# taz.de -- Die Wahrheit: Die singenden Schüsseln | |
> Chinesische Restaurants sind Oasen nicht nur des Essens, selbst wenn am | |
> Nachbartisch von geschäftstüchtigen Herren kräftig gedongt wird. | |
Ganz schöner Krach in der Stadt. Ständig neue Baustellen und allüberall | |
Verkehrsgeräusche. Glücklicherweise hat meine geheime Oase, das | |
Chinarestaurant „Kleiner Drache“ unweit des Frankfurter Hauptbahnhofs, | |
schon geöffnet. | |
Herr Wang freut sich über mein Kommen. „Ni hao! Ni hao! Für Sie haben wir | |
immer Platz.“ Seit Wochen erzählt er mir, dass bestimmt bald wieder mehr | |
asiatische Reisegruppen nach Deutschland kommen. Die Spezialität von | |
Familie Wang sind nämlich verschieden gefüllte Dampfknödel namens Baozi, | |
die sich in China großer Beliebtheit erfreuen. So einen Teller Baozi stellt | |
mir der Chef des Lokals gleich auf den Tisch. „Manman chi.“ Das heißt | |
„langsam essen“ und ist die chinesische Art, Gemütlichkeit zu verbreiten. | |
Drei asiatisch aussehende Herren am Nebentisch mampfen bereits gemütlich | |
langsam ihre Knödel in sich hinein. „How many high buildings do you have in | |
Frankfurt?“, fragt mich einer der Herren unvermittelt. Dass es in China, | |
und ganz speziell in Shanghai, viel mehr Hochhäuser gibt, habe ich bereits | |
häufiger gehört. Deshalb stapele ich diesmal extra tief. „Maybe ten.“ – | |
„Not more?“ – „Maybe more.“ | |
Ich zucke mit den Achseln und schiebe mir einen extra großen Baozi rein. | |
Aber es kommt gleich eine neue Frage: „Do you like Singing Bowls?“ Singende | |
Schüsseln? Er hält mir eine schöne, messing-goldene Klangschale entgegen: | |
„You can look here! Singing bowl from Asia!“ | |
Lachend klopft der Herr mit einem Schlägel dagegen und schiebt mir einen | |
Angebotszettel mit Schüsseln und ihren Preisen hinüber. Nicht ganz billig, | |
aber irgendwie gefallen sie mir doch sehr. Sie sehen so schön glänzend, | |
rund und perfekt aus. | |
In diesem Moment betritt eine zarte Frau mit blonder Hochsteckfrisur das | |
Chinarestaurant und geht auf die Herren zu. Auf dem Rücken ihres T-Shirts | |
steht: „Ab hier bitte lächeln.“ Nun wird eine ganze Reihe von Singenden | |
Schüsseln für die kaufinteressierte Dame aufgebaut und mit Klöppeln kräftig | |
angedongt. Dong, Dooong! | |
Alle lachen. | |
„Entschuldigung, wofür braucht man diese Schalen denn genau?“, frage ich | |
die Frau tapfer anlächelnd, denn ich habe etwas Angst vor ihr. „Eine | |
Klangschalenmassage kann helfen, blockierte Chakren zu öffnen und die | |
Energie wieder frei fließen zu lassen“, erklärt sie mir wie aus der Pistole | |
geschossen, und pfeffert ein fettes Lächeln hinterher. Einer der Herren | |
lässt dann ganz speziell für mich die Schalen vibrieren, die meine Chakren | |
sofort befreien. Das Dong Dooong hat phänomenal gewirkt. | |
Spontan entscheide ich mich für den Kauf der größten Singenden Schüssel. | |
Sie hat in meiner Wohnung einen Ehrenplatz auf der Flurkommode gefunden. | |
Gäste werden nun stets mit einem Dong Dooong und einem Riesenlächeln | |
empfangen. Von blockierten Chakren befreit geht es danach sehr gemütlich | |
zu. Und falls ich einmal ein Restaurant eröffne, so soll es „Singende | |
Schüssel“ heißen, und alle sollen langsam essen. | |
25 Jul 2023 | |
## AUTOREN | |
Claudia Römer | |
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