# taz.de -- CDU-Parteichef wiedergewählt: Merz kann noch stolpern | |
> Bei der CDU scheint Merz fest im Sattel. Aber es warten noch einige | |
> Hürden auf ihn, allen voran in Thüringen. | |
Bild: Friedrich Merz, CDU Bundesvorsitzender, nimmt nach seiner Rede beim CDU-B… | |
Die CDU, eine zerstrittene und gespaltene Partei? Machtkampf zwischen | |
Merkelianern und Merzianern? War da was? Friedrich Merz hat es in den | |
vergangenen zwei Jahren überraschend gut geschafft, die CDU hinter sich zu | |
vereinen und auf sich zuzuschneiden. | |
Klima- und Energiepolitik, Migration und Sozialpolitik: Man kann und muss | |
den neuen Kurs der Partei aus progressiver Sicht an vielen Punkten scharf | |
kritisieren. Die gute Nachricht aber ist: Rechtspopulistisch abgebogen wie | |
zahlreiche Mitte-rechts-Parteien in anderen europäischen Ländern ist die | |
CDU bislang nicht. Kommt jetzt also Merz als Kanzlerkandidat? Tatsächlich | |
läuft die Kandidatur direkt auf den CDU-Chef zu. Entschieden ist das aber | |
noch lange nicht. | |
Natürlich gibt es die, die ihren Vorsitzenden auf dem Parteitag nur mit | |
geballter Faust in der Tasche wiedergewählt haben. Delegierte vom | |
Sozialflügel etwa, die befürchten, dass ihre Partei unter Merz zu einer FDP | |
light mutiert. Oder liberale Christdemokrat*innen, die sich sorgen, dass | |
die CDU sich zu weit rechts von der Mitte positioniert und die | |
Wähler*innen verliert, die ihr unter Merkel die Mehrheit sicherten. Aber | |
der Parteitag hat nicht nur Merz mit einem guten Ergebnis als Parteichef | |
bestätigt und sein gut 20 Jahre jüngeres Abbild Carsten Linnemann mit einem | |
noch besseren Votum zum Generalsekretär gewählt. | |
Die Delegierten haben auch ohne viel Gegenrede [1][ein neues | |
Grundsatzprogramm] durchgewunken, das die Partei [2][konservativer und | |
wirtschaftsliberaler] aufstellt. Das vielleicht drastischste Beispiel | |
dafür: das Aushebeln des individuellen Rechts auf Asyl, wie es im | |
Grundgesetz verankert ist. Selbst die gemeinsame Wortmeldung von | |
katholischen und evangelischen Bischöfen im Vorfeld des Parteitags, dass | |
dies mit christlichen Werten unvereinbar sei, hat auf dem Parteitag noch | |
nicht einmal zu einer wirklichen Debatte geführt. Die CDU ist jetzt auch | |
programmatisch auf Merz ausgerichtet. | |
## Die Machtpartei | |
Kriege und Krisen und der – auch hierzulande – nach rechts verschobene | |
Zeitgeist spielen ihm dabei in die Hände. Die Schwäche der Ampel tut das | |
auch. Und: Die CDU ist nun einmal eine Machtpartei. Dass das Kanzleramt | |
nach der dramatischen Niederlage bei der letzten Bundestagswahl wieder in | |
greifbarer Nähe zu sein scheint, berauscht die Partei und macht sie | |
geschmeidig. Merz’ Rede, die im Sound mehr vorsichtige Regierungserklärung | |
als mitreißende Parteitagsansprache war, verstärkt diesen Eindruck. | |
Alles läuft nun ohne Zweifel auf Merz als Kanzlerkandidaten für die Union | |
zu. Das scheint selbst [3][CSU-Chef Markus Söder] zu realisieren, der sich | |
während seiner Auftritte vor den Delegierten vergleichsweise handzahm gab. | |
In der Partei heißt es, nur Merz selbst könne sich jetzt noch um die | |
Kanzlerkandidatur bringen – ein Hinweis auf dessen Dünnhäutig- und | |
Unberechenbarkeit. | |
Es scheint zwar so: Je näher die Macht rückt, desto stabiler wird Merz, | |
Ausfälle und gewichtige Fehler gab es in den vergangenen Wochen kaum mehr. | |
Doch die Sorge so mancher Christdemokrat*innen bleibt: Was passiert, | |
wenn es mal schlecht läuft und der Druck auf die CDU und ihren Chef | |
persönlich wieder steigt? | |
## Der Osten mit Stolperpotenzial | |
Und da gibt es im Herbst – vor der Kür des Kanzlerkandidaten – auch noch | |
die Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg, die Merz ins | |
Straucheln bringen könnten. Das gilt ganz besonders für Thüringen. Hier hat | |
die Bundes-CDU es verpasst, rechtzeitig – also eher vor Jahren als vor | |
Monaten – das vom Parteitag beschlossene Verbot der Zusammenarbeit mit der | |
Linkspartei abzuräumen. | |
Viel spricht aber dafür, dass die CDU entweder mit der Linken von Bodo | |
Ramelow, der ja deutlich mehr Sozialdemokrat als Linksradikaler ist, oder | |
mit der Truppe von Sahra Wagenknecht zusammenarbeiten muss. Ohne diese | |
beiden Parteien könnte in Thüringen eine Regierungsbildung, die die | |
rechtsextreme AfD außen vor lässt, schlicht unmöglich sein. | |
Was aber dann? Darauf bleibt die CDU bislang die Antwort schuldig. Dass sie | |
entschlossen ist, mit der AfD nicht zusammenzuarbeiten, kann man den | |
Verantwortlichen in Bund und Land abnehmen. Doch wie reagiert die Basis, | |
auch in den westlichen Landesverbänden, wenn die Alternative eine | |
Zusammenarbeit mit vermeintlichen Kommunist*innen ist? | |
Die verzwickte Lage in Erfurt und die Unberatenheit der | |
Christdemokrat*innen vor Ort haben bereits Merz’ Vorvorgängerin im | |
Parteivorsitz [4][zum Stolpern gebracht]. Auch Annegret Kramp-Karrenbauer | |
hatte bis dahin gute Aussichten auf die Kanzlerkandidatur – am Ende war sie | |
sogar den Posten als Parteichefin los. Diese Hürde muss Merz noch nehmen. | |
10 May 2024 | |
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## AUTOREN | |
Sabine am Orde | |
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