Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Die Wahrheit: Brettljause extraordinär
> Zwischen Königinnen und Tagesessern in einem Landgasthof unweit des
> schönen Salzburgs – mit einem Stamperl Schnaps der seligen Sissi so nah.
In der Dämmerung fährt ein in Neonstoff gehüllter Mann auf einem
Mountainbike vorbei. Auf seiner Schulter thront ein echter, roter Papagei.
Schloss Fuschl ist nicht weit, einer der Lieblingsorte von Sissi, ist jetzt
Luxus-Spa. Wahrscheinlich ist er einer von den Gästen dort. Kümmert uns
allerdings nicht, hier im gemütlichen Landgasthof zur Post, unweit des
schönen Salzburgs.
Endlich sind die Tagesesser weg. Crème de la crème unter den Touristen sind
schließlich die Übernachtungsgäste. Absoluter Adel, wer wie ich Jahr für
Jahr wiederkommt und somit über das Privileg verfügt, sich mit der
charmanten Hotelchefin Katja busseln und duzen zu dürfen. Im stets perfekt
gestärkten Qualitätsdirndl ist sie selbstverständlich die unumstrittene
Königin und Conférencieuse des abendlichen Geschehens.
Mit professioneller Lockerheit überlegt sie, an welchen Tisch ich passen
würde. Ab und zu verirrt sich ein Wiener Kabarettist oder eine Swarowski
hierher. Wie Sissi und Franz damals wollen sie nur mal für zwei Tage wie
die ganz normalen Menschen leben. Heute jedoch nicht. Und normal ist hier
sowieso niemand – außer mir natürlich.
„Im Rahmen eines Austauschprogramms haben wir heuer eine echte Königin zu
Besuch, da, die mit ihren Eltern – die pfälzische Milchkönigin! Sehr nett,
redet halt ständig über ihren Sieg bei der Milch-Blindverkostung. Der Herr
drüben, ja, sieht fesch aus, aber er ist Schlachter und trinkt recht viel.
Na ja, würde ich an seiner Stelle auch tun“, murmelt sie. „Schau mal
weiter, nee, nicht die Extremsportler mit den ganzen Tapes am Körper. Die
wollen immer nur ein Wasser fürs Energiepulver und erklären dir dann, warum
sie fürs Radln einen Brustgurt brauchen.“
Unter dem Siegel der absoluten Verschwiegenheit flüstert mir die
Gasthofkönigin nun zu, dass es sich bei dem Tisch mit der einzelnen Dame
sehr wahrscheinlich um die geheime Lottomillionärin handelt, die es seit
ein paar Wochen im Dorf geben soll. Vorher kam sie nie und jetzt plötzlich
jeden Abend, nimmt immer die Brettljause spezial mit einem Stamperl
Schnaps. „Also, das würde mich interessieren, wenn die dir was erzählt.“
Mit den kurzen grauen Haaren und dem Sudoku-Heft vor sich erscheint die
Einheimische verdächtigt unauffällig. Lächelnd gehe ich zu ihr und sage zur
Tarnung auf ihre Brettljause deutend: „Ich hätte gern das Gleiche wie Sie,
wenn ich darf.“ Erfreut bietet sie mir sogleich einen Platz an. Bestimmt
hat Lady Katja ihr zuvor schon von meiner Theorie erzählt, über die
Hannoveraner Verwandtschaft mit dem englischen Königshaus relativ direkt
verwandt zu sein, was streng genommen jedoch nicht mal teilweise belegbar
ist.
Wir jausen angeregt miteinander. Durchs Fenster funkelt in der Ferne
Luxus-Spa Schloss Fuschl, wo sich einst Sissi und Franzl Gute Nacht sagten.
Und von oben schaut die Sissi nun unserem Schmäh zu, lacht und wirft
großherzig etwas von ihrem Glitzer auf uns hinab.
7 Nov 2023
## AUTOREN
Claudia Römer
## TAGS
Kolumne Die Wahrheit
Österreich
Hotel
Reisen
Kolumne Die Wahrheit
Kolumne Die Wahrheit
Kolumne Die Wahrheit
Bargeld
Kolumne Die Wahrheit
## ARTIKEL ZUM THEMA
Die Wahrheit: Strawberry Gsälz forever
In der Erdbeersaison kann man nicht einmal mehr in der Großstadt der selbst
eingekochten Marmelade entgehen. Oder ist das alles bloß Konfitüre?
Die Wahrheit: Blindverkostung Royal
Zwischen Milchkönigin und Junior-Metzger in einem Landgasthof unweit des
schönen Salzburgs – mit Las-Vegas-verdächtiger Gemütlichkeit.
Die Wahrheit: Slow ist das neue snell
Zur „Slowenischen Woche der Wahrheit“ einige dringend notwendige
Anmerkungen zum langsamsten und reichsten Land des ehemaligen Jugoslawiens.
Die Wahrheit: Weg mit den Moneten
Allzeit sicher unterwegs – nur, wie kommen die einem anvertrauten Penunzen
jetzt auf halbwegs vernünftigen Kanälen vom Main in den Berliner Wedding?
Die Wahrheit: Die singenden Schüsseln
Chinesische Restaurants sind Oasen nicht nur des Essens, selbst wenn am
Nachbartisch von geschäftstüchtigen Herren kräftig gedongt wird.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.