der Zusammenarbeit in Thüringen sagt.
Auf die Frage, mit welcher Strategie man der AfD begegnen sollte, betont
Wanderwitz die Verpflichtung aller demokratischen Parteien, sich
zusammenzuschließen und die AfD inhaltlich zu stellen. Denn, „wenn die AfD
in allen bevorstehenden Wahlen zur stärksten Kraft wird, kann man kaum noch
Politik dagegen machen“. Trotzdem trägt die CDU mehr Verantwortung als
andere Parteien, sich von der AfD zu distanzieren. In Thüringen und Sachsen
sind die Christdemokraten laut Umfragen die zweitstärkste Kraft.
## Über einen Rassismus, der nicht sein durfte
Es geht um den Osten, die DDR und das doofe Narrativ „Rassismus? So was
gab’s hier früher nicht.“ Es geht um die Nachwendezeit und immer auch um
die Gegenwart aus der erlebten Perspektive von Person of Colour oder, um
den Titel der Gesprächsrunde zu zitieren: die „Ossis of Colour“.
Alle Plätze vor der großen Freiluftbühne draußen vor der taz sind komplett
gefüllt, als klar wird, wie unterschiedlich die Perspektiven der
Generationen auf das gesellschaftliche Leben in der DDR ausfallen können.
Der Historiker Patrice Poutrus, geboren 1961 in Ostberlin, war damals
SED-Mitglied. „Die meiste Zeit habe ich versucht, den Genossen zu zeigen,
dass ich nicht anders bin als die anderen.“
Neben ihm sitzt Peggy Kurka, Autorin und Hair und Make Up Artist. 1969
geboren, wurde sie von systemtreuen DDR-Bürger:innen adoptiert und wuchs in
Brandenburg auf. „Ja, wir sind alle schwarz, aber dennoch sind wir doch
komplett anders sozialisiert, außer dass wir vielleicht alle Schmerzen
hatten, wenn man uns die Haare gekämmt hat.“
Journalistin Katharina Warda, sie hatte die DDR als Kindergartenkind
erlebt, macht deutlich, dass Rassismus für sie schon eine gemeinsame
Erfahrung ist: „Die Last der Einsamkeit ist der Rassismus.“ Sie fragt sich,
ob das größere Problem darin lag, dass sich die DDR immer als
antirassistisch verstanden hat, oder dass es keine wirkliche Möglichkeit
gab, antirassistischen Aktivismus zu ermöglichen.
„Ich meine, es gab Aktivist:innen“, ergänzt Peggy Kurka. „Es gab ja eine
Menge, gegen das man sein konnte in der DDR.“
Ein Talk geprägt von einem Abgleichen von Erfahrungen der DDR und
Nachwendezeit und der Gegenwart, die miteinander verwoben oder
nebeneinander betrachtet werden können. Es scheint wie eine lange Suche
nach Identität, die längst nicht abgeschlossen ist.
28 Apr 2024
## LINKS
[1] https://www.welt.de/politik/deutschland/plus251241826/Markus-Soeder-Mit-den…
[2] /Aufweichung-des-Klimaschutzgesetzes/!6006867
[3] /Reform-des-Klimaschutzgesetzes/!6004639
## AUTOREN
Carlo Mariani
Olga Ellinghaus
Aron Boks
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