# taz.de -- Die Wahrheit: Juwelen des Kiezkapitalismus | |
> Dienstleistungen à la carte: Allerorts werden Vermittlungssysteme | |
> perfektioniert – ein Besuch bei Mister Checker und anderen Checkern in | |
> Frankfurt. | |
Der Zettel „Ich suche Garage zu vermieten“ hing seit einer Woche im Fenster | |
des Schuster- und Schlüsseldiensts an der Ecke. Natürlich dachte ich | |
zunächst: Deutsch nicht ganz perfekt, egal. Doch was wurde konkret | |
gewünscht? Garage gesucht? Oder zu vermieten? Um Klarheit zu gewinnen, ging | |
ich schließlich in den Laden hinein. | |
Selbstverständlich habe er das bewusst so geschrieben, erklärte mir der | |
freundliche und ziemlich gut aussehende Herr, der lässig am Tresen stand. | |
Schließlich würden ihn die Leute hier im Frankfurter Gentri-Kiez ständig | |
fragen, wo sie eine Garage finden könnten. Bei ihm im Geschäft hätten nun | |
beide Seiten Gelegenheit, sich zu melden, Anbieter und Suchende. Bei einem | |
Match bekäme er eine Vermittlungsgebühr, ganz einfach. | |
Ich war beeindruckt und nannte ihn fortan nur noch Mister Checker. Er | |
lachte und zwinkerte mir zu. Mister Checker hatte den „erweiterten | |
Wirschaftskreislauf“ präzise formuliert in Miniaturform gebracht. Auf ein | |
Reiskorn quasi! Erstaunlich. Jetzt war es nur eine Frage der Zeit, wie | |
lange er sich noch mit Schlüsseln und Schuhen herumschlagen würde. Bald | |
könnte er in Frankfurt, vom Stadtmarketing gern Mainhattan genannt, in | |
einem schicken Büro von Garagen-Matchen leben. Moderne Dienstleistung, das | |
war es. Plötzlich entdeckte ich, wie allerorts Vermittlungssysteme | |
perfektioniert werden. | |
## Genialer Kindereinfall | |
Herumsausende Essenslieferanten gehören ja schon lange zur | |
Großstadtnormalität. Doch neu war das Plakat einer Grundschule: | |
„Rund-um-Räder-Markt! Sie bringen die Räder und wir verkaufen für Sie! Auf | |
Kommissionsbasis! Samstag 9 Uhr.“ Bei Herrn Super-Checker hieße das sicher | |
cooler: „Suchen Bikes zu verkaufen“, doch der Kindereinfall war trotzdem | |
genial. So brauchten sie sich nicht um das lästige Organisieren von Rädern | |
zu kümmern, sondern könnten spielerisch ihre Rechenkenntnisse vertiefen. | |
Oder handelte es sich doch um eine Idee der Eltern oder gar ortsansässiger | |
Hehlerbanden? | |
Wie auch immer, Service als Schlüssel zur Zukunft. Das wussten heutzutage | |
sogar die Grundschüler. Das Wort „Kommission“ hatten sie bereits im | |
Kindergarten gelernt. Höchste Zeit, mein schlichtes Angestelltendasein zu | |
überdenken. Ich könnte neue, interessante Nischen finden, zum Beispiel für | |
meine Minimalisten-Nachbarschaft ein Schild ins Treppenhaus hängen: „Weg | |
mit Überflussdingen, sell 4U, Mini-Kommi“. Klang allerdings albern und | |
durchschaubar. Und wer sollte das Nachbarzeugs eigentlich kaufen? Keine | |
gute Idee zum Reichwerden. | |
Wie wäre es stattdessen mit: „Suche eure geheimen Schubladen-Manuskripte | |
unter meinem Namen zu veröffentlichen!“? Da steckte Charme drin, lang | |
verborgene Juwelen der Literatur könnten endlich erstrahlen. Voller | |
Vorfreude kam mir gleich noch eine Idee: „Suche mit Mister Checker ein bis | |
zwei Schoppe Ebbelwoi zu konsumieren. Vermittlungsgebühr angenehm.“ | |
30 Apr 2024 | |
## AUTOREN | |
Claudia Römer | |
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