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# taz.de -- Die Wahrheit: Slow ist das neue snell
> Zur „Slowenischen Woche der Wahrheit“ einige dringend notwendige
> Anmerkungen zum langsamsten und reichsten Land des ehemaligen
> Jugoslawiens.
Langsam ist schnell etwas, denn schnell klinge doch fast wie „snail“, was
Schnecke heißt, erklärte mir kürzlich eine hauptsächlich Englisch
sprechende Studentin. Wenn Deutsche sagen „Ich geh mal schnell einkaufen“,
würde sie denken, wir wollten uns in Zeitlupe durchs Geschäft bewegen.
Was es mit dem Namen Slowenien auf sich hat, war mir slow … nein, snail
klar, als mir auf einer Buchmessenparty in der Buffetschlange eine leise
Stimme „Eile mit Weile“ ins Ohr zischte. Es war Slavoj Žižek
höchstpersönlich, der mir auf die Schulter tippte. Tatsächlich hatte ich
das herumliegende Fingerfood viel zu hektisch in mich hineingestopft.
Nachdenklich nickte ich ihm zu. Bedächtig kraulte Slavoj seine Bartlocken
und spazierte in Slow Motion zu einer anderen Person.
Slowenien, das Land der Langsamen, gilt als das wohlhabendste unter den
Staaten des ehemaligen Jugoslawiens. Kein Wunder, Slow Food können sich ja
auch bei uns nur die Schönen und Reichen leisten. Fast Food hingegen wird
von Kreti und Pleti zu jeder Tageszeit stumpf heruntergeschlungen.
Haupteinnahmequellen des beliebten Urlaubslands sind Mautgelder und die
ebenso gebührenträchtige Verfolgung jeglicher
Geschwindigkeitsüberschreitung. Schnell heißt „hitro“ und ist ein
Schimpfwort. Das sanft anmutende „počasi“ hingegen heißt langsam. „Mein
liebes Počasilein“, flüstern die slowenischen Liebenden unentwegt vor allem
im Frühjahr.
Was nur wenige wissen ist, dass Michael Ende eine ganz eigene Version der
Momo-Geschichte für Slowenien verfasste, in welcher der bekannt langsame
„Beppo Straßenkehrer“ der wahre Held ist und Momo nur eine sympathische
Trickdiebin. Seitdem wird alljährlich, besonders in Ljubljana, das
Beppo-Fest gefeiert. Jung und Alt tanzen dann auf speziellen Borstenschuhen
im Slow Fox durch die Straßen und Gassen der pittoresken Hauptstadt.
Wenn hinterher alles blitzeblank geputzt ist, frönen sie ihrer
Lieblingsspeise Prekmurska Gibanica. Das süße Dessert aus dem Städtchen
Prekmurje besteht aus Mürbeteig umhüllt von Strudelteig mit einer Füllung
aus Mohn, Hüttenkäse, Walnüssen und Äpfeln. Für die Verdauung dieses
wahrlich köstlichen Schichtkuchens benötigt ein durchschnittlicher Körper
bis zu drei Tage. Eine Zeit, die man sich im österreichischen Nachbarstaat
zu nehmen weiß.
Das slowenische Wappentier, die Schnecke, heißt auf Slowenisch Polž. Ein
praktischer Name. Die älteren Slowenen tragen stets eine Polž im Ärmel, und
wo auch immer sich die Gelegenheit ergibt, lassen sie die kleinen Schnecken
gegeneinander wettlaufen. „Polž počasi“, lautet der hübsche Wettkampfruf.
Die schnellste Schnecke verliert natürlich.
Bei den jungen Menschen findet dieses Spiel heutzutage jedoch meist nur
noch auf Handys statt. Gut zu wissen: „snell“ ist in Slowenien der heiße
Tipp für das Jugendwort 2023, dessen Bekanntgabe in diesen Tagen mit
Spannung erwartet wird.
19 Oct 2023
## AUTOREN
Claudia Römer
## TAGS
Kolumne Die Wahrheit
Slowenien
Slow Food
Slavoj Zizek
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