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# taz.de -- Diskriminierung in der Schule: Die kleinen Biester
> Meine kleine Tochter Hatice ist mitsamt ihrem ausländischen Namen und
> ihren schwarzen Haaren eingeschult worden. Ich befürchtete das
> Schlimmste.
Bild: Probleme mit Diskriminierung in der Schule sind keine Seltenheit: Demonst…
Dass meine kleine Tochter Hatice irgendwann doch zur Schule gehen muss,
konnte ich nicht verhindern. Ich sag ja immer, zu viel Demokratie ist auch
nicht gut. Mit manchen Gewohnheiten können die Menschen leider nicht so
leicht brechen, sei es noch so gesundheitsschädlich. Wie Rauchen, Alkohol,
Schule oder Ehe.
„Die vielen kleinen Biester werden Hatices zarte Kinderseele brutal
verletzen“, seufzte ich.
„Wenn sie irgendwann später als alte Oma die Schulbank drücken muss, würden
die kleinen Biester sie erst recht fertig machen“, argumentierte meine Frau
Eminanim und schickte sie kaltlächelnd zur [1][Schule].
Ich konnte von zu Hause aus regelrecht hören, wie Hatice wegen ihrer
schwarzen Haare und ihres ausländischen Namens permanent gehänselt und
beleidigt wurde.
Am Nachmittag holte ich sie total verheult von der Schule ab. Nicht sie ist
total verheult, sondern ich.
„Papa, siehst du diesen Malte-Leon da vorne?“, fragte sie mich.
„Ich wusste es doch! Er hat dich beleidigt, nicht wahr? Warte hier, das
wird er sofort büßen“, rief ich.
„Spinnst du, Papa? Der Malte-Leon ist sehr nett und hat mich bloß zu seinem
Geburtstag eingeladen.“
„Und wegen deiner Haare? Was hat er wegen deiner schwarzen Haare gesagt?“
„Das war der Maximilian-Philipp.“
„Wo ist der Kerl? Zeig ihn mir! Der ist jetzt fällig!“
„Wieso das denn? Der Maximilian-Philipp findet meine Haare total süß. Er
wünscht sich auch schwarze Haare mit Locken, sagte er.“
Hatice log bis sich die Balken biegen, um mir gegenüber nicht zuzugeben,
dass sie bereits am ersten Tag brutal gemobbt und vor der ganzen Klasse
[2][rassistisch beleidigt] wurde.
Am nächsten Tag holte ich sie wieder von der Schule ab.
„Hatice, sag schon, wer war es diesmal?“, stammelte ich verzweifelt.
„Diesmal war es der da, Papa, Benjamin-Bastian.“
„Warte hier. Ich zeige dem kleinen Rassisten mal, was eine Harke ist!“
„Nennt man die Jungs, die Geburtstage haben, Rassist, Papa?“
„Wie bitte? Hat der dich etwa auch zum Geburtstag eingeladen?“
„Ja. Und dieser andere Rassist dort, Alexander-Ben-Luca, hat mich auch zum
Geburtstag eingeladen, Papa.“
Es dauerte vier Wochen, bis Hatice nicht mehr konnte und als ein seelisches
Wrack zum Schulpsychologen laufen musste.
„Herr Engin, so geht es mit Ihrer Tochter nicht weiter“, sagte Dr. Dr.
Breitschuh-Schmalfuß.
„Ich weiß. Ein kleines türkisches Mädchen gehört nun mal nicht in die
Schule. Aber erzählen Sie das ihrer ignoranten Mutter“, gab ich ihm
natürlich recht.
„Herr Engin, Sie sollten endlich aufhören, ihre Tochter zu terrorisieren,
wie rassistisch ihre Schulkameraden sind“, brüllte er mich an.
„Sind sie das denn etwa nicht?“, stammelte ich verwirrt.
„Wie denn? 80 Prozent der Kinder stammen selbst aus
[3][Migrantenfamilien].“
„Sie haben ja keine Ahnung, wie rassistisch die Migranten sein können“,
entgegnete ich.
„Papa, ich schäme mich für meinen Namen“, schluchzte Hatice plötzlich.
„Herr Dr. Dr. Breitschuh-Schmalfuß, haben Sie das gehört? Ich wusste es
doch! Was meinen Sie wohl, weshalb sie sich für ihren türkischen Namen
schämt?“, triumphierte ich.
„Papa, in der Schule haben alle Kinder [4][so schöne Doppelnamen]. Sogar
dieser Kerl hier. Nur ich nicht. Ab jetzt heiße ich Hatice-Fatima.“
18 May 2024
## LINKS
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[4] https://www.bmj.de/DE/themen/gesellschaft_familie/namensrecht/namensrecht.h…
## AUTOREN
Osman Engin
## TAGS
Schwerpunkt Rassismus
Kolumne Alles getürkt
Diskriminierung
Schule
Migranten
Kolumne Alles getürkt
Bildungspolitik
Bildungspolitik
Schwerpunkt Internationaler Tag der Roma
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