| # taz.de -- Jazzkonzert für Duke Ellington: „Blues ist immer unser Rückgrat… | |
| > Jason Moran und Christian McBride spielten in Berlin zu Ehren von Duke | |
| > Ellington. Beide bringen enzyklopädisches Wissen um die Jazzgeschichte | |
| > mit. | |
| Bild: Der US-Jazzpianist Jason Moran und Bassist Christian McBride beim Konzert… | |
| Eben noch hat Christian McBride mit einem Anflug von Tango fest in die | |
| Saiten gegriffen, dann singen seine Hände auf dem Bass eine Melodie, | |
| während Jason Moran aus Motiven und der Stimmung von „Such Sweet Thunder“ | |
| Mikro-Segmente herausschält und auf dem Flügel im Zeitraffer zu gewagten | |
| Improvisationen ausreift. Wie sie innerhalb eines Stücks mühelos die | |
| Stilistiken wechseln, Thema und Begleitung zwischen Saiten und Tasten | |
| schweben und sich beide wieder auf das gemeinsame Lot einpendeln, ist | |
| atemberaubend. Die Zuschauer:innen sind am Dienstagabend im Berliner | |
| Boulezsaal gleich bei ihnen. | |
| Als Moran langsam und mit sanftem Druck auf den Pedalen die folgende | |
| Ballade einleitet und schließlich die sehnsuchtsvoll aufsteigende Phrase | |
| von „In a Sentimental Mood“ vernehmbar wird, geht ein kaum merkliches | |
| Aufseufzen durchs Publikum und es wird klar: Wer beim Konzert ist, sucht | |
| nicht nach Sättigung von Vorwissen, sondern nach Lauschfreuden im | |
| Augenblick ihres Entstehens. | |
| Denn es geht um die Interpretation von „Ellingtonia“. So wird das | |
| einzigartige Werk des US-amerikanischen Komponisten, Pianisten und | |
| Bandleaders Duke Ellington genannt. Er war ein Meister im Ausbalancieren | |
| von Atmosphären, Gefühlen und Hörerfahrungen, von musikalischen Spielarten | |
| und Persönlichkeiten in seinen Orchestern. 2024, im Jahr seines 125. | |
| Geburtstags, finden auch in Deutschland einige Konzerte ihm zu Ehren statt. | |
| ## Erforschen der Pioniere der Jazzmusik | |
| Das Gastspiel von Jason Moran und Christian McBride im Berliner „Boulez | |
| Saal“ ist intelligent programmiert: Beide verfügen über ein | |
| enzyklopädisches Wissen um die Jazzgeschichte und waren schon vor Jahren | |
| gemeinsam mit einem Ellington-Programm unterwegs. Moran hat seine | |
| intensiven Forschungen [1][zu den Pianisten Fats Waller] und [2][Thelonious | |
| Monk] in Musikprojekte übertragen und ein Programm zum Pionier des frühen | |
| Jazz, James Reese Europe, auf internationalen Konzertbühnen präsentiert. | |
| McBride ist seit 2004 künstlerischer Leiter des National Jazz Museums in | |
| Harlem/New York und hat in seinem Podcast „Jazz Night in America“ unzählige | |
| Gespräche mit Künstlern und zu Themen der Jazzgeschichte geführt, zum | |
| Beispiel über [3][den Komponisten, Arrangeur und Textdichter Billy | |
| Strayhorn] (2016). | |
| Strayhorn, so Moran im Boulez Saal, sei Ellingtons rechte Gehirnhälfte | |
| gewesen. Deshalb haben sie den Abend mit der Ballade „Isfahan“ eröffnet, in | |
| der Moran die lyrische Erkennungsmelodie nur einen Hauch im Tempo abwandelt | |
| und sich die Töne, die McBride vom Bass aussendet, wie eine Umarmung | |
| anfühlen. In Zeiten von Cooljazz, Rock'n'Roll und Calypso erinnerte | |
| Ellington beim Newport Jazz Festival 1956 sein Publikum mit „Jeep’s Blues“ | |
| an die Wurzeln des Blues im musikalischen Erbe. | |
| ## Musik ohne Effekthascherei | |
| Auch diese große Wirkung breiten Moran und McBride genussfreudig aus, denn | |
| die Komposition genügt schlicht sich selbst. „Blues,“ so Moran, „ist imm… | |
| unser Rückgrat“. Die Beiden agieren – und das unterscheidet sie von | |
| Kollegen mit übermäßigem Geltungsdrang – vollkommen selbstlos, sie spielen | |
| Musik ohne jede Effekthascherei. | |
| McBride zupft die Saiten in Höchstgeschwindigkeit so schwerelos wie im | |
| Vogelflug, mal lässt er den Unterarm nachschwingen oder schwenkt von der | |
| Melodie zurück auf einen voluminösen Walking Bass. Moran erinnert in einem | |
| Solo an die dramatischen Volten in Ellingtons frühen Werken für Tonfilm und | |
| seinen späteren Suiten für große Besetzung. Er steigert die Intensität hin | |
| zu dröhnenden Klangwellen und repetitiven Figuren, ohne je das Gefüge von | |
| Ellington zu zerlegen. | |
| Das Konzert endet mit einem Medley aus Ellington-Kompositionen der | |
| Bigband-Ära in den 1930er und 40er Jahren. Währenddessen wird noch einmal | |
| bewusst, welche zeitlose Vielfalt an Klängen, Sinneseindrücken und | |
| Spielweisen man mit Jason Moran und Christian McBride an diesem Abend | |
| erlebt hat. Das Ellington-Jahr hat sich in diesen Stunden schon erfüllt. | |
| 18 Apr 2024 | |
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| ## AUTOREN | |
| Franziska Buhre | |
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