# taz.de -- Arbeiten am 1. Mai: Malochen kann man immer | |
> Am 1. Mai sollte niemand arbeiten, denn der Kampf für | |
> Arbeitnehmer:innenrechte ist wichtig. Aber manchmal kommt der | |
> Alltag dazwischen. | |
Bild: DGB-Demonstration im Hamburg unter dem Motto Mehr Lohn, mehr Freizeit, me… | |
[1][Der 1. Mai ist ja ein bisschen wie Silvester]. Allerorten ist etwas | |
los, hier wird gefeiert, dort demonstriert, manches überschneidet sich, | |
sodass man immer etwas verpasst, weil man überall und nirgends ist. Fast | |
ist es eine Erlösung, am Tag der Arbeit arbeiten zu müssen (und damit dem | |
Namen des Feiertages im Eigentlichen gerecht zu werden), sodass sich die | |
Frage nach dem Hin oder Her gar nicht erst stellt. Auch wenn es sich an | |
einem der ersten Sommertage des Jahres etwas unwirklich anfühlt, unter | |
künstlichem Licht im Büro zu sitzen, während alle anderen in der Sonne | |
baden. Und nebenbei den [2][Kampftag der Arbeiterklasse] an sich | |
vorbeiziehen zu lassen, an dem eben gerade nicht malocht wird. | |
Aber was wüsste man schon von jeglichem Kampf, gäbe es niemanden, der | |
darüber berichtete. Und ob bei Journalismus von Malochen die Rede sein | |
kann, ist auch so eine Frage. Aber das nur nebenbei. | |
Zurück zu den Kämpfen dieser Woche. In den USA nimmt man es ja nicht so | |
ernst mit den Arbeiterrechten. Und so geht man zwar auch dort am 1. Mai auf | |
die Straße – aber erst zum Feierabend. Deshalb konnte am Mittwoch auch | |
Harvey Weinstein vor Gericht geladen werden. Das New Yorker | |
[3][Vergewaltigungsurteil gegen den ehemaligen TV-Mogul war Ende April | |
wegen Verfahrensfehlern] aufgehoben worden. Weinstein steht wie kein | |
anderer für das System Hollywood, in dem Männer ihre Macht ausnutzen, um | |
Frauen sexuelle Gewalt anzutun. Die Aufhebung des Urteils ist daher ein | |
Affront für die Opfer des heute 72-Jährigen, aber auch für alle anderen | |
Frauen in der Filmbranche und rund um die Welt, für die Weinstein nur einer | |
von Vielen ist. | |
Aufgehoben wurde aber nicht [4][die #metoo-Bewegung.] Frauen erzählen | |
weiter ihre Geschichten, ziehen weiter vor Gericht. Doch dort müssen sie | |
gehört werden. Und Politik und Justiz müssen Wege finden, Täter wie | |
Weinstein zu verurteilen und Urteile wasserdicht zu machen. | |
## Kein fester Wohnsitz, öfter inhaftiert | |
Es ist ja ein Klischee zu behaupten, die Kleinen fange man, die Großen | |
lasse man laufen. Man kann es aber auch eine Volksweisheit nennen, für die | |
nicht zuletzt Ronen Steinke in seinem Buch „Vor dem Gesetz sind nicht alle | |
gleich“ genügend Beispiele gefunden hat. Unser Rechtssystem sieht vor, | |
Strafen nicht nur anhand des Delikts zu bemessen, sondern auch nach den | |
Umständen. Wer einen festen Wohnsitz hat, einen Job und Familie, wird nicht | |
so schnell inhaftiert wie jemand, der auf der Straße lebt und kein | |
Einkommen hat. Wer Geld hat, kann sich außerdem einen Rechtsbeistand nach | |
Wahl leisten. Arme Menschen sind auf Pflichtverteidigung angewiesen – oder | |
müssen allein im Gerichtssaal stehen. | |
„In Europa werden Menschen zunehmend für geringfügige Vergehen | |
kriminalisiert und bestraft“, heißt es in einer Mitteilung für die neue | |
Kampagne „Kleine Vergehen, schwere Strafen“, die eine Gruppe europäischer | |
NGOs diese Woche gestartet hat. Die Kriminalisierung und Bestrafung | |
geringfügiger Vergehen ziele „unverhältnismäßig auf Menschen aus | |
rassifizierten Gemeinschaften, Menschen in Armut und andere marginalisierte | |
Gruppen ab“. Mit der Kampagne fordern die NGOs, darunter das Justice | |
Collective in Deutschland, die EU auf, auch bei geringfügigen Vergehen das | |
Recht auf einen Anwalt oder eine Anwältin zuzugestehen. | |
## Das Bangen geht weiter | |
Der Übergang zu einem weiteren diese Woche bestimmenden Kampffeld wird | |
jetzt leider etwas holprig: die [5][Verhandlungen zu einem Waffendeal in | |
Nahost]. Jeden Tag haben wir auf ein Ergebnis der Gespräche in Kairo | |
gewartet. Gerne hätten wir berichtet, dass alle israelischen Geiseln in den | |
Händen der Terrorgruppe Hamas freigelassen und die Kämpfe eingestellt | |
werden. Aber die Verhandlungen sahen lediglich die Freilassung von bis zu | |
40 Geiseln vor – wie viele von den 135 bisher nicht befreiten Geiseln | |
überhaupt noch leben, ist nicht bekannt. | |
Und während Anfang der Woche die Hoffnungen noch groß waren, dass die | |
Gespräche in Kairo zu einem Ergebnis kommen, sah es am Freitag so aus als | |
wolle die Hamas den Deal ablehnen. Das Bangen geht damit weiter. | |
3 May 2024 | |
## LINKS | |
[1] /Soziologe-Ullrich-zu-Protesten-am-1-Mai/!6004468 | |
[2] /Zum-Internationalen-Arbeiterkampftag/!6004820 | |
[3] /Harvey-Weinstein-wieder-vor-Gericht/!6004920 | |
[4] /5-Jahre-metoo/!5885447 | |
[5] /Krieg-in-Nahost/!6008326 | |
## AUTOREN | |
Johanna Treblin | |
## TAGS | |
Kolumne Der rote Faden | |
1. Mai | |
Demos | |
Arbeitskampf | |
#metoo | |
Harvey Weinstein | |
Kolumne Der rote Faden | |
Kolumne Der rote Faden | |
Kolumne Der rote Faden | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Bad news und rechte Jugend: Taylor Swift for President! | |
Zu viel schlechte Nachrichten machen depressiv und destruktiv. Dabei gibt | |
es auch Gutes zu berichten: Taylor Swifts toller Erfolg und ihr Einfluss. | |
Olaf Scholz auf TikTok: Dem Olaf seine Aktentasche | |
Olaf Scholz ist nicht länger das Faxgerät der Bundesregierung. Der | |
Bundeskanzler ist jetzt auf TikTok. | |
7. Oktober, AfD, Fake News: Kopfschutz fürs Superwahljahr | |
Unsere Autorin blickt auf die vergangene Woche und die Debatten der letzten | |
Monate. Für die Zukunft braucht sie wohl einen großen Hut zum Selbstschutz. |