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# taz.de -- Die Wahrheit: Blindverkostung Royal
> Zwischen Milchkönigin und Junior-Metzger in einem Landgasthof unweit des
> schönen Salzburgs – mit Las-Vegas-verdächtiger Gemütlichkeit.
Im „Landgasthof zur Post“, unweit des schönen Salzburgs, lief die charmante
Hotelchefin Katja unruhig auf und ab. Ihr stets perfekt gestärktes
Qualitätsdirndl schwang eindrucksvoll mit. Als bewährte Stammgästin durfte
ich dabei zuschauen und an den Sorgen des Hotels teilnehmen.
Die Renovierungsarbeiten im nahe gelegenen Luxus-Spa Schloss Fuschl
dauerten an. Schon deshalb gab es mehr Anfragen als gewöhnlich, und
ausgerechnet jetzt in der Weihnachtszeit, stand in einem Reisemagazin, dass
der Gasthof „ideal zum Chillen und Zeitreisen“ sei, und dass „das
urig-rundumgemütliche Ambiente zum Verweilen“ einlade. Eine für uns alle
verstörende Nachricht. Das Telefon stand nicht mehr still. Mit Ruhe und
Gemütlichkeit war es vorbei.
Vieles fiel der sonst mit königinnenhafter Contenance gesegneten Madame
Katja nun auf die Nerven, allen voran die Milchkönigin eines süddeutschen
Landkreises, die hier durch ein Austauschprogramm gelandet war. Heute
wollte sie eine „Milch-Blindverkostung“ in der „urigen Gaststube“
vollziehen.
Die üblichen Herumsitzer hatten sich bereits versammelt, bis auf die
Extremsportler, die Proteine nur als Pulver zu sich nahmen. Mordsmäßig
aufgebrezelt hatte sie sich, die sonst eher schüchterne Milchkönigin, und
eine Batterie von kleinen „Verkostungsgläsern“ vor sich aufgebaut. Der
fesche Junior-Metzger des Ortes, der seit der Schlachtsaison oft
angetrunken wirkte, starrte sie an: „Und da tust du jetzt überall Milch
eini?“ Ja, das tat sie und erklärte dazu: „Milch mit natürlichem Fettgeha…
hat mindestens 3,5 Prozent Fett.“
Verdächtig unauffällig blinzelte die grauhaarige Frau Fischer in den Raum.
Man munkelte, dass sie neulich Lottokönigin geworden sei, was sie energisch
abstritt. Allerdings hatte sie mir erzählt, dass sie ihren Sohn in Amerika
besuchen wolle, in Las Vegas. Von diesem Sohn hatte im Dorf jedoch noch nie
jemand gehört. Wahrscheinlich war sie auf den erstbesten Heiratsschwindler
im Internet hereingefallen, die Ärmste.
„Whatever happens in Vegas stays in Vegas!“, schlaumeierte ich. Auch davon
hatte im Dorf noch nie jemand gehört.
„Welche Milchsorten kennt ihr?“, fragte die Milchkönigin ins Publikum,
womit sie uns krass aufschreckte. Niemand fiel etwas Vernünftiges ein. Frau
Lotto-Fischer gab überraschend einen Schnaps aus und verabschiedete sich.
Der Rest der Veranstaltung verlief ziemlich durcheinander. Die Milchgläser
wurden von der zunehmend nervösen Königin wahllos verteilt. Die Gäste
rieten irgendwas daher. Unzufriedenheit entstand in der sonst so
gemütlichen Stube. Zufrieden schaute plötzlich nur die Wirtin aus, da
fortan zügig weitere geistige Getränke bestellt wurden. Ja, sie schien auf
einmal geradezu gut gelaunt, als sie in die Runde rief: „What happens in
the Blindverkostung, stays in the Blindverkostung!“
22 Dec 2023
## AUTOREN
Claudia Römer
## TAGS
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